Nach der Wirtschaftskrise 2009 und dem in der Folge sprunghaften Anstieg der Nachfrage gewinnt TPM unerwartet wieder an Bedeutung. Die Verfügbarkeiten der Anlagen und Maschinen sind plötzlich nicht ausreichend. Die Unternehmen erkennen, dass die anderen Lean-Methoden nicht mehr greifen, wenn die Maschinen ungeplant ausfallen. Man erinnert sich also an die Macht von TPM im Hinblick auf die Steigerung der Anlageneffektivität. Was jedoch bei allen Unternehmen zu beobachten ist: Die Anwendung der TPM-Methodik geht weit über das ursprüngliche Grundverständnis hinaus. Gab man sich bisher mit organisierter Reinigung, ein wenig autonomer Wartung durch die Produktion und der geplanten Instandhaltung durch die Instandhaltungsabteilung – wenn denn die Maschinen dafür zur Verfügung gestellt wurden – zufrieden, so liegt der Fokus jetzt verstärkt auf einem intensiven TPM-Verbesserungsprozess.

Auf Basis einer vollständigen Dokumentation der Verluste an den Anlagen und deren Auswertung erfolgt ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess. Man trifft sich täglich an den Engpassanlagen, um schnelle Reaktionen nach Ausfällen einzuleiten. In wöchentlichen TPM-Teams werden größere Probleme gelöst und in regelmäßigen 2- bis 3-tägigen TPM-Workshops Schwerpunktprobleme bearbeitet. Dies alles erfolgt unter Federführung der Produktion, die sich nun als Eigentümer der Maschinen begreift. Über eine intelligente TPM-Organisation ist sichergestellt, dass die Dienstleister wie Instandhaltung, Planung oder Engineering-Abteilungen in diesen TPM-Verbesserungsprozess verbindlich eingebunden sind. So gelingt es, die Maschinenverfügbarkeiten schnell zu erhöhen und damit Zeit und Kapazität für die vorbeugende Wartung zu gewinnen.

Vorbeugende Instandhaltung

Auch die Rolle der Instandhaltungsabteilung verändert sich. Sie sieht sich nun mehr und mehr als Dienstleister der Produktion im TPM-Prozess, nimmt aktiv am Verbesserungsprozess und den regelmäßigen TPM-Meetings teil, überträgt Wartungsmaßnahmen an die Produktion und qualifiziert diese hierfür. Sie berät die Produktion auf der Suche nach den Engpässen und legt mit ihr zusammen eine Instandhaltungsstrategie für alle Maschinen fest. Oft wird dabei erkannt, dass nicht jede Maschine das volle TPM-Programm benötigt, sondern ein zustandsabhängiges Instandhaltungskonzept ausreicht. Dadurch lassen sich Ressourcen einsparen und Zeit gewinnen. Aber durch den großen Verbesserungshebel, der erreicht werden kann, wächst nun auch in der Instandhaltungsabteilung die Bereitschaft, Ressourcen ausschließlich für den TPM-Prozess freizustellen. Durch das verbesserte Verhältnis von reaktiver ‚Feuerwehrinstandhaltung‘ zu proaktiver Instandhaltung gewinnt und nutzt man Zeit, um, wo es sinnvoll ist, verstärkt auch vorhersehbare Instandhaltung wie bzw. Spektrografie, Thermografie oder Schwingungsmessung anzuwenden.

Hervorzuheben ist aber vor allem, dass sich TPM nun nicht mehr nur auf die Produktionsprozesse konzentriert, sondern auch die Instandhaltungsabteilung selbst beginnt, den Gedanken der Lean Production auf ihre eigenen Prozesse im Sinne eines ‚Lean Maintenance‘ zu übertragen. So werden beispielsweise Prozesse wie ‚Mean time to repair‘ (Reparaturzeiten), Schmiermanagement, Werkzeugmanagement oder Ersatzteilmanagement  gezielt analysiert, die Verschwendungen eliminiert und die Prozesse verbessert.

Auch ein weiterer TPM-Aspekt gewinnt im Rahmen der Intensivierung an Bedeutung: die produktions- und instandhaltungsgerechte Maschinen- und Anlagenplanung. So werden konkrete Prozesse und Standards festgelegt, die sicherstellen, dass die Erkenntnisse aus dem laufenden TPM in Neuplanungen einfließen, um lange Optimierungsschleifen nach Aufstellung und Inbetriebnahme von Anlagen zu vermeiden. Unter diesem Aspekt übernimmt auch die Planungsabteilung im TPM-Prozess eine ganz andere Rolle als bisher.

