Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial, auch komplexe Prozesse zu optimieren und so zusätzlichen Mehrwert zu schaffen. Die Komplexität eines Prozesses wächst dabei exponentiell mit jedem Faktor. Ein relativ übersichtliches Beispiel macht das deutlich: Der AdBlue-Tank eines Autos besteht aus Kunststoff. Sein Einfüllstutzen wird mit Ultraschall auf den Grundkörper geschweißt. Die Komponenten sind für jedes Fahrzeugmodell unterschiedlich geformt. Dementsprechend variieren die Parameter des Schweißprozesses mit Form und Größe der Komponenten. Sie für jedes Bauteil einzeln anzupassen, zu überprüfen und zu dokumentieren, summiert sich zu einer Fleißaufgabe beziehungsweise benötigt unnötig enge Prozessfenster bei der Fertigung der Einzelkomponenten. Dies wirkt sich wiederum negativ auf die OEE-Kennzahl der Anlage aus. Herkömmliche Automatisierungssysteme stoßen bei solchen Szenarien früher oder später an die Grenze dessen, was sie bewältigen können. Nämlich dann, wenn sich die Wechselwirkungen Prozessketten-übergreifend verteilen. Dann sind Ein- und Umstellungsarbeiten unvermeidlich. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen schaffen hier neue Möglichkeiten, die im Beispiel AdBlue-Tank skizzierte Komplexität zu ordnen und die Automatisierung intelligenter zu machen – detaillierte Informationen aus der Anlage vorausgesetzt.
Bei KI zählt Domainexpertise
In den Produktionsprozessen spielen die Sensoren für die Informationsgewinnung daher eine entscheidende Rolle. Immer wichtiger wird zudem die Frage, wie die Sensoren kommunizieren. Beides – Sensoren und Kommunikation im Feld – sind seit Jahrzehnten das Spezialgebiet des Mannheimer Unternehmens für Automatisierungstechnik. Das Dresdener Unternehmen Symate dagegen ist Experte auf dem Gebiet der automatisierten Prozessketten-übergreifenden Zusammenführung/Synchronisation von Daten und dessen Analyse mittels KI und maschinellen Lernverfahren.
Es braucht also keinen Silicon-Valley-Giganten wie Amazon oder Microsoft, um sich die Vorteile von künstlichen Intelligenz zu erschließen. Zumal man mit globalen KI-Ansätzen, wie es aus dem Silicon Valley zur Genüge gibt, im heterogenen Produktionsumfeld nicht weit kommt. Der Grund liegt meist in der zu geringen Menge an Daten und der fehlenden Domainexpertise.
Symate hat mit Detact eine flexible KI-Infrastruktur entwickelt, die Produktions- sowie Qualitätsdaten automatisiert sammelt und spezifisch aufbereitet dem Nutzer zur Verfügung stellt. Das browserbasierte System nutzt IoT-Anwendungen zur systematischen Überwachung und Optimierung von Prozessen. An dieser Stelle kommt die – bisher noch eher seltene – direkte Anbindung der Feldebene an die IT-Systeme ins Spiel. Darüber lässt sich effektiv an fehlende Informationen gelangen und die Quantität der vorhanden Feedbackdaten kosteneffizient erhöhen. Bei Pepperl+Fuchs stehen die dafür benötigten Technologien seit Jahren im Fokus – darunter IO-Link und OPC UA.
KI-Lösung Detact von Symate im Video
IO-Link plus OPC UA sorgen für durchgängigen Datenfluss
Als offener, weltweit verfügbarer Standard ermöglicht IO-Link die bidirektionale Anbindung von Feldgeräten an IoT-Strukturen und Industrie-4.0-Umgebungen. Die Geräte lassen sich damit unabhängig vom Feldbus in jedes Netzwerk integrieren, auf Grundlage der bestehenden Punkt-zu-Punkt-Verbindungen und der 3-Draht-Standardverkabelung.
Pepperl+Fuchs produziert den weltweit ersten und bisher einzigen IO-Link-Master mit einem OPC UA Server. OPC UA schafft die Voraussetzung für einen auf Standardprotokollen beruhenden Übergang zwischen den verschiedenen Daten-ebenen ohne Bruchkanten.
OPC UA vereinfacht die Kommunikation von Maschine zu Maschine und mit MQTT steht noch ein weiteres Kommunikationsprotokoll für die Web-Ebene zur Verfügung. Der IO-Link-Master fungiert als Dolmetscher und übersetzt die IO-Link-Daten für die IT.
