Beim Aufbau von Schaltschränken von Maschinen, die in den Export nach USA und Kanada gehen, sind einige Feinheiten zu beachten, etwa die Leitungsdimensionierung

Beim Aufbau von Schaltschränken von Maschinen, die in den Export nach USA und Kanada gehen, sind einige Feinheiten zu beachten, etwa die Leitungsdimensionierung (Bild: Lohmeier)

Hersteller von Maschinen und Anlagen in Europa wissen, was sie beachten müssen. Für sie gilt unter anderem die EN 60204-1 als Norm für die elektrische Sicherheit. Das entsprechende Pendant in den USA heißt NFPA 79. Obwohl sich die beiden Normen auf den ersten Blick sehr ähnlich sehen, gibt es durchaus markante Unterschiede, beispielsweise was die Leitungsdimensionierung oder die Art der Absicherung betrifft. Doch europäische Hersteller von elektrischen Maschinen und Komponenten kennen oft nicht die Bestimmungen, die in den einzelnen US-amerikanischen Bundesstaaten oder den örtlichen Behörden nach den Auflagen der OSHA (Occupational Safety and Health Administration) oder der AHJ (Authorities Having Jurisdiction) gelten. Die Einhaltung der von diesen unterschiedlichen Institutionen festgelegten Kriterien kann für Hersteller in Europa eine verwirrende Angelegenheit sein.

Diese Hürde ist zu nehmen

Häufig verlangen Auftraggeber oder die künftigen Betreiber einer in den USA oder Kanada zu installierenden Anlage im Pflichtenheft ein NRTL-Label oder eine NRTL-Abnahme der Maschinen. NRTL steht für: Nationally Recognized Testing Laboratory. Während in der EU eine CE-Kennzeichnung (Selbsterklärung) Pflicht ist, verlangt der AHJ für die Genehmigung zum Anschluss der Maschine ans Netz nicht immer das Prüfzeichen eines Prüfinstituts (Labeling).
Der AHJ ist fallweise eine Behörde oder eine Person, häufig der sogenannte ‚Fire-Marshall‘. Er hat sicherzustellen, dass eine Installation dem National Electrical Code (NEC) oder dem CEC (Canadian Electrical Code) entspricht. Die Rolle des AHJ im Genehmigungsprozess kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Vom AHJ erhält der Betreiber die Zulassung für den Anschluss von elektrischen Anlagen. Seine Zustimmung für die Inbetriebnahme von Maschinen und Anlagen kann er unter anderem von der Untersuchung und erfolgreichen Abnahme (Labeling) durch ein Nationally Recognized Testing Laboratory (NRTL) abhängig machen. Um sich rechtlich abzusichern, verlangen viele AHJ und Endkunden die Zertifizierung oder ein Field Labeling mit Zertifizierungs-Zeichen durch ein anerkanntes NRTL.
Die in den USA und Kanada bekanntesten NRTL heißen UL, Intertek (ETL-Zeichen) und CSA. Intertek verfügt in Nordamerika über ein Netzwerk von rund 30 Niederlassungen und Laboren. Zudem ist ein Geschäftsbereich des Unternehmens auf Field-Label-Services spezialisiert. Das sorgt für kurze Reaktionszeiten und Anfahrtswege.

NRTL-Label oder Field Labeling – die Unterschiede

Beim sogenannten Listing oder auch Typ-Zertifizierung für USA und Kanada, geht es um Produkte, die in größerer Stückzahl und über einen längeren Zeitraum produziert und geliefert werden sollen. Auf Basis der Evaluierung mit eingehender Konstruktionsprüfung und den erforderlichen Tests sowie regelmäßiger Fertigungsüberwachung, den Follow-up-Inspektionen gemäß den Vorgaben der OSHA, erhält der Hersteller die Erlaubnis seine Produkte selbst und direkt in der Fertigung mit dem NRTL-Label zu versehen (Authorization-to-Mark). Hierbei ist es wichtig, dass alle sicherheitsrelevanten Komponenten bereits über eine eigene Zulassung (NRTL-Zeichen) gemäß nordamerikanischer Normen verfügen. Anderenfalls entstehen zusätzliche Kosten für die Überprüfung dieser sogenannten ‚Unlisted Components‘.
Für ein Listing muss eine produktspezifische Norm herangezogen werden. Die NFPA 79 lässt sich nur sehr eingeschränkt im Rahmen einer sogenannten Classification für eine Typ-Zertifizierung heranziehen. Für ‚Factory Automation Equipment‘ wird daher häufig die UL SU 2011 zum Typ-Listing genutzt – gegebenenfalls auch für eine Produktfamilie. Für Kanada ist eine ähnliche CSA-Norm in Vorbereitung.
Speziell für Sonderanfertigungen oder Einzellieferungen in die USA und Kanada gibt es weitaus weniger komplexe und kostenreduzierte Möglichkeiten, das NRTL-Zeichen zu erhalten. Dazu gehören:

