PI-Technologien für die digitale Transformation - unter diesem Motto steht die PI-Konferenz in diesem Jahr.

PI-Technologien für die digitale Transformation - unter diesem Motto steht die PI-Konferenz in diesem Jahr. (Bild: PI)

Der Megatrend „Connectivity“ beschreibt das Grundmuster des gesellschaftlichen Wandels im 21. Jahrhundert: das Prinzip der Vernetzung auf Basis digitaler Infrastrukturen. Brauchen Unternehmen ein umfassendes und systemisches Verständnis des digitalen Wandels, um eine technologisch vernetzte Kommunikation aufzubauen?

Karsten Schneider: Jedes Unternehmen in unserer Branche ist sich bewusst, dass ohne Digitalisierung und intelligente vernetzte Kommunikationstechnologie kein Fortschritt möglich ist. Vielleicht ist das eine oder andere Unternehmen schneller mit der Umsetzung, aber prinzipiell findet der digitale Wandel längst statt. Allerdings wird es in Zukunft nicht mehr ausreichen, nur eine Maschine zu vernetzen oder einen digitalen Service anzubieten, sondern die Reise geht weiter. Um ein Beispiel zu nennen: Bei Pay-per-use-Modellen wird nur noch für die Nutzung über einen bestimmten Zeitraum bezahlt. Solche Ansätze werden die Geschäftswelt verändern. Genau diesen Wandel hat die PNO längst aufgegriffen. Seit jeher sorgen PI-Technologien für die zuverlässige und sichere Übertragung von Daten. Diese haben damit die Basis für Industrie 4.0-Anwendungen gelegt.

Karsten Schneider: "Seit jeher sorgen PI-Technologien für die zuverlässige und sichere Übertragung von Daten."
Karsten Schneider: "Seit jeher sorgen PI-Technologien für die zuverlässige und sichere Übertragung von Daten." (Bild: PI)

Doch jetzt geht es einen Schritt weiter. Inzwischen müssen mehr höherwertige Informationen aus diesen Daten generiert werden. Daten werden also mit Semantik angereichert. Mit OPC UA als Middleware kann man auf diese Daten und Informationsmodelle objektorientiert zugreifen. Profinet mit seinen Applikationsprofilen übernimmt weiter die sichere Zufuhr der dafür nötigen Informationen.

In Kürze

  • Am 22./23. März findet in Frankfurt/Main die PI-Konferenz 2023 statt.
  • Karsten Schneider, Vorstandschef von Profibus & Profinet International, sieht Digitalisierung als entscheidend für Fortschritt in der Industrie.
  • Weitere wichtige Themen der Konferenz sind Security, 5G und Informationsmodelle.

Die beiden Megatrends – Konnektivität und Individualisierung – beeinflussen auch die industrielle Kommunikation: Diese muss robuster, standardisierter und deutlich kleiner werden. Ist diese Entwicklung nicht längst schon ausgereizt?

Schneider: Nein, ganz sicher nicht. Fangen wir mit der Standardisierung an. Fakt ist, dass die Datenmengen aus dem Feld weiter wachsen. Hier vereinfachen standardisierte OPC UA-Schnittstellen das Leben der Anwender, da er damit nicht nur die Werte der Variablen erhält, sondern auch die Beschreibung ihrer Strukturen und Attribute. Ohne eine Standardisierung lassen sich Informationsmodelle außerdem nicht skalieren. Und dies ist notwendig, damit die Unternehmen auch profitabel bleiben.

Zum Punkt Robustheit: PI-Technologien sind seit jeher robust. Bereits bei IRT wurde gezeigt, dass Profinet-Netzwerke selbst bei hohem Datenaufkommen in Echtzeitanwendungen zuverlässig und sogar synchron arbeiten. Den gleichen Anspruch stellen wir bei TSN, das Vorteile hinsichtlich höherer Bandbreite, flexibler Netzwerkkonfiguration und einer größeren Chipvielfalt bietet.

In Bezug auf die Größe, bzw. Komplexität der Technologie sehe ich im Augenblick keine Reduzierung. Dies ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass die zu übertragende Informationsmenge immer größer und umfassender wird. Daher ist es umso wichtiger, dass die wachsende Komplexität für den Anwender beherrschbar bleibt. Für uns ist dies eine der wichtigsten Aufgaben überhaupt.

