"In den letzten Wochen haben wir bei den technischen und organisatorischen Fragen zur IP-Kommunikation einen Durchbruch erzielt." Dr. Gunther Kegel, Pepperl+Fuchs/ZVEI  Redaktion

"In den letzten Wochen haben wir bei den technischen und organisatorischen Fragen zur IP-Kommunikation einen Durchbruch erzielt." Dr. Gunther Kegel, Pepperl+Fuchs/ZVEI
(Bild: Redaktion)

Die überraschende Nachricht überbrachte Dr. Gunther Kegel, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Pepperl+Fuchs und Vorstandsvorsitzender des ZVEI-Fachverbands Automation, Ende September auf dem ZVEI-Kongress ‚Industrie 4.0 – Sensorik-Aktorik‘. Im Tandem-Vortrag mit dem BASF-Automatisierungsexperten Dr. Michael Krauß erläuterte Kegel nicht nur die kurz zuvor von der APL-Gruppe verabschiedete Spezifikation, sondern auch den Zeitplan: So soll der Physical Layer für die auf Internet-Protokollen (IP) basierende Kommunikation in der Prozessindustrie in den kommenden drei Jahren zur Marktreife entwickelt werden – und zwar auch für den Einsatz in den explosionsgefährdeten Bereichen. Dazu wollen die Hersteller analog zum Geräteintegrationsprojekt FDI (Future Device Integration) eine auf drei Jahre befristete Gesellschaft (LLC: Limited Liability Company) gründen und mit einem Entwicklungskapital von 10 Millionen Euro ausstatten. Daneben wurde bereits die IEEE-Standardisierung angestoßen.

„Industrie 4.0 wird nur funktionieren, wenn wir die IP-Kommunikation bis zum Feldgerät hinuntertragen können – und dazu brauchen wir eine Physik, die das kann“, verdeutlicht Kegel den Handlungsdruck, unter dem Hersteller wie auch Anwender in der Frage der Feldgerätekommunikation stehen. Die nun erzielte Einigung zur Spezifikation berücksichtigt in erster Linie die Kernforderung der Anwender nach einer 2-Leiter-Lösung, bei der Energie- und Datenübertragung auf zwei Adern erfolgt. Die Trunk-Leitung soll Distanzen bis 1 000 m überbrücken, während Feldgeräte im Ex-Bereich über eine bis zu 200 m lange Spur-Leitung angeschlossen werden sollen. In Sachen Bandbreite – in der Vergangenheit einer der Stolpersteine bei den Einigungsbemühungen – soll zunächst eine Lösung für bis zu 10 Mbit/s entwickelt werden – mit der Perspektive auf künftig bis zu 100 Mbit/s. Letzteres hatte die Namur als Anforderung an zukünftige Übertragungstechnologien definiert.

Bei der Entwicklung wollen die Hersteller die bei der Einführung der Feldbustechnik gemachten Fehler vermeiden. „Der Feldbus wurde in der Prozesstechnik nicht wirklich akzeptiert – nach 15 Jahren liegt der Anteil an der Instrumentierung bei lediglich 20 %, Tendenz fallend“, so Gunther Kegel. Aus Sicht von Michael Krauß ist es vor allem die mangelnde Robustheit, ein häufig auf Installations- und Erdungsfehlern beruhendes ‚spukhaftes‘ Verhalten, die das Vertrauen in Feldbusinstallationen bei den Anwendern unterminiert. Dazu kommen Softwareprobleme: „Wir haben das Versionsmanagement nicht im Griff“, gesteht Kegel: Über die langen Laufzeiten der Anlagen bei deutlich kürzeren Betriebssystem-Wechseln ist es schwierig, Versionsstände kompatibel zu halten. Die neue IP-Kommunikation soll den Software-Zugriff auf die Feldgeräte deshalb über Standard-Web­browser ermöglichen. „Dazu kann es sinnvoll sein, die Verwaltungsschale physisch in das Gerät zu verlegen“, skizziert Kegel einen Lösungsweg.

Drahtlose Kommunikation nur als Übergangslösung

Dass an einer IP-basierten Feldkommunikation kein Weg vorbei führt, ist sowohl aus Anwender- als auch aus Herstellersicht unstrittig. „Wir versprechen uns von der Digitalisierung nicht nur bessere Produkte und Dienstleistungen, sondern auch völlig neue Geschäftsmodelle“, unterstreicht Krauß. Und die IP-basierte Technik soll die Installationsbasis für künftige Anwendungsszenarien der Digitalisierung schaffen. „Die Anwender sind auf dem Weg, das Feldgerät nicht mehr als reinen Meßwertgeber zu begreifen, sondern als Datenquelle“, konkretisiert Kegel.

Eine mögliche Anwendung ist die vorausschauende Wartung. Die dafür notwendigen Daten sind bereits heute weitgehend in den Feldgeräten vorhanden, dort aber gestrandet, weil entweder keine Feldbus-Verbindung besteht oder die Hart-Kommunikation nicht im laufenden Betrieb genutzt wird. „Für solche Anwendungen müssen die Daten wie Strom aus der Steckdose kommen“, verdeutlicht Kegel. Um die in den Geräten vorhandenen Diagnosedaten zugänglich zu machen, wird seit einigen Jahren der Aufbau von Funknetzwerken (Wireles Hart oder Isa 100) parallel zur 4 bis 20-mA-Verdrahtung diskutiert und zum Teil auch schon realisiert. Der überwiegende Teil der in der Namur organisierten Anwender sieht darin allerdings nur eine Übergangslösung. Krauß: „Wir bevorzugen die finale Konvergenz auf dem Draht.“

Fazit: In die zuletzt stockenden Bemühungen der Hersteller, sich auf einen gemeinsamen künftigen Standard zur Feldkommunikation zu einigen, ist nun wieder Bewegung geraten. Der ehrgeizige Zeitplan für die Entwicklung der IP-basierten Feldkommunikation trägt nicht zuletzt auch der Dynamik Rechnung, welche durch die Digitalisierung der Prozessindustrie entsteht.

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Armin Scheuermann

ist Chefredakteur unserer Schwesterzeitschrift CHEMIE TECHNIK.

(sk)

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