  • das Field Labeling in den USA  gegebenenfalls mit einer Voruntersuchung in Europa
  • die Abnahme und Zertifizierung im Rahmen einer Limited Production Certification (LPC) in Europa
  • sowie speziell für Kanada die SPE-1000, auch Special Inspection genannt

Beim Field Labeling in den USA findet eine Inspektion durch den NRTL-Prüfer am Aufstellungsort statt – vor der Abnahme durch den AHJ oder nach einer Beanstandung durch den AHJ. Häufig wird beim Field Labeling für Maschinen und Anlagen die NFPA 79 ‚Electrical Standard for Industrial Machinery‘ mit Verweis auf die UL 508A für Schaltschränke herangezogen. Wichtig: Das Field Label darf nur am Aufstellort des Produkts angebracht werden und ist auch nur dort gültig.
Prüfungen während der Field Inspection sind aufgrund der vor Ort gegebenen Möglichkeiten nur begrenzt durchführbar. Während der Überprüfung gilt den ‚kritischen‘, das heißt nicht zertifizierten Komponenten besonderes Augenmerk. Abhängig von den Umfeldbedingungen vor Ort können in einem gewissen Grad auch ungelistete Komponenten akzeptiert werden, die beispielsweise nur mit einem VDE-Zeichen oder einfachem CE-Zeichen versehen sind. Die Field Inspection wird an komplett errichteten Anlagen und Baugruppen nach deren Anschluss ans Stromnetz durchgeführt. Dabei erfolgen nur Prüfungen, die im einfachen Fehlerfall zum Abschalten der Schutzeinrichtungen führen. Zerstörende Prüfungen finden aus Garantiegründen nicht statt. Sofern die Maschinen die Prüfungen bestehen, versieht der Field-Label-Inspector die Anlage oder Maschine mit einem Prüflabel, im Falle einer Prüfung durch Intertek mit dem ETL-Label, und erstellt eine Field-Label-Bestätigung mit Kurzreport.
Beanstandungen sind in einem Fehlerbericht dokumentiert, die der Maschinenbauer entsprechend abzuarbeiten hat. Erst nach Beseitigung aller Beanstandungen und der nachfolgenden Freigabe durch den AHJ darf die Anlage dann betrieben werden.

Besonders beachten – die Aderquerschnitte!

Besonders beachten – die Aderquerschnitte!

Eine der häufigsten Nicht-Konformitäten, die zu einer Labeling-Ablehnung führt, ist die zu schwache Auslegung der Strombelastbarkeit von Einzeladern und Leitungen. Oft übersehen Konstrukteure in Europa, dass viele Strombelastbarkeits-Tabellen in den USA auf Basis von 30 °C Umgebungstemperatur kalkuliert sind. Installationen müssen jedoch, wie in Europa üblich, ebenfalls für Temperaturen bis 40°C ausgelegt sein. Auch die Bündelung strombelasteter Leitungen sowie Temperaturen über 40°C müssen Eingang in die Auslegung finden. Darüber hinaus ist beispielsweise auch die Auslegung der Zuleitung für einzelne Motoren mit 125 % des FLA (Full Load Ampacity) des Motors zu berechnen.

Überraschungen vermeiden: Voruntersuchung in Europa

Field Labeling ist auch in Europa durch Intertek-Experten möglich.

Field Labeling ist auch in Europa durch Intertek-Experten möglich. Intertek

Eine Voruntersuchung in Europa durch entsprechende Fachleute hilft weitestgehend, Überraschungen in den USA zu vermeiden. Jedoch garantiert eine solche Voruntersuchung nicht, dass der vor Ort bestellte Field Inspector oder der AHJ die Maschinen oder Anlagen mit nicht gelisteten Komponenten ebenfalls akzeptiert. Als Lösung, um solche Beanstandungen im Field-Label-Prozess zu unterbinden, bietet sich eine qualifizierte Pre-Evaluierung durch das NRTL vor Versand der Anlage direkt beim Hersteller in Europa an. Einige wenige NRTL, darunter auch Intertek, haben für diese Variante einen integrierten Prozess realisiert, bei dem bereits in Europa der Field-Label-Report mit offiziellem Review erstellt wird. Dabei hat der Prüfer gewisse Freiheitsgrade bei der Akzeptanz von nicht gelisteten Komponenten. Der in dieses Verfahren eingebundene Field-Label-Inspector von Intertek/USA führt dann auf Basis des offiziellen Reports aus Europa die endgültige Inspektion der Anlage am Aufstellungsort mit anschließendem Labeling durch. Wichtig: Das Field Labeling stellt keinen Ersatz für eine Typ-Zertifizierung dar. Jede weitere aufgestellte Maschine, gleichen Typs, muss wieder den Field-Label-Prozess durchlaufen.

