Anstatt eines in Windows eingebetteten Echtzeit-Kerns, sorgt bei der neuen Architektur ein Hypervisor für den Parallelbetrieb der Soft-SPS und ­damit für hohe Verfügbarkeit.

Anstatt eines in Windows eingebetteten Echtzeit-Kerns, sorgt bei der neuen Architektur ein Hypervisor für den Parallelbetrieb der Soft-SPS und ­damit für hohe Verfügbarkeit. Siemens

Anbieter PC-basierter Steuerungen setzen fast immer auf Windows, um kompatibel zu Drittanbieter-Software zu bleiben. Die Echtzeitfähigkeit des Software-Controllers wird bisher mithilfe eines Echtzeitkerns realisiert, der in das Betriebs­system eingebettet ist. Das heißt: Windows startet stets vor dem Echtzeit-Kernel. Somit ist die Steuerungsfunktion nur bei einem korrekt laufenden Windows-Betriebssystem verfügbar. Die Konsequenz: Ein Neustart oder Absturz von Windows führt unweigerlich zum Ausfall der Steuerung und damit zu einem Stillstand der Maschine oder gesamten Anlage. Mögliche Störfaktoren für einen Ausfall des Betriebssystems können schadhafte Software, Abstürze durch Überlast oder auch bewusst ausgeführte Neustarts nach der Installation von weiterer Software oder Updates sein. Kein Frage, dies ist im produktiven Einsatz immer mit hohen Kosten verbunden.

Kontrolliert die Steuerung etwa Heiz- oder Klebeprozesse, ist ein Herunter- und wieder Hochfahren der Steuerung sehr zeitintensiv. Bei solchen Anwendungen muss sichergestellt sein, dass der verwendete Kleber nicht aushärtet beziehungsweise Heizprozesse sukzessive zurück und wieder angefahren werden.

Der Simatic ET 200SP Open Controller kombiniert die klassische PC-Infrastruktur mit der Steuerungsperipherie ET 200SP und Profinet IRT.

Der Simatic ET 200SP Open Controller kombiniert die klassische PC-Infrastruktur mit der Steuerungsperipherie ET 200SP und Profinet IRT. Siemens

Trennung erhöht Systemverfügbarkeit

Eine weitere Erhöhung der Verfügbarkeit eines Software-Con­trollers lässt sich allerdings nicht mehr innerhalb der Windows-Umgebung realisieren. Um dies zu ermöglichen, muss die Steuerungsfunktion so weit wie möglich vom Betriebssystem des PCs abgekoppelt werden.

Deshalb setzt Siemens beim Simatic ET 200SP Open Controller einen speziellen Software-Controller ein: den S7-1500 Software Controller. Dieser bietet die Funktionen einer S7-1500 Steuerung auf PC-Systemen; läuft jedoch nicht mehr wie bisher innerhalb von Windows, sondern parallel dazu. Verantwortlich dafür ist ein sogenannter Bare Metal Hypervisor, der die PC-Ressourcen wie Schnittstellen, Prozessorkerne oder Speicher exklusiv Windows oder dem Software-Controller zuweist. Ein Neustart oder Absturz von Windows hat somit keinen Einfluss mehr auf den Ablauf des Steuerungsprogramms.

Diese Architektur des Software Controllers bietet viele Möglichkeiten: Sollen auf der Windows-Seite neue Programme oder ­Updates installiert werden, ist anschließend meist ein Neustart erforderlich. Dies kann nun im laufenden Betrieb erfolgen, da die Steuerungsfunktion während des Neustarts weiterhin gegeben ist.

Mit Windows Embedded Standard 7 (WES7) läuft auf dem Open Controller ein vollwertiges Standard-Betriebssystem ­neben der Steuerung, das für jegliche Art von PC-Anwendungen genutzt werden kann, beispielsweise eine Visualisierungsapplikation wie WinCC Advanced, andere HMI-Systeme oder Bildverarbeitungsprogramme.

Das integrierte 24-V-Netzteil spart Kosten und Platz im Schaltschrank, da die Stromversorgung ohne weitere Komponenten eingespeist werden kann.

Das integrierte 24-V-Netzteil spart Kosten und Platz im Schaltschrank, da die Stromversorgung ohne weitere Komponenten eingespeist werden kann. Siemens

Ein Formfaktor für den Serienmaschinenbau

Besonders im Serienmaschinenbau gewinnt die PC-basierte Automatisierung immer mehr an Bedeutung. Gründe hierfür sind zum einen die Möglichkeit, kompakte Systeme zu realisieren, da ein Gerät mehrere Applikationen ausführt. PC-basierte Lösungen sind außerdem eine kostengünstige Alternative im Serienmaschinenbau, wenn die Langzeitverfügbarkeit einer SPS über mehrere Jahrzehnte nicht gefordert ist und somit auch vom Maschinenbauer und dessen Endkunden nicht bezahlt werden will.

