Die Automationsplattform Cresaline der Credimex AG aus Alpnach in der Schweiz setzt sich aus intelligenten Prozessstationen zusammen und entspricht damit laut Roger Schelbert, Mitinhaber und Bereichsleiter Bewegungstechnik, den Anforderungen an Produktionsabläufe gemäß Industrie 4.0: „Die Modularität der Maschine gibt uns die Möglichkeit, unterschiedliche Produkte effizient zu produzieren.“ Der große Vorteil dabei ist, dass man schwierige und komplexe Prozesse, die bislang manuell ausgeführt werden mussten, automatisieren kann. Verfügbar sind unterschiedliche Prozessstationen aus dem Standardprogramm, beispielsweise für Handling- und Pick-and-Place-Prozesse sowie Montage- und Teststationen. Diese Module lassen sich beliebig zu einem System kombinieren. Verbunden sind die Stationen über das Transportsystem XTS. Auf dessen Movern sind 250 mm lange und maximal 70 bis 90 mm breite Werkstückträger montiert, auf denen ebenso große oder auch mehrere kleine Produkte bearbeitet werden können. „Das macht die Anlage sehr flexibel und für verschiedene Branchen interessant, etwa die Uhren- und Elektronik-Industrie, die Motorenherstellung sowie die Medizintechnik“, so Schelbert. Er hebt hervor, dass sich mit dem System einerseits in Losgröße 1 produzieren lässt und andererseits die Anlage schnell auf neue Produkte umzurüsten ist.
Die verfügbaren Prozessstationen umfassen neben dem Teilehandling auch Montagefunktionen wie Fügen durch Kleben oder Schweißen, Laser-Triangulation zur Produkterkennung sowie Bildverarbeitung für die Qualitätssicherung. Je nach Bedarf sind weitere, kundenspezifische Stationen hinzufügbar, was – so Roger Schelbert – einen Hauptvorteil der PC-basierten Steuerungstechnik von Beckhoff deutlich macht: „PC-Control mit seiner Schnittstellenvielfalt und Offenheit sowie XTS mit seinen flexiblen Bewegungsfunktionen bieten eine optimale Plattform, um beliebige Komponenten beziehungsweise zusätzliche Stationen einbinden zu können.“ Als Beispiel führt er die Robotik-Integration über die Programmierumgebung Twincat an.
Für Flexibilität in Funktionalität und Aufbau ist gesorgt
Das Transportsystem der aktuell aus acht Arbeitsstationen bestehenden Cresaline-Anlage besteht aus neun geraden XTS-Modulen mit je 250 mm Länge. Hierauf bewegen sich neun Mover als Werkstückträger. Bei der Variante ‚Cresaline-Starter‘ ist das Ganze auf die halbe Größe reduziert, nutzt aber denselben steuerungstechnischen Ansatz. Dies zeigt, dass XTS nicht nur beim Ersetzen mechanischer Komponenten für Flexibilität sorgt, sondern mittels Softwarefunktionen auch bei der Bewegungssteuerung. Hinzu kommt die Anpassungsfähigkeit an die jeweilige Anlagenkonfiguration: Die applikationsspezifischen Mover nutzen zwar die Magnetplatte und das Gebersystem der Beckhoff-Technologie, wurden jedoch mit der Credimex-eigenen Führungsschiene kombiniert. Außerdem hat der Anlagenbauer bei der Starter-Variante kein geschlossenes System mit Rückführung der Mover konzipiert, sondern ein lineares Design. Dazu Schelbert: „Die Besonderheit liegt darin, dass die Mover bei der Cresaline-Starter am Ende der XTS-Strecke abgesenkt und über ein dreiachsiges Linearsystem wieder zum Anfang zurückgeführt werden.“ Dagegen werden die Mover bei der ‚großen‘ Cresaline auf eine gegenüberliegende XTS-Transfer-Schiene mittels Quertransfersystem verschoben. Der Vorteil: Die Rückführstrecke lässt sich ebenfalls für Montagestationen nutzen. „Auf diese Weise konnten wir eine sehr kompakte Anlage konzipieren, die den Marktforderungen nach eher kleinen Montagelinien gerecht wird“, so Schelbert. Und ein Ausbau des kompakten Anlagendesigns ist dennoch möglich: Aufgrund der Modularität in Hard- und Software lassen sich durch einfache Konfiguration auch andere Maschinenlayouts realisieren.