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Wie wirken sich die Themen Industrie 4.0, Cloud Computing und Digitalisierung der Produktion auf technologische Neu- und Weiterentwicklungen auf den Feldern der industriellen Kommunikation und Datendurchgängigkeit aus?

Schneider: Wir sind ein Treiber dieser Themen und sind uns gleichzeitig bewusst, dass die Entwicklung nicht stehen bleibt. Auf der PI-Konferenz stehen daher Themen wie Security, 5G, aber auch die Standardisierung durch Informationsmodelle im Mittelpunkt. Man sollte sich aber bewusst machen, dass man viele zukünftige Anforderungen im Moment noch nicht kennt. Umso wichtiger ist es, auf offene Standards zu setzen, damit der Anwender flexibel bleibt.

Im Frühjahr 2022 vermeldeten Sie deutlich steigende Zahlen an installierten Geräten und führten dies nicht zuletzt auf die konsequent mit Anwendern abgestimmte Fortentwicklung der Technologien zurück. Hat man mittlerweile die 50 Millionen Profinet-Knoten-Marke überschritten?

Schneider: Die 50 Millionen Profinet-Knoten haben wir sicherlich geknackt. Die genauen Zahlen leiten die Unternehmen jedoch erst in diesen Tagen an den Notar weiter. Sind diese ausgezählt, dies wird Ende März der Fall sein, werden diese veröffentlicht.

Dietmar Bohn neuer Geschäftsführer bei der PNO

Dietmar Bohn
Dietmar Bohn (Bild: PI)

Dietmar Bohn ist seit dem 1. Januar 2023 Geschäftsführer bei der Profibus Nutzerorganisation e. V. (PNO) und leitet ab sofort gemeinsam mit Dr. Peter Wenzel die Geschäftsstelle der PNO sowie das PI (Profibus & Profinet International) Support Center in Karlsruhe. Bohn verfügt über mehr als 30 Jahre internationale Industrieerfahrung aus seiner Zeit bei zwei Konzernen und einem mittelständischen Unternehmen.

Nach seinem Studium der Elektrotechnik in Karlsruhe hat der Ingenieur beim Maschinenbauer Heidelberger Druckmaschinen zunächst Maschinensteuerungen entwickelt und war danach für verschiedene Bereiche in der Informationstechnik verantwortlich. Nach seinem Wechsel zur SAP SE hat er in mehreren Bereichen entlang der Software-Wertschöpfungskette gearbeitet und hierbei Entwicklungs- und Produktmanagement-Teams verantwortet. Danach hat er als Geschäftsführer das mittelständische Softwareunternehmen TDM Systems geleitet. Dietmar Bohn besitzt umfangreiche Kenntnisse sowohl in der Steuerungs- (Operational Technology, OT) als auch in der Informationstechnik (IT) und ist bestens vertraut mit den Automatisierungs- und Digitalisierungs-Anforderungen produzierender Unternehmen, den Kernthemen
der PNO.

Am 22. und 23. März 2023 findet endlich wieder die PI-Konferenz live statt. Können Sie uns verraten, wen Sie als Keynote-Speaker gewinnen konnten? Und welche Impulsvorträge können die Teilnehmer erwarten?

Schneider: Wir konnten Prof. Dr. Eckard Minx als Keynote-Speaker gewinnen, der als einer der wichtigsten Innovationsexperten in Europa gilt und zudem ehemaliger Leiter des größten deutschen Think Tanks, des Zukunftsforschungsinstituts „Gesellschaft und Technik“, war. Ich bin sehr gespannt auf seine Ausführungen, wie die Welt von morgen aussieht. Die Impulsvorträge richten den Fokus auf den gesellschaftlichen Wandel, also wie der Klimawandel oder eine veränderte Alters- und Sozialstruktur in der Bevölkerung, die Industrie und ihre Technologien beeinflusst und verändert.

Karsten Schneider: "Handhabbare Security-Konzepte spielen wichtige Rolle."
Karsten Schneider: "Handhabbare Security-Konzepte spielen wichtige Rolle." (Bild: PI)

Bei den Sessions am zweiten Tag fällt auf, dass das Thema Security fehlt. TSN und OPC UA für Profinet benötigen doch auch integrierte moderne Security-Konzepte. Wie sieht das Security-Konzept der PI aus?

