Die Spritzen-Handlinglösung kann 400 Spritzen pro Minute in die Entleerungsschiene eintakten. Mit einer Zusatzachse sind auch bis zu 600 Stück pro Minute möglich.

Die Spritzen-Handlinglösung kann 400 Spritzen pro Minute in die Entleerungsschiene eintakten. Mit einer Zusatzachse sind auch bis zu 600 Stück pro Minute möglich.Robotronic

In der Pharmaindustrie gelten hohe Anforderungen an Hygiene, Qualität und Leistung. Das trifft auch auf die Verpackungsanlagen zu. Der Platz in der Produktion ist zudem oft rar. Neu hinzukommende Maschinen müssen daher so kompakt wie möglich sein. Auf Geräte, die diese Vorgaben erfüllen, hat sich die Robotronic AG spezialisiert. Das Schweizer Unternehmen arbeitet mit einer selbst entwickelten, modular aufgebauten Roboterzelle, dem MRT, kurz für modulare Robotertechnik.

Für einen internationalen Pharmakonzern aus Deutschland hat das Unternehmen ein Handlingmodul zur Zuführung von Fertigspritzen in die Endverpackungsanlage realisiert. Der Kunde suchte nach einer flexiblen Lösung und gab eine maximale Bauzeit von vier bis fünf Monaten vor. Der zur Verfügung stehende Raum war mit zirka drei Quadratmetern sehr klein. Die Geschwindigkeitsanforderung lag bei 400 Spritzen pro Minute. Außerdem sollte eine Umrüstung zwischen verschiedenen Spritzenträgern sowie zwischen Spritzenformaten von 0,5 bis 10 mm möglich sein. Bei dem Projekt kommen ausschließlich Roboter von Mitsubishi Electric zum Einsatz.

Mithilfe eines Baukastenprinzips kann Robotronic beliebige Roboter in einer Zelle mit weiteren Elementen wie Transportbändern, Kamerasystemen oder Linearachsen kombinieren. Mike Weber, Eigentümer und Geschäftsführer von Robotronic, beschreibt: „Bei Konstruktion und Bau sparen wir mit dem Baukastenprinzip viel Zeit. Das Grundgerüst steht immer, wir statten es lediglich entsprechend den Anforderungen aus. Die Anschaffungskosten sind dadurch vergleichsweise niedrig. Ein Vorteil ist die platzsparende Bauweise, mit der wir auf sehr kleinem Raum arbeiten können.“ Das Grundmodul des MRT nimmt eine Fläche von 1 mal 1,3 m ein und ist rund 2,2 m hoch.

160 Spritzen auf einmal

Jede Spritzenverpackungslinie benötigt eine spezielle Zuführung, denn Spritzen haben keinen Boden, auf dem sie stehen können. Deshalb transportiert und lagert sie die Maschine hängend an der Fingerauflage, dem sogenannten „Finger Flange“, wozu besondere Träger notwendig sind. Die zwei gängigsten sind normierte Kämme und Nester, die jeweils 160 Spritzen fassen. Beim Entnehmen aus den Kämmen oder Nestern ist Fingerspitzengefühl gefragt, denn die gläsernen Spritzen sind leicht zerbrechlich. Weber erklärt: „Entsprechende Handlingmaschinen gibt es schon lange am Markt. Die Besonderheit der MRTs ist ihre kompakte Bauweise. Eine ähnliche Maschine von einem anderen Hersteller braucht in etwa drei- bis viermal so viel Platz.“

In der Handlinglösung kommen zwei Mitsubishi Electric Roboter vom Typ Melfa RV-4FL zum Einsatz, die auf engstem Raum zusammenarbeiten. Der Drehturm (rechts) befördert die mit den Spritzenträgern beladenen Tubs ins das MRT.

