Offeriert beziehungsweise vertrieben wird diese Technik von Hy-line Computer Components; entwickelt hat sie das schwedische Unternehmen Neonode Technologies.
Bildschirme mit ‚berührungsempfindlicher‘ Infrarot-Technik – wie man sie von Fahrkarten- oder auch Bankautomaten kennt – basierten bislang auf einer Technik mit Lichtgittern. Die Touchscreens haben allerdings keinen guten Ruf: hässlich, bei Sonnenlicht nicht bedienbar, dicke Rahmen, kein Multitouch beziehungsweise keine Gestensteuerung möglich.
Die klassische Infrarot-Technik für Touchscreen-Bildschirme beruht auf einem einfachen Prinzip: In x- und y-Richtung des Bildschirms wird ein Lichtgitter aufgespannt. Bei dessen Unterbrechung durch einen eindringenden Gegenstand wird dieser beziehungsweise die Unterbrechung in x- und y-Position detektiert und daraus die Touch-Position berechnet. Die Technik ist einfach und robust, und sie hat den Vorteil, vom Display getrennt zu sein. Sie wird vor allem dort verwendet, wo die Displays extremen Umgebungsbedingungen ausgesetzt sind, etwa durch die Umgebungstemperaturen oder Vandalismus. Beispiele dafür sind Fahrkarten- und Bankautomaten. Dort kann man sich auf die Absicherung der Display-Oberfläche konzentrieren und sie den Anforderungen gerecht machen, zum Beispiel eine dicke Scheibe aus Schutzglas davor montieren, um eine Beschädigung des Displays zu verhindern.
Eck-Daten
- zForce ist eine neu eingesetzte Technik für Infrarot-Touch-Sensoren beziehungsweise Touchscreen-Displays.
- Die Technik beruht auf der IR-Reflexion des eingebrachten Gegenstands anstelle der bisherigen Lichtgittertechnik.
- Multitouch-Bedienung ist möglich.
- Display muss zur Bedienung nicht berührt werden.
- Display-Brillanz wird nicht vermindert.
- Sensor ist sehr robust und chemikalienbeständig.
- Display und Touchscreen-
Sensorik sind voneinander unabhängig..
Die bislang eingesetzte Lichtgitter-Technik hat jedoch einige Nachteile. Mit zunehmender Displaygröße steigt die benötigte Zahl an IR-Emittern und Detektor-Dioden – und damit der Stromverbrauch. Helles Umgebungslicht, etwa direkt einfallendes Sonnenlicht, kann die Fotodioden blenden. Die Randbereiche des Displays sind bei schrägem Blickwinkel schlecht ablesbar, weil der Touchscreen oft hinter einer dicken Glasplatte montiert wird und das Display relativ tief im Gehäuse liegt. Mit der IR-Reflexionstechnik lassen sich diese Nachteile vermeiden und gleichzeitig kann ein Multitouch-Bedienkonzept verwirklicht werden.
Infrarot-Laser mit Reflexion
Die IR-Reflexionstechnik zForce bringt IR-Sender und IR-Empfänger nebeneinander in einem streifenförmigen Gehäuse unter, das nur auf einer Längsseite des Displays montiert werden muss. Die IR-Sensoren messen nicht die Unterbrechung der Strahlung zwischen den Strahlern und Sensoren durch einen Gegenstand, sondern sie messen die Reflexion des emittierten Lichts von IR-Laser-Dioden durch einen Gegenstand, typischerweise einem Finger, der in das IR-Strahlenfeld eingedrungen ist.
Die Erkennung von Mehrfinger-Funktionen und Gesten erledigt der eingebaute Controller. Diese IR-Reflexionstechnologie bietet gegenüber PCAP-Touchscreens mehrere Vorteile: Die Bedienung muss nicht mit einem leitfähigen Gegenstand erfolgen. Gegenüber elektromagnetischen Feldern und hellem Umgebungslicht ist sie unempfindlich.