Software ersetzt Hardware
Die Bewegungsfunktionen werden per Software realisiert, was auf konventionelle Weise einen oft immensen Hardwareaufwand erfordern würde. Credimex ändert den Produktstrom zu neu hinzugefügten Prozessstationen ohne jegliche Hardwareänderung allein durch die Parametrierung. Außerdem sind die Bewegungen und die Positionierung so präzise, dass bislang erforderliche Hardwarekomponenten entfallen. So ist es nicht mehr notwendig, die Werkzeugträger von einem konventionellen Transportband abzuheben, um die zur Bearbeitung notwendige Positioniergenauigkeit zu erreichen. Hierdurch lassen sich deutlich einfachere Bearbeitungsstationen mit weniger Bewegungsachsen realisieren.
Gerade bei der Montage von Kleinteilen spielen viele Faktoren eine Rolle für die Einhaltung der gewünschten Präzision. Den selbst geringe Vibrationen können bereits Probleme verursachen. Roger Schelbert nutzt hier einen weitere XTS-Eigenschaft: „Das Transfersystem arbeitet völlig eigenständig und ohne mechanische Verbindung zu den einzelnen Prozessstationen.“ Ohne die mechanische Kopplung können keine Vibrationen, etwa verursacht durch Ruckbewegungen eines dynamisch arbeitenden Handlingroboters, auf den Werkstückträger und darüber auf weitere Stationen übertragen werden. „Dies hat einen deutlich positiven Effekt auf die erzielbare Bearbeitungsgenauigkeit“, so Schelbert.
Aufgrund ihrer Flexibilität lassen sich die Mover applikationsspezifisch – kürzer oder länger, größer oder kleiner – gestalten, je nachdem wie viel Platz für deren Bewegung zur Verfügung steht oder wie viele Einzelprodukte je Mover zu transportieren sind. Bisher liegt der Fokus des Maschinenbauers auf dem Bereich Mikromontage. Hier reicht die Bandbreite von bis zu 500 Mikrochips pro Werkstückträger bis hin zu drei oder vier größeren Bauteilen. Flexibilität bedeutet aber auch, dass sich problemlos einzelne Mover aus dem Transfersystem entfernen und je nach Bedarf wieder hinzufügen lassen. Schelbert nennt hier einen speziellen Mover mit Akku-gespeistem Kamerasystem als Beispiel, der bei Bedarf durch den Prozess fährt und die einzelnen Prozessstationen auf ihre Genauigkeit hin überprüft. Aus den Abweichungen berechnet die Station die Offset-Korrekturen, die zur Einhaltung der Präzision in die Steuerung zurückgespielt werden. Genutzt wird dies, um etwaige Temperaturschwankungen zwischen Arbeitsbeginn am Morgen und am Mittag zu kompensieren.
Variabilität ist Voraussetzung für Industrie 4.0
Die Montageanlage erfüllt schon heute die Anforderungen moderner Industrie-4.0-Konzepte – an Flexibilität. So ist die Produktionseffizienz zu jedem Zeitpunkt und für jeden Prozess nachvollziehbar, da die einzelnen Operationen mit Zeitstempel in einer Datenbank gespeichert werden. Grundvoraussetzung ist aber auch ein konsequent modularer Maschinenansatz basierend auf einzelnen intelligenten Prozessstationen, die flexibel verbunden sind. Dazu Schelbert: „Ganz im Sinne einer Losgröße-1-Fertigung wird auftragsbezogen für jedes Produkt entschieden, welche Prozessschritte für die Herstellung erforderlich sind.“ Möglich wird dies einerseits durch die Anbindung des zentralen Steuerungsrechners C6920 sowie der Embedded-PCs CX5020 der einzelnen Prozessmodule an das ERP-System des Kunden. Andererseits spielt die individuelle Steuerung jedes Movers in Verbindung mit einem eindeutig zugeordneten Produkt eine große Rolle. Denn auf diese Weise wird das zu bearbeitende Produkt über den Mover quasi intelligent und kann sich selbst durch den Montageprozess schleusen. Ein weiterer Aspekt betrifft den Kamera-Mover zur Kalibrierung über die gesamte Prozesskette hinweg. Seine Informationen können direkt für frühzeitige Korrekturen der Prozessabläufe verwendet werden, bevor inakzeptable Qualitätsschwankungen oder zu viele Schlechtteile auftreten.
Peter Reinstadler
(sk)