In der Handlinglösung kommen zwei Mitsubishi Electric Roboter vom Typ Melfa RV-4FL zum Einsatz, die auf engstem Raum zusammenarbeiten. Der Drehturm (rechts) befördert die mit den Spritzenträgern beladenen Tubs ins das MRT.Robotronic

Beim Spritzenhandling kommen zwei Mitsubishi-Electric-Roboter vom Typ Melfa RV-4FL zum Einsatz, kompakte Überkopf-Knickarmroboter mit sechs Achsen. Es sind keine weiteren mechanischen Elemente wie Hub- oder Drehkomponenten nötig. Mike Weber sagt dazu: „Wir legen Wert darauf, möglichst ausschließlich Roboter einzusetzen und nur in Ausnahmefällen zusätzliche mechanische Elemente zu verwenden, die potenziell störanfällig sind.“

Zuführung per Drehturm spart Platz

Bestandteil der Lösung ist eine Zuführung für die Tubs, also die tiefgezogenen Kunststoffbehälter, in denen sich die Kämme oder Nester zum Transport befinden. Normalerweise kommen hierbei Förderbänder ins Spiel, die viel Platz benötigen. Robotronic hingegen setzt einen eigens entwickelten Drehturm ein, der auf dem gleichen Grundgerüst wie die Roboterzelle basiert, mit der er verbunden ist. Auf der Außenseite belädt ein Mitarbeiter den Turm von Hand mit bis zu zehn vollen Tubs, bevor sich dieser um 180° dreht, wo ihn der Roboter entleert.

„Durch die Stapelung der Tubs im Drehturm können wir den Platzbedarf im Vergleich zu einer Förderstrecke stark reduzieren“, erklärt Weber. Zweieinhalb Tubs beziehungsweise 400 Spritzen pro Minute verarbeitet die Maschine. Der Turm fasst insgesamt zehn Tubs. Optional ist auch ein Drehturm für 20 Tubs erhältlich.

Handling auf engstem Raum mit zwei Robotern

Die Besonderheit der Lösung ist es, die Roboter nicht nur über Kopf hängend, sondern auch zu zweit auf engstem Raum zusammenarbeiten zu lassen.

Die Besonderheit der Lösung ist es, die Roboter nicht nur über Kopf hängend, sondern auch zu zweit auf engstem Raum zusammenarbeiten zu lassen.Robotronic

In der Sonderlösung sind zwei Melfa-Roboter vom Typ RV-4FLM-Q1-S15, die zugehörigen CPUs Q172DRCPU und eine SPS CPU vom Typ Q03UDECPU verbaut. Ein Servomotor MR-J4 mit Motion-CPU Q172DCPU treibt den Drehturm an. Alle CPUs sind Bestandteil der iQ-Platform, einer Multi-CPU-Plattform von Mitsubishi Electric. Die Besonderheit dieser Lösung ist es, die Roboter nicht nur über Kopf hängend, sondern auch zu zweit auf engstem Raum zusammenarbeiten zu lassen. Die Melfa-Roboter sind für das komplette Handling von Tubs, Trägern und der verschiedenen Spritzenformate verantwortlich und aufeinander abgestimmt.

Der Prozessablauf bei Kämmen, in denen die Spritzen hintereinander in mehreren Reihen hängen, sieht wie folgt aus: Roboter A entnimmt zunächst einen Tub aus dem ersten Turmschacht und stellt ihn in die vorgesehene Station. Dort entnimmt Roboter B den Kamm und Roboter A bringt den leeren Tub zurück in den Drehturm. Roboter B fährt mit dem Kamm an die Entleerungsschiene, kippt ihn leicht und taktet die Spritzen durch. Von der Schiene durchlaufen die Spritzen den regulären Verpackungsprozess. Anschließend legt Roboter B den leeren Kamm in eine separate Station ab, von wo aus ihn Roboter A aufgreift und zum Tub in den zweiten Turmschacht legt.

Dass das MRT sowohl Kämme als auch Nester verarbeiten kann, ist laut Mike Weber eine Besonderheit in der Branche. Die Nester verfügen über eine wabenförmige Struktur, in deren einzelnen Öffnungen die Spitzen hängen. Für das Handling sind hierbei Vakuumgreifer nötig. Die Maschine lässt sich innerhalb weniger Minuten umrüsten.