Schneider: Handhabbare Security-Konzepte spielen bei allen Profinet-Technologien und damit auch auf der PI-Konferenz eine wichtige Rolle. Wir widmen einen ganzen Block diesem für unsere Technologien wichtigen Thema. In unserem umfassenden Security-Konzept können je nach Anforderung drei Profinet-Security-Klassen umgesetzt werden. Ein Bestandteil der Class 1 ist die Signierung der GSDML-Datei, die in XML-Notation die kompletten Eigenschaften eines Gerätes beschreibt. Dies erfüllt die Anforderungen hinsichtlich Robustheit, d. h. die GSDML-Datei ist sicher von dem verantwortlichen Gerätehersteller erstellt worden und sie ist nicht auf dem Weg zum Anwender manipuliert worden. Andere Anforderungen sind Authentizität und Integrität, die mit den weiteren Security Klassen adressiert werden. Darüber hinaus haben wir gerade gemeinsam mit anderen Organisationen ein Whitepaper veröffentlicht, in dem wir die verschiedenen Ansätze zusammenführen, um die Umsetzung von Security-Anforderungen für den Anwender einfacher zu gestalten.

Welche Rolle nimmt die PI in Bezug auf die OT-Security ein? Und was kann PI nicht leisten?

Schneider: Wir treiben die Prozesse voran, um Technologien so zu harmonisieren, dass Security-Konzepte praktikabel bleiben. Aber Cyber Security ist ein dynamischer Prozess, der nie endet. Letztendlich sind immer Hersteller und Betreiber in der Verantwortung. Wir können lediglich die Basis bereiten, aber keine unbegrenzte Sicherheit garantieren.

Ihre Experten haben mit der Fertigstellung der Dokumentenversion V2.4 MU3 die Spezifikationsarbeiten für Profinet over TSN Mitte 2022 abgeschlossen. Was kann man auf der PI-Konferenz dazu erwarten?

Schneider: Bei TSN geht es nun darum, die Technologie in die Umsetzung und in die Praxis zu bringen. Derzeit werden verschiedene Technologiepakete, das heißt Hardware, Firmware, Entwicklerkits entwickelt. Viele namhafte Firmen sind bereits aktiv sowohl in der Spezifikation als auch in der Implementierung. Das ist wiederum die Voraussetzung, dass im nächsten Schritt die Gerätehersteller ein Profinet-Gerät mit TSN entwickeln und ihren Kunden anbieten können. In Frankfurt wird es daher neben den Vorträgen auch viel Gelegenheit geben, sich persönlich über diese Entwicklungen auszutauschen.

Single Pair Ethernet soll Industrial Ethernet ablösen, um die Datenflut in der modernen Produktion zu bändigen. Wie sehen Sie diesen Trend in der Automatisierung?

Schneider: SPE wird die Datenflut leider nicht bändigen, hat aber das Potenzial, vieles für den Anwender zu vereinfachen. Vor allem für intelligente Gebäudenetzwerke oder IoT-Anwendungen ist SPE interessant, weil sich hier die Endgeräte – Sensoren oder Aktoren – in der unteren Feldebene mit ausreichender Datenbandbreite kostengünstig betreiben und diese barrierefrei an bestehende IT-Netze andocken lassen. Wir haben hier erste Schritte getan und eine Guideline für IP65-Anschlusslösungen auf den Weg gebracht.

Ein weiteres großes Thema 2022 war 5G. Wird dieses Thema auf der PI Konferenz diskutiert? Ist die Übertragung von Profinet IO über ein privates firmeneigenes 5G-Netzwerk möglich und sinnvoll?

Schneider: 5G war schon auf der PI-Konferenz 2019 ein großes Thema und bleibt auch in diesem Jahr spannend. Private 5G-Netzwerke sind für die Industrie hoch interessant. Wie dies funktioniert und wo die Herausforderungen liegen, wird zum Beispiel auf dem „5G-Industry Campus Europe“ in Aachen untersucht. Dabei handelt es sich um Europas größtes 5G-Forschungsnetz, das insgesamt vier Werkshallen und einen Quadratkilometer offene Fläche umspannt. Hierin hat sich als Kommunikationstechnologie PROFIsafe über Profinet bewährt. Darüber hinaus gibt es weitere Pilotprojekte und Tests. Derzeit laufen zum Beispiel verschiedene Proof-of-concept-Tests mit unterschiedlichen Telekommunikationsanbietern.

