Single Pair Ethernet könnte der an sich alten Idee, die Schalt- und Steuergeräte im Schaltschrank zu vernetzen, neuen Auftrieb geben.

Single Pair Ethernet könnte der an sich alten Idee, die Schalt- und Steuergeräte im Schaltschrank zu vernetzen, neuen Auftrieb geben. (Bild: Eaton)

Während Profinet International über SPE und dessen Einsatz im Schaltschrank noch diskutiert, sind andere schon einen Schritt weiter. Denn auch im Schaltschrank hat Single Pair Ethernet das Potenzial, einen Umbruch einzuläuten. Bei der PI ist die Vernetzung der im Schaltschrank verbauten Komponenten nur einer von vielen Use Cases, nämlich 6a. (Welche Use-Cases die PNO noch definiert hat.) Falls die Nummerierung die Priorisierung wiedergibt, dürfte es noch eine Weile dauern bis sich die PI-Arbeitsgruppe konkret damit befasst, wie die Vorteile einer Vernetzung von Komponenten wie Schütze, Leistungsschalter oder auch Motorstarter, Taster und Schalter zu heben sind. ODVA und ABB sind da schon einen Schritt weiter: Die ODVA startete eine Initiative, einfache Geräte im Schaltschrank über Ethernet/IP und Single Pair Ethernet zu vernetzen. Mit Novolink stellte ABB ein Konzept vor, eigene Komponenten über X2X-Link von B&R in deren Automatisierungssystem zu integrieren. Den Anfang machte Ende März die Schütz-Baureihe AF.

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Dabei ist der Grundgedanke ein alter Hut: Vor gut zwölf Jahren stellte Klöckner Moeller, heute Eaton, das System Smartwire DT vor: Eine Lösung zur Vernetzung der Schaltgeräte (Schütze, Motorschutzschalter Leistungsschalter Taster, Schalter) im Schaltschrank. Die Basis für die Vernetzung war ein mehradriges Flachbandkabel mit Geräteadaptern, die per Durchdringungstechnik an die Leitungen angeschlossen wurden. Nahezu zeitgleich folgte damals die ODVA/Rockwell Automation mit einem ähnlichen Ansatz: Componet.

Mit Single Pair Ethernet und dessen Kombination, bis zu 100 W Leistung zusammen mit hohen Übertragungsraten über lediglich zwei Adern zu übertragen, scheinen die Konzepte von KlöMoe und Rockwell Automation in abgewandelter Form gerade eine Renaissance zu erfahren. Deutliche Indizien sind die Ankündigungen von ABB und ODVA kurz vor beziehungsweise auf der Hannover Messe digital. Bei den diversen Projekten dürfte es der PI Use Case 6a 'SPE in Cabinet' jetzt wohl öfters auf die Tagesordnung schaffen.

Und bei den Stichwörtern zwei Adern für Kommunikation und Leistungsübertragung sowie Durchdringungstechnik fällt mir ein weiteres Kommunikationssystem ein: ASi-5.

Klöckner Moeller war das erste Unternehmen, das mit Smartwire DT die eigenen Schütze, Leistungsschalter und Motorschutzrelais per Flachbandkabel und Daisy Chain direkt mit der Steuerungsebene verband. Mit Phoenix Contact und Hilscher fand KlöMoe sogar weitere Protagonisten.  Über die Jahre ist es jedoch ruhig um das System geworden: Bei Phoenix Contact sind die meisten Smartwire-Produkte  jedenfalls nicht mehr lieferbar.
Klöckner Moeller war das erste Unternehmen, das mit Smartwire DT die eigenen Schütze, Leistungsschalter und Motorschutzrelais per Flachbandkabel und Daisy Chain direkt mit der Steuerungsebene verband. Mit Phoenix Contact und Hilscher fand KlöMoe sogar weitere Protagonisten. Über die Jahre ist es jedoch ruhig um das System geworden: Bei Phoenix Contact sind die meisten Smartwire-Produkte jedenfalls nicht mehr lieferbar. (Quelle: ABB)

Mehr Transparenz im Antriebsstrang

ABB nutzt den Konzern-eigenen X2X-Link zur Anbindung der AF-Schütze an die B&R-Steuerungsplattform.
ABB nutzt den Konzern-eigenen X2X-Link zur Anbindung der AF-Schütze an die B&R-Steuerungsplattform. (Quelle: ABB)

Schütz-Baureihe wird smart

Mit Novolink Smart Device Modulen bindet ABB die Baureihe AF-Schütze in die Automatisierungsumgebung von B&R ein.
Warum Motoren? Das zeigt ein Blick in die Statistik: Millionen Motoren treiben die Industrie an. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass allein die industriell genutzten Elektromotoren rund 30 % des weltweiten Stromverbrauchs ausmachen. Hier sorgt die Anbindung der Motorschütze ans Automatisierungssystem für Transparenz im Antriebsstrang – die Voraussetzung, um mit den Echtzeitdaten und den daraus abgeleiteten Analysen weitere Effizienzsteigerungen zu erzielen.
Von der Geometrie her passt das Anschalt­modul auf die Schütze und wird einfach aufgerastet. Die Daten von Schütz, Motor und anderer Lasten lassen sich im Betrieb dann über das B&R-eigene Businterface (X2X-Link) in das Automationssystem der ABB-Tochter integrieren. Durch die Überwachung wichtiger elek­trischer Größen sowie der für Motoren und
allgemeine Lastabgänge sind Digitalisierungsstrategien einfacher umzusetzen: Daten­gesteuerte Funktionen wie vorausschauende Analysen, Fernsteuerung, Echtzeit-Optimierung und Fehlerdiagnose im laufenden
Betrieb helfen, die operative Leistung zu verbessern.
Das Schützmodul SFM1 liefert die Daten für Wartungsstatistiken einschließlich Motorbetriebsstunden, Schaltzyklen und Auslösungen. Für einen erweiterten Motorschutz ist zusätzlich das Smart Current Voltage Modul SCV10 verfügbar. Separat montiert erfasst und berechnet dieses Modul die Netzspannung, Phasenströme, Leistung, Frequenz, Klirrfaktor und andere wichtige Parameter. Die Geräte unterstützen bei der Erkennung von Problemen in der Lastversorgung oder auf der Abgangsseite und beschleunigen so die Fehlerbeseitigung.

Ethernet/IP im Schaltschrank

Die ODVA gab auf der HMI digital den Startschuss für die Erweiterung der Ethernet/IP-Spezifikation für Geräte mit begrenzten Ressourcen im Schaltschrank, konkret also: Schütze, Befehls- und Meldegeräte.
Bislang scheiterte die Vernetzung dieser Komponenten an den ASIC-Kosten, der Baugröße und der zusätzlichen Energieversorgung.

Mit SPE fallen diese Barrieren weg. In Kombination mit den diversen IIoT-Bestrebungen, kann es also durchaus Sinn ergeben und sich rechnen, den Informations-technisch blinden Fleck im Schaltschrank zu beseitigen. Schließlich ließe sich allein bereits über den Schaltzustand und die Ströme (im Lastkreis wie in der Ankerspule) eine Menge über den Zustand eines Motors und indirekt der von ihnen angetriebenen Arbeitsmaschinen eruieren. Deshalb ergänzt die ODVA ihre Spezifikationen um einen Physical Layer for In-Cabinet Profile for EtherNet/IP‘ und ein passendes UDP-basiertes Kommunikationsprofil. Die In-Cabinet-Lösung setzt auf Single Pair Ethernet (IEEE 802.3cg-2019 10BASE-T1S) und Multidrop-Kabelverbindungen.

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