Michael Pratz, der für die Automation, Anlagenqualifizierung sowie die Dokumentation und die technische IT bei Bausch+Ströbel verantwortlich ist, erläutert das Problem: „Zwei separate Systeme und zusätzliche Eigenentwicklungen erfordern einen hohen Aufwand für die Implementierung und die Validierung der Software sowie für die Wartung und Pflege der Maschinen und Anlagen. Unser Ziel war es, nicht mehr zu entwickeln, sondern zu projektieren.“ Der Spezialmaschinenbauer suchte eine Software, die von der Maschinenbedienung bis hin zur Leitebene ein durchgängiges, ineinander greifendes System bildet und gleichzeitig ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bietet. Zu den Entscheidungskriterien für eine HMI/Scada-Lösung zählte eine umfassende Benutzerverwaltung sowie die Möglichkeit, Microsoft Windows als Betriebssystemplattform nutzen zu können und damit beispielsweise die Integration ins Active Directory zu gewährleisten. „Darüber hinaus war es uns wichtig, mit vorhandenen Tools moderne und intuitive Benutzeroberflächen schaffen zu können“, ergänzt Michael Pratz. Eine weitere Anforderung war es, für den Endanwender ein System zu schaffen, das den gesamten Arbeitsprozess durchgängig abbildet. Eine geringere Anzahl an Arbeitsschritten sollte dafür sorgen, die Arbeit effizienter zu gestalten und die Fehleranfälligkeit zu verringern. „Unsere neue Lösung sollte es ermöglichen, dass die Maschinenbediener intuitiv geleitet werden und an verschiedenen Maschinen arbeiten können – auch ohne langfristige Einarbeitungszeiten. In der heutigen Zeit ist dies ein Muss. Gleichzeitig wollten wir die Prozesssicherheit erhöhen“, kommentiert der Verantwortliche bei Bausch+Ströbel.
Anwender im Detail
Bausch+Ströbel
Das Unternehmen Bausch+Ströbel aus Ilshofen fertigt rund 300 Maschinen pro Jahr – 95 % davon für die Pharmaindustrie. Der Spezialmaschinenbauer bietet sowohl kundenspezifische Einzelmaschinen als auch multifunktionale Produktionslinien für die industrielle Verarbeitung. Das Maschinenspektrum richtet sich an Hersteller von pharmazeutischen Produkten aus dem Primärverpackungsbereich und Sekundärverpackungsbereich. Dies umfasst Maschinen für die Produkte Ampullen, Einmalspritzen, Karpulen und Vials. Insgesamt hat das Unternehmen bislang über 10.000 Einzelmaschinen für den weltweiten Einsatz gebaut. Hierzu zählen mehr als 130 Ampullen-Linien, 340 Vial- oder Flaschen-Linien, 100 Spritzen-Linien (Nest), 50 Spritzen-Linien (Bulk) sowie 40 Karpulen-Linien. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch Etikettiermaschinen an. Gegründet im Jahr 1967 mit vier Mitarbeitern, erzielt der Spezialmaschinenbauer heute einen Jahresumsatz von 120 Millionen Euro mit rund 1.000 Mitarbeitern.
Erfassen, visualisieren, protokollieren
Der Spezialmaschinenbauer bietet seinen Kunden heute auf Basis der HMI/Scada-Software Zenon alle Funktionen für Verpackungs- und Produktionsprozesse in der Pharmaindustrie. Die HMI/Scada-Anwendung erfasst, visualisiert und protokolliert chargenbezogen alle in der Produktion und Verpackung entstehenden Daten. Die Anwender erhalten Informationen zur aktuellen Maschinenleistung und Zählerstände. Auch die Gewichtswerte als Balkendiagramm sowie in tabellarischer Form mit Netto- und Tara-Werten inklusive Datum und Uhrzeit der Wiegung stellt das HMI/Scada-System übersichtlich dar. In der Trendanzeige können Mitarbeiter die Entwicklung der Produktionsdaten über einen längeren Zeitraum hinweg verfolgen, mögliche Störungen des Produktionsprozesses frühzeitig erkennen und Gegenmaßnahmen einleiten. Objektbezogene Produktionsdaten wie Gewichtswerte werden pro Maschinentakt aufgezeichnet.
Ein wichtiger Punkt für den Spezialmaschinenbauer – und eine bedeutende Anforderung in der Pharmabranche – ist die Integrität der Daten, die auch die Produktqualität entscheidend beeinflusst. Mit dem HMI/Scada-System kann Bausch+Ströbel alle Daten, wie Temperaturen, Drücke und Gewichtswerte, konsistent in eine Datenbank schreiben, wieder auslesen, auswerten und analysieren sowie archivieren. Die SQL-Datenbank und die OPC-UA-Anbindung ermöglichen es außerdem, die Produktionsergebnisse an übergeordnete Systeme, wie ein MES, weiterzureichen.