Das Handling selbst unterscheidet sich wie folgt: Auch hier setzt Roboter A zunächst den Tub in die erste Station. Roboter B entnimmt das Nest mittels Vakuum, bewegt es zur zweiten Station und stellt es dort in einen Stufenblock, über den die Spritzen leicht angehoben werden. Mit einem speziellen Greifer fährt Roboter A an die Waben des Nestes, nimmt die Spitzen am Finger Flange auf und fährt mit ihnen an die Entleerungsschiene, wo er, ähnlich wie bei den Kämmen, die Reihen zur Entleerung durchtaktet. Anschließend stellt Roboter A Nest und Tub als Leergut in den zweiten Turmschacht der Drehstation.

Leistungserweiterung auf bis zu 600 Spritzen pro Minute

Das aktuelle MRT-Modell kann 400 Spritzen pro Minute in die Entleerungsschiene eintakten. Maximal lassen sich mit dieser Lösung bis zu 600 Stück pro Minute verarbeiten. Dazu wird die Anlage um eine Zusatzachse erweitert, angetrieben von einem Servomotor.

Die Zusatzachse erlaubt einen schnelleren Entleerungsvorgang: Der Roboter selbst fährt nicht an die Entleerungsstation, um die Spritzen in Reihen durchzutakten, sondern eine 180°-Kippbewegung entleert diese aus dem Kamm in ein Gegenstück, das sich auf der Servoachse befindet. Das Entleeren der Waben übernimmt statt des Roboters die Servoachse mit einer Kippbewegung. Der ursprüngliche Bewegungsablauf des Roboters verkürzt sich in beiden Fällen.

Als Vertriebspartner von Mitsubishi Electric für den Schweizer Markt arbeitet Robotronic bereits seit Firmengründung 2008 mit dem Automatisierungsanbieter zusammen. Für Mike Weber zählen vor allem der schnelle Kundenservice sowie die weltweite Verfügbarkeit von Technik und Experten. Über die Produkte sagt er: „Die Roboter sind flexibel, schnell und zuverlässig. Beispielsweise arbeiten Mitsubishi-Electric-Roboter bei einem unserer Kunden schon 25 Jahre im Dreischichtbetrieb. Auch mit den anderen Komponenten wie Servos oder Steuerungen hatten wir bisher nie Qualitätsprobleme. Von Vorteil sind auch die hohen Freiheitsgrade beim Einbau der Roboter, beispielsweise durch die Überkopfmontage oder die extremen Drehbewegungen. Die schlanke Bauform der Roboter unterstützt die Umsetzung des MRT.“

Weiterentwicklung auf drittes Trägerformat

Robotronic entwickelt das Spritzenhandlingmodul weiter und will zukünftig die Umrüstungsoption auf ein drittes Trägerformat, auf sogenannte „Rondo Trays“, anbieten. Das sind 300 mm lange, flache, wellenförmige Kunststofftabletts, in denen die Spritzen nebeneinander eingeklipst werden. „Wenn das MRT zusätzlich Rondo Trays verarbeiten kann, sind unsere Kunden in der Lage, mit nur einer Lösung alle drei Formate handzuhaben“, sagt Weber.

Die Glasbehälter können bei der Verarbeitung in der Arznei- und Lebensmittelproduktion durch Zusammenstöße leicht Schaden nehmen.

Die Glasbehälter können bei der Verarbeitung in der Arznei- und Lebensmittelproduktion durch Zusammenstöße leicht Schaden nehmen.Robotronic

Zudem arbeitet Robotronic an einer Lösung, in der die Spritzen berührungslos auf einer Förderstrecke in die nächste Maschine gelangen. Die Verarbeitung von Glas in der Arznei- und Lebensmittelproduktion stellt ein Risiko dar, da Glasbehälter durch Zusammenstöße leicht Schaden nehmen können. Bei den Spritzen könnte beispielsweise die Fingerauflage Schaden nehmen oder Glaspartikel in die Flüssigkeit gelangen. Mit der neuen Lösung reagiert Robotronic auch auf die ‚No Glas Contact‘-Empfehlung der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA). Mit der Sonderlösung richtet sich der Anlagenbauer an Pharmaunternehmen weltweit. „Das System kann eins zu eins in anderen Ländern zum Einsatz kommen, denn die Nester, Kämme und Rondo Trays sind normiert und international im Einsatz“, sagt Weber.

Isabell Auer

freie Journalistin in Köln

(am)

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