Über Profinet und Ethernet/IP erfolgt die Übertragung der Prozess- und Berechnungsdaten in Echtzeit zur Steuerung, während über OPC UA und MQTT die Statusinformationen und Diagnosedaten parallel dazu in Richtung IT fließen. Diese Daten sind für die Prozesssteuerung weniger wichtig, aber umso mehr für andere Systeme von Interesse.
Infos zur richtigen Zeit
Detact visualisiert diese Daten und erkennt Wechselwirkungen im Prozess. Erfahrungsgemäß können sich Störgrößen aus verschiedenen Parametern aufaddieren, ohne dass irgendwo ein definierter Grenzwert überschritten würde – in Summe aber die relevanten Qualitätsparameter verschlechtern. Solche Entwicklungen lassen sich anhand der Gesamtparameterbetrachtung frühzeitig erkennen. Der Prozessingenieur bekommt die benötigte Info zur richtigen Zeit und kann auf dieser Grundlage präventiv eingreifen.
Damit das KI-System eine Vielzahl von Parametern erfassen und analysieren kann, ist es auf detaillierte Information von zuverlässigen Sensoren sowie einen durchgängigen Datenfluss angewiesen. Detact kann zwar mit fast allen Datenquellen arbeiten, jedoch muss für eine umfangreiche und automatisierte KI-
Analyse die Qualität der gelieferten Daten stimmen ohne dabei zu viel Konfigurations- und Validierungsaufwand in Anspruch zu nehmen. Deshalb die Kooperation von Pepperl+Fuchs und Symate.
Als erstes Praxismodell zur Verbindung von Feldebene und KI-Welt haben die Experten der Unternehmen einen Kaffeevollautomaten im Dresdener Büro von Symate mit zahlreichen Sensoren und einer KI-Anbindung ausgestattet. Im ersten Schritt war das Ziel, naheliegende Parameter zu erfassen:
- Füllstände von Wassertank und Kaffeebohnenbehälter,
- Füllgrad der Tasse und
- Identifizierung der Tasse, mithin des Kaffeetrinkers
Die Sensordaten werden im Detact-System mit den Kaffeeautomatendaten zusammengeführt und verarbeitet. Dieses zeichnet den gesamten Kaffeebezug auf, erfasst kleinste Schwankungen der Tassenfüllhöhe sowie Varianzen beim Brühvorgang und leitet daraus Nutzerprofil-spezifisch Prognosen hinsichtlich des künftigen Konsums sowie der anstehenden Wiederbefüllung von Wasser- und Kaffeebohnen-Behälter ab.
Dieses simple Modell lässt sich bereits auf das anfangs skizzierte Beispiel, das stoffschlüssige Fügen von zwei Spritzgusskomponenten für einen AdBlue-Behälter, überführen: Die Trays mit den angelieferten Teilen sind mit RFID-Transpondern versehen. Ein RFID-Lesekopf mit IO-Link-Schnittstelle gewährleistet die eindeutige Identifikation der Komponenten und die Weitergabe von Parametern aus vorangegangenen Prozessschritten. Zur unmittelbaren Qualitätskontrolle prüft ein Druckmarken-Farbtaster eventuell vorhandene Verfärbungen und Brandstellen aus dem Spritzguss. Qualitätsrelevante Abweichungen werden automatisch erkannt, die Parameter des Schweißprozesses an die einzelnen Teile angepasst.
Automatisierte KI-Analyse für Prozessoptimierung
Die fertigen Behälter werden anschließend in die passenden Trays einsortiert. Die Sensoren sind an IO-Link Master mit OPC-UA-Schnittstelle angebunden. Aus den von ihnen gelieferten Signalen kann Detact eine vorlaufende Analyse ableiten: Die Daten aus verschiedenen Prozessketten werden zusammengeführt und synchronisiert. Automatisierte KI-Analysen ermöglichen die Ableitung adaptiver Prozesseinstellungen an der Ultraschallschweißanlage wie Anpressdruck, Schweißzeit oder einzubringende Energie.
Eine wesentliche Stärke der von Pepperl+Fuchs und Symate angebotenen Konzeption besteht in der niedrigen Einstiegsschwelle: IO-Link-fähige Sensoren sind bereits weit verbreitet oder leicht zu integrieren. Der IO-Link-Master mit OPC-UA-Schnittstelle von Pepperl+Fuchs schafft die Voraussetzung für den ungehinderten Datenfluss, ohne in die bestehende Prozesssteuerung einzugreifen. Auf dieser Grundlage kann man mit sehr wenig Aufwand Pilotprojekte mit Detact durchführen.
David Haferkorn
Daniel Möst
Lukas Pogoda
(sk/ml)