Das TPM-Konzept in Kürze:

  • Das Management muss von TPM überzeugt sein und den Prozess aktiv unterstützen.
  • Die Einführung von TPM in westlichen Unternehmen unterscheidet sich von der in Japan.
  • Das TPM-Konzept muss auf die vorhandenen Gegebenheiten angepasst werden.
  • TPM sollte in ein vorhandenes Produktionssystem bzw. in die Unternehmensstrategie integriert sein.
  • Die frühe Einbeziehung des Betriebsrates ist notwendig.
  • Eine Freistellung eines TPM-Koordinators und Schaffung einer TPM-Organisation ist zwingend.
  • Durchgehende Kompetenzentwicklung auf allen Ebenen von Beginn an
  • Eine erfolgreiche Piloteinführung auf Basis einer umfangreichen Ist-Analyse ist die Basis für einen erfolgreichen Roll out.
  • Gut entwickelte TPM-Einführungspläne sind zu erstellen.
  • Es sollte vermieden werden, mit autonomer Instandhaltung zu beginnen.
  • Man sollte sich die größten TPM-Kostenfaktoren von Anfang an bewusst machen.
  • Eine Instandhaltungsstrategie ist nötig (prüfen, ob das TPM-Konzept für alle Anlagen wirklich erforderlich ist).
  • Die Führungskräfte sollten ihre Aufgaben im Veränderungsprozess kennen.

Dokumentation ist Trumpf

Ein weiterer, vielleicht einer der wichtigsten Punkte: Die Unternehmen haben heute erkannt, warum so viele TPM- aber auch andere Veränderungsprozesse scheiterten. Die Gründe lagen fast nie in der Methodik, sondern stets an den menschlichen und organisatorischen Herausforderungen. Also beginnen die Unternehmen heute erst mit der Einführung, wenn die TPM-Organisation aufgebaut, die Rollen und Gremien beschrieben sind und wenn alle Mitarbeiter vom Werkleiter über die Führungskräfte bis zum Maschinenbediener diese kennen und ihre Qualifikation sichergestellt ist. Erst wenn alle die Ziele und Strategie von TPM verstanden haben und ihre eigenen Aufgaben kennen, beginnt die Umsetzung der Methodik zunächst in Pilotbereichen: Beispielsweise werden in einem Management-Strategieworkshop mit der Geschäftsleitung, den leitenden Führungskräften und dem Betriebsrat die Ziele und der Weg für die nachhaltige Einführung eines Produktionssystems definiert und an die Belegschaft kommuniziert.

Eine erste Gruppe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern macht sich mit dem Projekt zunächst vertraut, in einer gemeinsamen Aktion wird aufgeräumt, gesäubert und Überflüssiges aussortiert. Allgemeine Standards zur Behebung von Mängeln bei Anlagen und Abläufen werden festgelegt, mit dem Ziel diese nicht nur einzuhalten, sondern auch zu verbessern. Verbesserungsmaßnahmen zur Beseitigung von Schwachstellen werden identifiziert und wenn möglich noch innerhalb der Workshops umgesetzt. Um die beschriebenen Standards auch künftig einhalten zu können, wird der Sollzustand anschaulich dokumentiert. Alle Standards werden in einer Audit-Checkliste von bestimmten Mitarbeitern kontrolliert und bewertet. Die Arbeitsabläufe sind damit jetzt klarer und es herrscht ein gemeinsames Grundverständnis.

Eine weitere Maßnahme für ein optimiertes Arbeiten ist die gemeinsame Erstellung einer TPM-Wand mit einfachen und einprägsamen Kennzahlen und Tagesauswertungen der Maschinendaten, die als Grundlage für tägliche Besprechungen von Störungen dient. Mithilfe dieser Daten, die der Bediener der Maschine selbst erfasst, lassen sich Störungen und Stillstände genauer dokumentieren, schnell und gezielt identifizieren und anschließend entsprechend lösen. Dieses Prinzip bewährt sich auch bei der Wartung, Reinigung und vorbeugenden Instandhaltung der Maschinen. Wartungspläne zur täglichen Schichtübergabe, zur Reinigung und Instandhaltung der Maschine werden schriftlich fixiert. Durch die Visualisierung der Wartungspunkte an der Anlage ist der Vorgang eindeutig dokumentiert und schnell und einfach durchzuführen. Bediener und Instandhalter können sich somit gemeinsam um die Anlagen kümmern und Mängel beziehungsweise Schwachstellen durch die regelmäßige Reinigung schneller erkennen.

Die Zusammenarbeit zwischen Instandhaltung und Produktion wird innerhalb von Teamentwicklungsprozessen verbessert. Durch die Einführung von Shopfloor Management verbessert sich darüber hinaus auch die Kommunikation und Führung. Für den Erfolg des Projekts spielt zudem eine festgelegte TPM-Organisation, die aus Team, Steuerkreis und Verantwortlichen besteht, eine große Rolle. „Tägliche Treffen, enge Abstimmung und Information aller Beteiligten sind unerlässlich“, unterstreicht Ulrich Fischer, Projektleiter Festo Training and Consulting, der bereits mehrere Unternehmen in diesem Prozess beraten hat, die Bedeutung der Organisationsstruktur.

TPM Reloaded

Auf dem Weg zur schlanken Produktion sind Disziplin und Durchhaltevermögen bei der erfolgreichen Umsetzung von TPM gefordert. Das Management ist dabei genauso gefordert wie der einzelne Mitarbeiter. Häufig übersehen wird dabei, dass der Mensch, respektive Mitarbeiter, die Technik und die Unternehmensorganisation wie Zahnräder ineinandergreifen.

Ulrich Fischer

ist Dipl.-Ing. Produktions-und Fertigungstechnik und Projektleiter von Festo Didactic, Training and Consulting Deutschland

(mrc)

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