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(Bild: Fraunhofer IAPT)

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Die SensePro-Sensorik ermöglicht eine 360°-Rundumsicht für die Prozessführung und Qualitätssicherung. Fraunhofer IAPT

Wo bin ich? Diese Frage müssen auch Roboter beantworten, wenn sie unermüdlich Werkstücke kleben, schweißen oder Dichtungen verfugen. Denn nur wenn die Robotersteuerung auf den Millimeter genau weiß, an welcher Stelle sich der Klebe- oder Schweißkopf gerade befindet, ist das Endergebnis präzise. Der Roboter braucht also eine Art Auge. In der Automobilindustrie und vielen weiteren Branchen übernehmen das spezielle Sensoren, die mehrheitlich mit dem Prinzip der Lasertriangulation arbeiten: Eine Laserdiode wirft eine Linie aus rotem Licht auf das Werkstück, von dort wird das Licht unter einem bestimmten Winkel reflektiert und weiter in eine Kamera geworfen. Aus der Position, von der das Licht auf den Kamerachip trifft, lassen sich die Position und die Entfernung des Sensors zum Werkstück innerhalb des Koordinatensystems bestimmen. Dabei gibt es jedoch ein Problem: „Die bestehenden Sensoren sind durch Abschattungen in ihrer Flexibilität begrenzt, schränken zusätzlich die Bewegungsfreiheit der Robotersysteme ein und führen zu einem hohen Integrationsaufwand“, sagt Mauritz Möller, Abteilungsleiter Fabriksysteme für die additive Fertigung an der Fraunhofer-Einrichtung für Additive Produktionstechnologien IAPT in Hamburg. Bei herkömmlichen Sensoren klappt die Höhenmessung nur, wenn diese in Bearbeitungsrichtung angebracht sind. Ändert sich bei diesen Sensoren die Bewegungsrichtung des Roboters, bleibt das Auge blind. Diese Festlegung auf eine Bearbeitungsrichtung schränkt die Flexibilität der Handhabungssysteme deutlich ein. Die einzigen Alternativen sind die Verwendung mehrerer Sensoren oder zusätzlicher Achsen – beides ist nach dem heutigen Stand der Technik mitunter teurer als der Roboter selbst.

Patentiertes Messprinzip

Mauritz Möller hat mit seinen Kollegen Malte Buhr, Vishnuu Jothi Prakash und Julian Weber eine innovative Lösung entwickelt: Der Sensor namens SensePro ist mit 15 Zentimeter Durchmesser kompakt, hat eine eigens entwickelte Auswertesensorik, die einen abschattungsfreien Rundumblick ermöglicht, und erzeugt einen 360°-Messvorhang, der vollkommene Flexibilität bei der Messrichtung bietet: Egal wohin sich der Roboter bewegt, immer ist mindestens eine Laserlinie optimal positioniert und liefert genaue Positionsinformationen in die Kamera. Außerdem kommt es nicht zu Abschattungen des Lichts durch kompliziert geformte Bauteile. Dieses Messprinzip ist mittlerweile patentgeschützt. Der Anwender kann den Sensor ohne Integrationsaufwand für alle Robotersysteme vollkommen flexibel und vor allem prozesssicher in Klebe- und Schweißprozessen einsetzen und erreicht eine bedeutend vereinfachte Prozessführung und Qualitätssicherung – mit nur einem Sensor.

Intelligentes Thermomanagement

Um über lange Zeit in rauen Produktionsumgebungen arbeiten zu können, enthält der Sensor ein Kühlmodul, das entweder mit Wasser oder Luft arbeitet. Zu diesem Zweck besitzt die optische Bank, auf der die Laserdioden und die Kameras montiert sind, eine interne Kühlstruktur. Diese ist so komplex geformt, dass sie nur im 3D-Druck hergestellt werden kann. Durch das intelligente Thermomanagement hält der Sensor viele Jahre. Der Sensor ist so ausgelegt, dass er auf Roboter der gängigen Hersteller passt und sich für alle denkbaren Einsatzszenarien eignet. Das erlaubt eine einfache Integration in bestehende Fertigungsanlagen.

Die Technologie verspricht also viel – ob sie es auch hält, sollen Versuche bei Partnern zeigen. Dazu hat sich das Institut früh die Unterstützung von fünf Firmen gesichert, die zugesagt haben, die Entwicklung zu begleiten, die Prototypen zu testen und diese auch zu kaufen. Sie treffen sich alle zwei Monate und besprechen die Fortschritte sowie weiteren Ziele des Projekts. Noch dieses Jahr sollen zwei Referenzprojekte starten, in denen der Sensor einmal beim Kleben und einmal beim Schweißen eingesetzt wird. Wenn die Partner den Daumen heben, wird ein Automobilhersteller den Sensor ab 2019 in der Produktion testen, 2021 soll SensePRO dann serienreif sein. „Die Technologie wird uns einen signifikanten Vorteil bei der Reduzierung unserer Taktzeiten bieten“, lässt der Automobilhersteller bereits verlauten. Bis dahin sollen weiterführende Entwicklungsprojekte starten, etwa eine automatisierte Rekalibrierung oder eine richtungsunabhängige Datenvorselektion und Produktionsprozesssteuerung mittels Deep-Learning-Algorithmen.

Die Chancen stehen gut, dass sich der Sensor gut im schnell wachsenden Markt der Industrieroboter etablieren kann, da aktuell keine Konkurrenzsysteme erhältlich sind. In Deutschland werden jedes Jahr etwa 1300 neue Roboter für Schweiß- oder Klebeanwendungen verkauft, die so einen Sensor brauchen. Für Mauritz Möller und seine Kollegen Malte Buhr, Vishnuu Prakash und Julian Weber ist das Ziel des Projekts, die wirtschaftliche Verwertung beispielsweise in einer Ausgründung zu überprüfen. Dazu haben die vier Forscher einen Antrag zur Exist-Förderung gestellt, der bewilligt wurde. Mit dem Exist-Programm unterstützt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Unternehmensgründungen aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit jeweils bis zu 1 Mio Euro.

Bernd Müller

freier Journalist

(ml)

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