Um einen transparenten Datenaustausch entlang der Wertschöpfungskette zu standardisieren, rückt Omlox in den Blickpunkt - die herstellerunabhängige Ortung aller beweglichen Objekte in geschlossenen Räumen, in Firmengeländen und auf dem Transport. Wird Omlox nun zu einem entscheidenden Faktor für die Industrie 4.0?

Schneider: Omlox standardisiert Orts-Informationen technologieunabhängig, unabhängig davon, wo und wie die Daten entstehen, also durch GPS, RFID, 5G oder über Ultrawideband. Damit ist eine offene, standardisierte Ortungs-Infrastruktur möglich, die erhebliches Potenzial für Industrie und Logistik aufweist. Neben dem Tracking von Produktionsmitteln ergeben sich auch für die Anlagenwartung vollkommen neue Usecases und spannende Anwendungsszenarien, die auf der PI-Konferenz vorgestellt werden.

PI-Technologien für die digitale Transformation

Die PI-Konferenz findet am 22. und 23. März 2023 im House of Logistics and Mobility (HOLM) in Frankfurt/Main statt. Das umfangreiche Programm der Konferenz informiert die Automatisierungs-Community nicht nur über die aktuellen Fortschritte, sondern gibt Impulse zu den Herausforderungen und zukünftigen Entwicklungen. Neben Praxisbeispielen und Trends stellen PI-Experten in ihren Vorträgen auch viele technische Details zu den Technologien Profinet over TSN, Ethernet-APL, Security, IO-Link, omlox und MTP vor. Kurzum: Die PI-Konferenz ist ein wichtiger Treffpunkt für die PI-Community, um sich über die Zukunft der Kommunikationstechnologie wieder persönlich auszutauschen.

www.pi-konferenz.de

Apropos Industrie 4.0. Will man das volle Potenzial von Industrie 4.0 ausschöpfen, ist die Anbindung zur Sensorik unumgänglich. Welche Informationen rund um die Sensorkommunikation wie IO-Link und Ethernet-APL, kann der Besucher auf der PI-Konferenz erwarten?

Schneider: Das APL-Projekt wurde im vergangenen Sommer erfolgreich abgeschlossen. Nun geht es auch hier an die Zertifizierung von APL-Geräten und die praktische Umsetzung, auch wird das Thema Safety angegangen. Auf der PI-Konferenz wird es daher viel Gelegenheit für den persönlichen Austausch zwischen Experten und Anwendern geben. Dies ist wichtige Voraussetzung, um eine neue Technologie zu etablieren. IO-Link ist ja bereits eine ausgereifte Technologie, aber auch hier haben unsere Mitglieder immer wieder neue Ideen, die in Vorträgen präsentiert werden.

Abschließend noch eine Frage zur Prozessindustrie. Die Digitalisierung der Prozessindustrie schreitet mit großen Schritten voran. Auf welche Technologien und Anwendungsbereiche sollte die Prozessindustrie bei ihrer weiteren Digitalisierung setzen, wo sehen Sie die größten Potenziale und erfährt der Besucher der PI-Konferenz mehr dazu?

Schneider: Neben Ethernet-APL will ich hier unser jüngstes Familienmitglied hervorheben: Module Type Packages (MTPs) sind der Schlüssel für flexible verfahrenstechnische Produktionsanlagen und eröffnen neue Szenarien in der chemischen Industrie. MTPs enthalten eine herstellerneutrale, funktionale Beschreibung, mit der sich Prozessmodule in die Orchestrierungsebene integrieren lassen. Wie dies in der Praxis funktioniert, zeigen die Vorträge am zweiten Tag der PI-Konferenz. Im Übrigen ist MTP nicht nur für die Prozessindustrie interessant, sondern auch für andere Branchen, wie den Schiffsbau, die Wasserstoffindustrie oder die Prozess-Analysenmesstechnik.

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