Kaum eine Maschine ist heute im Einsatz, die nicht über Software-Steuerung verfügt. Im industriellen Umfeld sind die Maschinen zudem vernetzt, um Daten an Leitstände und Kontrollräume zurückzuspielen oder für Big-Data-Analysen in Rechenzentren oder gar einer Cloud zu speichern. Übermittelt werden die Daten von Edge oder Fog Devices in den Maschinen vor Ort. Dabei handelt es sich meistens um Embedded Computer, die auch Sicherheits- und Lizenzierungsfunktionen direkt an der Maschine übernehmen können. Damit sind die technologischen Voraussetzungen für nutzungsbasierte Abrechnungsmodelle gegeben, sofern eine entsprechende Hardware und ein Software Framework verfügbar sind. Vorstellbar – aber nicht ausschließlich – sind dabei folgende Szenarien nutzungsbasierter Abrechnungsmodelle.
Modell 1: Bezahlung nach Nutzung
Die Maschine verbleibt im Eigentum des Herstellers: Bezahlung nach Nutzung. Das sogenannte Betreibermodell ist sinnvoll, wenn der Nutzer keine rentable Dauerauslastung erwartet, die Maschine aber dennoch im eigenen Fertigungsumfeld benötigt wird. Auch wenn Anwender an eine Maschine hohe Verfügbarkeits- und Service-Anforderungen stellen, kann es vorteilhaft sein, die Service- und Support-Verantwortung im Betreibermodell dem Hersteller zu überlassen. Auf diese Weise ist die Verfügbarkeit ohne Zutun des Nutzers garantiert.
Vorteil für den Hersteller ist, dass er alle Maschinen in seiner Obhut behält. Das bedeutet auch, dass er Zugriff auf die Maschinendaten aller von ihm betriebenen Geräte erhält. Werden die Daten von vielen Maschinen aggregiert und ausgewertet, lassen sich hier via Big-Data-Analyse wertvolle Schlüsse für vorausgeplante Wartungsarbeiten/ Predictive Maintenance, zukünftige Weiterentwicklungen oder die Fehlerbehebung ziehen. Für eine Abrechnung pro Nutzung sind vor allem Prozesse mit gut messbaren Vorgängen geeignet, etwa bei Stanzmaschinen, Punktschweißmaschinen oder Laserschneiden. Im Unterschied dazu kann aber auch die Zahl der verarbeiteten Werkstücke als Grundlage einer Abrechnung dienen. Das Modell wird bereits heute häufig im Industrial-Automation-Markt angewendet.
Modell 2: Beschränkte Nutzung
Die Maschine ist Eigentum des Nutzers, jedoch ist die Zahl der Nutzungsfälle beschränkt. Das ergibt etwa bei Leasing-Verträgen Sinn, wenn der Hersteller die Maschine zurücknimmt und weiter veräußern muss – vergleichbar mit der Kilometerbegrenzung beim Autoleasing. Vorteil für den Nutzer ist, dass dieser die Maschine zu einem günstigeren Preis erwerben kann als ein Gerät mit unbeschränkter Nutzbarkeit. Für den Maschinenanbieter bedeutet dies, dass er aufgrund der Nutzungsbeschränkung weiß, wie abgenutzt die Maschine ist und mit einem entsprechenden Wiederverkaufswert kalkulieren kann. Bei Druckmaschinen ist es zum Beispiel möglich, die Anzahl der Druckvorgänge zu limitieren. Darüber hinaus ist auch eine zeitliche Beschränkung in Form eines Betriebsstunden-Kontingents denkbar. Ein typisches Anwendungsgebiet für das Leasing-Modell findet sich in der Medizintechnik, beispielsweise bei Computertomographen.
Modell 3: Funktionsumfang per Software beschränkt
Die Maschine ist im Eigentum des Nutzers, jedoch ist der Funktionsumfang per Software beschränkt. Dieses Modell ist dann sinnvoll, wenn absehbar ist, dass nur bestimmte Funktionen benötigt werden. Weniger Funktionen machen die Maschine natürlich für den Käufer günstiger; der Hersteller kann jedoch eine Produktlinie per Software mit mehr oder weniger freigeschalteten Funktionen anbieten und muss nicht alle Varianten extra produzieren.
Folgendes Szenario wäre hier sogar vorstellbar: Der Hersteller schaltet die deaktivierten Funktionen frei, wenn der Nutzer dies wünscht und bezahlt. Dieses Geschäftsmodell kommt bereits in vielen Branchen zum Einsatz und ist besonders geeignet etwa für Spielautomaten im Entertainment-Bereich oder aber im Bereich Industrial Automation, um zusätzlich Funktionen von Maschinen oder bei Fertigungsrobotern freizugeben.
Die Modelle, welche die Maschine im Eigentum des Herstellers belassen, haben auch Auswirkungen auf die Bilanz. Während die Anschaffung von kompletten Maschinen betriebswirtschaftlich unter Investitionen laufen, sind nutzungsbezogene Abrechnungsmodelle wie Betriebsausgaben zu behandeln. Insbesondere in Branchen, in denen teure Maschinen hohe Investitionsaufgaben bedeuten, kann die Verlagerung der Ausgaben von Investitionen zu laufenden Betriebsausgaben über Pay-per-Use-Modelle interessant sein.