Zertifizierung mittels LPC

Unter bestimmten Voraussetzungen lassen sich kleinere Systeme für eine oder mehrere identische Maschinen bereits im Herstellerwerk mittels sogenannter
‚Limited Production Certification‘ (LPC) mit einem Label für den nordamerikanischen Markt zertifizieren. Dazu muss das zu prüfende Produkt einem Produktstandard zugeordnet werden können, dessen Anforderungen zu 100 % erfüllen und alle im Standard geforderten Prüfungen bestehen.
Typisch für eine Limited Production Certification ist unter anderem die Abnahme von einzelnen Schaltschränken nach UL 508A oder CSA C22.2 No. 14. Während bei der Field Inspection in der Regel die NFPA 79 zur Überprüfung herangezogen wird, ist bei einem LPC eine konkrete Produktnorm heranzuziehen. Dazu zählen zum Beispiel die UL 73 ‚Motor Operated-Appliances‘ oder für Anlagen die UL Subject 2011 ‚Outline of Investigation for Factory Automation Equipment‘. Diese Norm verweist unter anderem wieder auf die NFPA 79, die UL 508A sowie weitere anzuwendende Produktnormen.
Je umfangreicher und komplexer die Maschinen werden und je mehr Standards herangezogen werden müssen, desto aufwendiger und langwieriger gestaltet sich der LPC-Prozess. Die Vorteile einer LPC-Abnahme im Werk durch einen NRTL bestehen darin, inakzeptable Abweichungen mit eigenen Fachkräften im Stammwerk beheben zu können. Zudem ist das Produkt bereits gelabelt, wenn es in die USA verschickt wird. Abnahmen mit LPC für Kanada nach CSA-Normen verlaufen hier in der Regel ähnlich.

Kanada – der feine Unterschied

In Kanada können Produkte grundsätzlich nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie vorher durch eine anerkannte Zertifizierungsstelle zertifiziert oder durch eine akkreditierte Field-Evaluation-Agentur inspiziert wurden. Die Special Inspection für Kanada gemäß SPE-1000  auch Model Code genannt  ist ein Dienst, der im Namen der kanadischen Provinzen und Territorien durchgeführt wird. Es handelt sich dabei um eine Inspektion von elektrischen Geräten und Anlagen, für die der Hersteller keine Typ-Zertifizierung der Produktionsserie vornehmen will, beispielsweise aufgrund der geringen Stückzahlen. Diese Inspektionen erfolgen in Ontario beispielsweise durch die von der Electrical Safety Authority (ESA) anerkannten Zertifizierungsstellen oder Inspektionsagenturen wie CSA, Intertek und UL.
Diese Inspektionen können ebenfalls bereits im Herstellerwerk erfolgen. Größere Anlagen, die anschließend demontiert und in Kanada wieder montiert werden, lassen sich ebenfalls nach SPE-1000 bereits in Europa inspizieren. Dazu müssen alle Anlagenteile beim Hersteller in Europa betriebsbereit und funktionsfähig vorhanden sein. Nach erfolgreicher Inspektion erhalten die Produkte das von den zuständigen Behörden anerkannte Zeichen gemäß SPE-1000 – zum Beispiel das Label der Electrical Safety Authority (ESA) in Ontario.

Tipp: Aufstellungsort vorab analysieren

Grundsätzlich empfiehlt sich für Hersteller von Sondermaschinen, im Vorfeld Informationen über die Randbedingungen am Aufstellungsort zu beschaffen. Darüber hinaus ist es ratsam, sich vom Endkunden vorab unter anderem mittels ‚Anhang B‘ der NFPA 79 die Anforderungen an die elektrische Ausrüstung und die Dokumentation nennen zu lassen.
Um Beanstandungen bei der Abnahme vorzubeugen sollten Entwickler und Konstrukteure schon im Planungsstadium, das heißt im Vorfeld der eigentlichen Konstruktion und Bestellung von Komponenten, über die spezifischen Anforderungen informiert sein. Ebenso hilfreich ist ein Design Review durch ein NRTL auf Basis bestehender Konstruktionsunterlagen oder vorhandener Maschinen. Dies hilft, zeit- und kostenintensive Re-Designs fertiger Maschinen zu vermeiden.

Dirk Dudziak, Area Sales Manager bei der Intertek Deutschland GmbH in Stuttgart.

(sk)

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