Systemintegration
Bei Infrarot-Touchscreens ist der Sensor mit dem Gehäuse verbunden, aber nicht zwangsläufig mit dem Display verklebt wie bei der PCAP-Technik. Bei einem klassischen IR-Display mit Lichtgittertechnik befindet sich die Display-Oberfläche hinter der Frontplatte des Gerätegehäuses; Touchsensor und Display-Schutzglas befinden sich weit innen im Gerät. Um den gesamten Display-Inhalt einzusehen, muss der Benutzer geradlinig vor dem Gerät stehen.
Für die konstruktive Integration des zForce-Sensors gibt es mehrere Möglichkeiten. Er kann entweder bündig mit dem Gehäuse oder außen auf dem Gehäuse montiert werden. Oberhalb des Displays können Ablagerungen wie Staub und Wasser die Funktion nicht beeinträchtigen. Das Display rückt näher nach vorne im Gerät.
Software-Integration: Der eingebaute Controller präsentiert sich als USB-HID (Human Interface Device); es arbeitet deshalb sofort mit dem Betriebssystem eines entsprechenden Hosts zusammen und ersetzt oder ergänzt die Maus-Funktionen als Single- oder Multitouch.
Anwendungen für die zForce-Technik
Die zForce-Touch-Technik eignet sich besonders für raue Umgebungen im Innen- und Außenbereich, wo andere Touch-Prinzipien versagen. Sie kann auch zur Nachrüstung existierender Systeme verwendet werden. Durch den weiten Temperaturbereich ist der Einsatz in industrieller Umgebung problemlos möglich. Die Bedienung kann mit jedem Gegenstand erfolgen, der IR-Licht reflektiert, also auch mit Schutzhandschuhen, Kreditkarten und Stiften. Selbst mit nassen oder schmutzigen Händen oder langen Fingernägeln ist eine Bedienung einfach.
Weil der Touch-Sensor außerhalb des Displays montiert wird, kann das Display ohne Rücksicht auf den Touchscreen vor den Umgebungsbedingungen geschützt werden. Gegenüber eingestrahlten elektromagnetischen Störungen ist der Touch-Sensor unempfindlich. Deshalb kann er in Nutzfahrzeugen, landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen mit großen elektrischen Antrieben eingesetzt werden. Umgekehrt ruft die IR-Touch-Technik auch keine elektrischen oder elektromagnetischen Störfelder hervor. Deshalb kann sie auch unter in dieser Hinsicht empfindlichen Umgebungsbedingungen eingesetzt werden. Die Display-Oberfläche lässt sich auch mit einer elektromagnetischen Abschirmung gegen das ‚Abhören‘ versehen (Spionage).
Natürlich funktioniert der Schutz auch nach innen: Die Display-Öffnung als Einfallstor für elektrische Störsignale kann abgedichtet werden. Als ‚Smart Sensor‘, etwa an einer Arbeitsplatte aus Holz oder Stein kommt der Sensor auch ohne Display aus. Die Kosten skalieren gut mit der Größe des Bildschirms, weil im Gegensatz zum klassischen IR-Touchscreen nur eine Dimension abgedeckt werden muss. Sogar das ist kein Muss: Mit einem selektiven Touch-Bereich kann beispielsweise das On-Screen-Menü eines Großbildschirms in einer unteren Ecke bedient werden, ohne dass der Touch-Sensor die gesamte Breite des Bildschirms abdecken muss.
Andere Einsatzgebiete: Lichtschranke oder Näherungssensor
Je nach Orientierung des IR-Lasers kann zForce als Touchscreen, Lichtschranke oder Näherungssensor eingesetzt werden. Mit um 90° gedrehter Ausrichtung dient der Sensor als eindimensionale Bedienoberfläche. Im Gegensatz zu herkömmlichen Näherungssensoren, die die Signalstärke als Indikator für die Position eines Objekts auswerten, bestimmen hier die Kombination von Sender- und Empfänger-Signal die Position eines Objekts.
In der Funktion als Lichtschranke kann die Reflexionstechnik eingesetzt werden, um die Präsenz von (unerwünschten) Objekten zu erkennen, und das System kann entsprechende Aktionen vornehmen. Als Näherungssensor kann er auch in bewegten Objekten eingebaut werden, um Kollisionen mit der Umwelt zu vermeiden, etwa in Saugrobotern.