Durchgängiger Informationsfluss
Das HMI/Scada-System unterstützt Maschinenbauer sowie Produktions- und Verpackungsunternehmen, die Anforderungen der Pharmabranche zu bewältigen, die gesetzlichen, internationalen Regularien wie FDA 21 CRF PART 11 oder GMP (Good Manufacturing Practice) einzuhalten und – im Zusammenspiel mit der integrierten Benutzerverwaltung – die in der Pharmabranche geforderten Audit-Trails zu erstellen. Dabei protokolliert das HMI/Scada-System, welcher Benutzer welche Interaktionen ausführt und dokumentiert diese. Somit ist es möglich, alle Benutzerzugriffe und relevanten Ereignisse wie Prozessereignisse, Wertänderungen oder Grenzwertüberschreitungen jederzeit nachzuvollziehen.
Mit dem Start einer Charge und der Angabe der Chargennummer werden die Startinformationen sowie die Produktionsdaten wie Gewichtswerte oder Meldungen in einer SQL-Datenbank abgelegt. Die Anwendung zeichnet alle in diesem Produktions- oder Verpackungsprozess entstehenden Daten in einem Audit-Trail auf. Das sorgt für die Konformität zu FDA 21 CRF Part 11. Die verantwortlichen Mitarbeiter können die Audit-Trails der laufenden Charge einsehen. Nach dem Ende einer Charge stehen die Chargenprotokolle oder Trendauswertungen zur Analyse, Dokumentation oder auch zur Archivierung bereit. Sie enthalten Informationen zum Betriebszustand der Maschinen, zu den Zugriffen der Mitarbeiter, Parameteränderungen, Betriebsmeldungen und Trends wie Temperaturentwicklung, Statistiken oder Zählerprotokolle. Der Spezialmaschinenbauer kann die Produktions- und Standzeiten während einer Charge aufzeichnen, die Kennzahlen grafisch darstellen und – optional auch am Ende eines Chargendurchlaufs – ausdrucken.
Mehr Effizienz mit der Rezeptverwaltung
Mit dem Zenon Rezeptgruppenmanager ist es möglich, individuelle Verpackungs- und Fertigungsparameter, Sollwerte und Befehle in einer Liste festzuhalten, die in der Runtime mit einem einzigen Funktionsaufruf ausgeführt wird. Der Spezialmaschinenbauer nutzt diese zentrale Rezept- und Formatverwaltung dazu, alle Formatparameter der einzelnen Maschinen oder einer gesamten Linie zu bearbeiten, zu löschen, freizugeben, abzuspeichern und zu verwalten. Zudem können die Kunden eine CIP/SIP-Formatverwaltung integrieren. Da Rezeptwechsel zu erheblichen Änderungen in der Anlage führen, schützt Zenon diese Funktion mit Sicherheitsmechanismen und Zugriffsrechten. Außerdem lassen sich alle Änderungen protokollieren.
Maschinen maßschneidern
Bausch+Ströbel bietet heute eine Vielzahl an Modulen und Funktionsbausteinen für das HMI/Scada-System an, sodass Kunden eine maßgeschneiderte Lösung für ihre Anforderungen in der Abfüllung und Verpackung von pharmazeutischen Produkten zusammenstellen können. Hierzu zählt beispielsweise ein Modul für die Objektprotokollierung für die Speicherung und Abfrage von zeitgesteuerten Prozessdaten. Mit dem Modul Zeitsteuerung können Anwender eine Maschine oder Anlage an den NTP-Zeitserver (Network Time Protocol) des IT-Netzwerks anbinden und Uhrzeiten synchronisieren. Das Backup-Modul sorgt für die Datensicherung und die Wiederherstellung.
Mit der Sprachumschaltung können Anwender während des laufenden Betriebs Sprache und Schriften des HMI/Scada-Systems beliebig umschalten und Einheiten umrechnen. Gleichzeitig ist dafür gesorgt, dass die gewählte Sprache durchgängig genutzt wird. So sind auch die Audit-Trails in der gewünschten Sprache hinterlegt. Dies ist für den Maschinenbauer wichtig, da er 90 % seiner Maschinen ins Ausland verkauft.
Flexibel zusammenarbeiten
Die kundenorientierte Produktentwicklung, die klare Release-Politik sowie die offene Kommunikation bezüglich der geplanten Entwicklungsschritte für künftige Softwareversionen schätzen die Automatisierungsspezialisten von Bausch+Ströbel. Neben der technischen Lösung hebt Michael Pratz die professionelle Zusammenarbeit hervor: „Copa-Data hat großes Engagement bewiesen und gezeigt, dass das Unternehmen unsere Anforderungen und Bedürfnisse schnell umsetzt, sofort auf Anfragen reagiert und uns vor Ort kompetent unterstützt.“ Aktuell hat Bausch+Ströbel bereits fünf Maschinen mit der neuen, Zenon-basierenden Anwendung ausgeliefert. Zu den ersten Anwendern zählt das Unternehmen Sandoz.
Frank Hägele
(mf)