Seitens der Hardware kombiniert der Open Controller eine leistungsfähige PC-Plattform mit der Flexibilität des Peripheriesystems ET 200SP. Dessen Modulspektrum erstreckt sich von digitalen und analogen Ein- und Ausgabebaugruppen über Zähler- und Energiemessmodule bis hin zu zeitgesteuerten Baugruppen für die Realisierung kürzester Reaktionszeiten. Die interne Kommunikation der bis zu 64 Modulen im einzeiligen Aufbau erfolgt über einen performanten Rückwandbus.

Zusammen mit dem in der Zentralbaugruppe integrierten Netzteil und der hohen Kanaldichte der Ein- und Ausgangsmodule ergibt das ein eine Platzersparnis von über 30 % gegenüber vergleichbaren Systemen. Dies ermöglicht kleinere Schaltkästen ­direkt an der Maschine, was weitere Kosten und wertvollen Platz spart. Dies kommt gerade dem Serienmaschinenbau ­zugute, da hier Baugröße und Kosten der Steuerungstechnik ­einen höheren Anteil an den Gesamtaufwendungen haben als bei Anlagen.

Durchgängige Systemeigenschaften

Durch die Kombination der Bauform des ET-200SP-Peripheriesystems mit den Eigenschaften einer S7-1500 bietet der Open Controller einige für Serienmaschinenbauer interessante Eigenschaften: Projektierung und Konfiguration erfolgen im TIA-Portal. Dies bedeutet: keine weiteren Einstellungen innerhalb von Windows. Auch der Know-how-Schutz lässt sich per Mausklick innerhalb der Entwicklungsumgebung aktivieren. Dadurch wird das Anwenderprogramm mit der Seriennummer der Hardware verknüpft und ist nur auf der explizit dafür ausgewiesenen Zentralbaugruppe lauffähig. Dies verhindert Raubkopien und sorgt dafür, dass auch das Ersatzteilgeschäft in der Wertschöpfungskette des Maschinenbauers bleibt. Ebenso interessant ist das Optionen-Handling im TIA-Portal. Dies erlaubt mehrere Ausführungen einer Maschine mit nur einer Variante des Anwenderprogramms zu realisieren: Damit kann ein Maschinenbauer ­gezielt auf verschiedene Kundenwünsche eingehen, ohne zusätzlichen Aufwand in die Projektierung zu stecken.

Offene Kommunikation zwischen Soft-SPS und Windows

Trotz der Unabhängigkeit des Software-Controllers von Windows, können Daten zwischen beiden Seiten ausgetauscht werden. S7-Bausteine unterstützen eine direkte TCP/IP-Kommunikation. Zudem können mit dem ODK 1500S (Open Development Kit) Hochsprachen in das Step-7-Anwenderprogramm eingebunden werden. Die Entwicklungsumgebung Ecplise für echtzeitfähige Programme ist ebenso im Lieferumfang enthalten. Alternativ lässt sich auch Visual Studio nutzen, etwa um spezielle Reglerstrukturen oder andere Algorithmen einzubinden. Das Open Development Kit generiert aus den C/C++-Programmen eigenständig die benötigten S7-Bausteine, die dann ohne Hochsprachenkenntnisse im TIA-Portal in das Step-7-Programm integrierbar sind. Der Vorteil: Der Maschinenbauer kann weiterhin mit den gewohnten Step-7-Sprachen arbeiten. So kann zum einen bereits erstellter Hochsprachencode einfach wiederverwendet werden und zum anderen Daten mit Windows-Programmen wie einer Bildverarbeitungs-Software ausgetauscht werden.

HMI an Bord

Der Simatic ET 200SP Open Controller ist optional mit bereits installierter WinCC Advanced Runtime erhältlich. Diese Visualisierung wird mit der gleichen Engineering-Umgebung wie der Software-Controller, dem TIA-Portal, projektiert. Auch eine Bedie­nung mit Multitouch-Gesten ist realisierbar.

Über die integrierte DVI-Schnittstelle kann einfach ein Monitor als Ausgabe-Display angeschlossen werden, etwa Industrial Flat Panels. Die Signale der Touch-Bedienung (Single- und Multitouch) werden über eine der drei integrierten USB-Schnittstellen übertragen. Im Servicefall lässt sich das Display rasch tauschen, da sich die gesamte HMI-Funktion geschützt im Schaltschrank auf dem ET 200SP Open Controller befindet.

Hannover Messe 2015
Halle 9, Stand D35

Alexander Samuel Grimm

ist Marketing Manager Simatic IPC/PC-based Automation in der Division Digital Factory bei der Siemens AG in Nürnberg.

(sk)

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