Lizenzmanagement für den 3D-Druck
Denkbar ist auch, dass sich mit dem Verfahren zur Lizenzprüfung, die Rechte von Ersatzteilherstellern im Zeitalter des 3D-Drucks schützen lassen. So könnten Anbieter von 3D-Druckvorlagen vergeben und entziehen. Dabei könnte es beispielsweise erlaubt sein, ein Ersatzteil, nach einer gekauften – und damit lizenzierten Vorlage – drei Mal zu drucken. Für jeden weiteren Druck müssten Anwender neue Lizenzen erwerben. Mittels eines Lizenzchips ließe sich schnell prüfen, ob die Lizenz gültig ist. Hersteller von Originalteilen, beziehungsweise deren Vorlagen, könnten damit ein Geschäftsmodell aufbauen, das auf die legale und bezahlte Verbreitung von 3D-Drucklizenzen setzt. Dadurch könnte der Schwarzmarkt an illegalen Druckvorlagen ausgedünnt werden und Nutzer können sich sicher sein, nur Originalteile zu drucken.
In der Hardware bereits inbegriffen: Pay-per-Use
Grundsätzlich sind diese Lizenzierungsmodelle nicht neu und auch die Technologie dafür ist bereits erprobt. Mit der Integration eines Chips seines Partners Wibu-Systems in seine Hardware geht Kontron aber nun einen Schritt weiter: der Chip stellt nicht nur Sicherheitsfunktionen bereit, sondern auch eine integrierte Lizenzverwaltung. Bisher brauchte es für die Umsetzung der nutzungsabhängigen Abrechnungsmodelle ergänzende Hardware, wodurch der manuelle Zugang zu Schnittstellen erforderlich wurde, der bei Embedded Hardware oft nur schwer möglich ist; schlimmstenfalls ist überhaupt keine Schnittstelle mehr frei. Mit der Integration des Chips auf die Boards und Module entfällt dieser zusätzliche Aufwand, da die Hardware schon enthalten ist und sich einfach per Mausklick aktivieren lässt.
Zudem ist die Betriebs- und Ausfallsicherheit eines gelöteten Chips auf der Platine wesentlich höher, als von einer gesteckten Smartcard oder eines USB-Sticks. Das Konzept von Kontron macht damit den Einsatz von Lizenzierungslösungen auch im harten Industriealltag denkbar, wo etwa dauernde Erschütterungen oder Vibration, Stecker oder Karten gefährden.
Bei der „Kontron Approtect und Kontron Approtect Licensing – Powered by Wibu-Systems“ getauften Lösung handelt es sich um einen Smartcard-Chip, der direkt auf den Platinen verbaut ist. Er sorgt durch Verschlüsselung auf der Hardware für die Sicherheit von Anwendungsdaten sowie des Programmcodes. Dabei haben Anwender die Freiheit, selbst zu entscheiden, ob sie die Lizenz- und Sicherheitsfunktionen aktivieren wollen. Ältere Kontron Module, die über PCI Express Mini oder USB-Schnittstellen verfügen, lassen sich per Nachrüstset klassisch mit dem Chip ausstatten.
Generell sind mit dem Chip und dem entsprechenden Software-Framework Freischaltungen nach folgenden Kriterien vorgesehen: zeitbasiert, Zahl der Aufrufe oder freigeschaltete Features. Der Kreativität für neue Geschäftsmodelle bei vorhandenen und zukünftigen Maschinen mit Embedded Computern sind also kaum mehr Grenzen gesetzt; der reine Produktvertrieb durch den Hersteller ist nicht mehr alles.
Überschaubarer Programmieraufwand
Von Entwicklerseite hält sich der Aufwand für die Programmierung derartiger Funktionen in Grenzen. Die eigentlichen Funktionen müssen natürlich im Sourcecode des Anwendungsprogramms integriert werden. Kontron stellt das passende Software Development Kit (SDK) bereit und unterstützt bei Bedarf mit einem Support-Team oder der Vermittlung des Kontakts zum Chip-Hersteller. Der Zugriff auf den Chip erfolgt auf Basis der eingesetzten Betriebssysteme Windows oder Linux, die sich mit den üblichen Programmiersprachen wie beispielsweise C, C# oder Java ansprechen lassen.
Der Vorteil davon, dass die Freischaltung im Sourcecode hinterlegt ist, ist simpel aber effektiv: Statt ganze Programmteile oder gar Programme über die Cloud und das Netzwerk in die Maschinen zu spielen, reicht ein Lizenzcode aus, der meist nur wenige Byte groß ist –Flaschenhälse entstehen damit nicht. Der entsprechende Lizenzserver wird von Wibu-Systems zur Verfügung gestellt, so ist gewährleistet, dass die Kommunikation zwischen Chip und Server funktioniert.
Sofern der Chip weitere Anforderungen erfüllen soll, können diese dem Anbieter entwickelt werden. Kunden, die Beratung zu neuen technischen Prozessen und möglichen Geschäftsmodellen benötigen; erhalten Unterstützung vom Kontron-Mutterkonzern S&T Technologies. Die Lizenzierungskomponente ist eine web-basierte Administrationslösung mit der Anwender Lizenzen erstellen, aktivieren, aktualisieren und nachverfolgen können. Sie lässt sich auch in bestehende ERP- und CRM-Systeme einbinden, um damit einen komplikationslosen Bestellvorgang zu ermöglichen. Mit zusätzlichen Funktionen lassen sich Lizenzen an bestimmte Hardware „binden“, so ist sichergestellt, dass sie nur auf dem erwünschten Gerät funktionieren und nicht weitergenutzt werden können. Für die Integration der Lizenzierungsmodelle in Anwendungen ist eine Software-Schnittstelle verfügbar.
SPS IPC Drives 2018: Halle 7, Stand 193
Peter Müller
(ml)