Display-Berührung nicht erforderlich
Während der Ersatz konventioneller IR-Touchscreen-Anwendungen durch die zForce-Technik nahe liegt, kann die neue Technik darüber hinaus weitere Einsatzgebiete erschließen. Ideal ist sie für Monitore mit bildgebenden Verfahren in der Medizintechnik. Die Bildqualität des Displays wie Kontrast, Oberflächenvergütung, Entspiegelung und Parallaxe bleiben erhalten, weil die optischen Eigenschaften der Display-Oberfläche nicht beeinflusst werden. Nicht nur hier zeigt sich der Vorteil, die Oberfläche nicht mit sterilen Handschuhen berühren zu müssen, sondern auch an öffentlichen Plätzen, wo Aufzüge gerufen, Automaten bedient und Toilettenspülungen ausgelöst werden sollen: Wird das Display nicht berührt, dann werden auch keine Keime übertragen. Auch in der Lebensmittelindustrie oder einer Restaurantküche bieten solche Displays Vorteile: Sie können auch mit ‚schmutzigen Fingern‘ bedient werden, weil die Oberfläche nicht berührt werden muss – der Bildschirm wird also nicht verschmiert und unlesbar.
Vergleich mit anderen Touch-Technologien
Im Vergleich mit anderen Technologien schneidet zForce gut ab. Insbesondere die fehlende Kopplung zum darunter liegenden Display ermöglicht Anwendungen, die mit anderen Touchscreen-Techniken so nicht realisierbar sind (siehe auch Tabelle):
- Optik: Das Display kann für die Anwendung optimiert werden. Optische Parameter des Displays werden nicht beeinflusst.
- Integration/Nachrüstung: Monitore oder Notebooks können über einen Retrofit-Bausatz nachträglich aufgerüstet werden.
- Robustheit: Der Touch-Sensor selbst ist gegenüber allen herkömmlichen Chemikalien oder Reinigungsmitteln unempfindlich. Vandalismus gegen das Geräte-Display lässt sich mit einer schlagsicheren Frontscheibe abwehren.
- Fehleranfälligkeit: Die sensorische Funktion kann nicht durch elektrische oder elektromagnetische Felder beziehungsweise Störimpulse hervorgerufen oder beeinträchtigt werden. Umgebungslicht von der Sonne oder starken Lichtquellen sieht der Sensor auf Grund von eingebauten Filtern nicht.
- Lebensdauer: Die Lebensdauer des Sensors ist hoch, und zwar unabhängig von der Zahl der Betätigungen.
- Ergonomie: Der zForce-IR-Touch-Sensor ermöglicht Multitouch-Funktionen mit der Erkennung von mehreren Fingern und Gesten. Er ist mit allen Gegenständen, die IR-Licht reflektieren, bedienbar. Der Bildschirm selbst muss dabei nicht berührt werden (Hygiene, Verschmutzung).
- Design: Unter dem Aspekt eines besonderen Designs kann der Touch-Sensor auch ganz in einer Oberfläche verschwinden und verborgen zur Bedienung verwendet werden.
Fazit
Auch wenn heute die Mehrzahl aller Touchscreens auf der PCAP-Technik basieren, gibt es doch eine Reihe von Anwendungsfällen, für die sich diese Technik weniger gut eignet. Die zForce-Technik bietet den Vorteil der separaten Montage. Die Display-Oberfläche wird nicht durch eine unter der Display-Scheibe liegende Sensorfolie wie bei PCAP-Touchscreens beeinflusst. Dadurch kann die Display-Scheibe nach anderen Kriterien ausgelegt werden: Für den rauen Einsatz, für die Bedienung mit jedem Gegenstand, dort, wo eine tatsächliche Berührung des Touchscreens nicht erwünscht ist, oder wo die Bildqualität nicht durch eine auf dem Display angebrachte, zusätzliche Schicht beeinflusst werden darf. Und, genau genommen muss eigentlich gar kein Display hinterlegt sein! Es kann auch die Arbeitsplatte in der Küche sein.
Rudolf Sosnowsky
(dw)