Auf großen Schiffen ist das ­Management von Ballastwasser und Treibstoffen ein sicherheitskritischer Bereich, der zunehmend vollautomatisiert gesteuert und überwacht wird.

Auf großen Schiffen ist das ­Management von Ballastwasser und Treibstoffen ein sicherheitskritischer Bereich, der zunehmend vollautomatisiert gesteuert und überwacht wird.Lewek Connector

Container-, Massengutfrachter und Spezialschiffe haben Dutzende von Tanks. Um die Stabilität und den sicheren Betrieb der Schiffe unter allen Betriebsbedingungen und Beladungszuständen sicherzustellen, müssen die Tanks überwacht und deren Inhalt bei Bedarf schnell umgepumpt werden. Auf diesen sicherheitsrelevanten Bereich ist die Firma S-two spezialisiert und hat mit Poseidon eine Lösung für das Ballastwasser-, Treibstoff- und Bilgewassermanagement entwickelt. Das System erfasst über Sensoren Füllstände, Temperaturen und Prozessdrücke, alarmiert die Besatzung, wenn Sollwerte voreingestellte Bereiche über- oder unterschreiten und stellt Schnittstellen zu anderen Schiffssystemen bereit. „Gerade bei Spezialtransport- und Hebeschiffen überlagern sich die Aufgabenbereiche durch die fortschreitende Integration unterschiedlicher Automatikfunktionen“, erläutert Christoph Ihnen, Technischer Leiter bei S-two.

Entsprechend flexibel muss das Schiffskontrollsystem sein – ohne Aspekte wie das Einhalten hoher Sicherheitsstandards, Hochverfügbarkeit, einfache Handhabung oder die Installations- und Wartungskosten zu vernachlässigen. Die Konsequenz: Wie im klassischen Anlagen- und Maschinenbau kommen auch im wesentlich konservativeren Marinebereich immer öfter Bussysteme, SPSen und intelligente Antriebe zum Einsatz.

Das skalierbare Kontrollsystem kann in beliebiger Komplexität realisiert werden.

Das skalierbare Kontrollsystem kann in beliebiger Komplexität realisiert werden.S-Two

S-two gilt mit dem Smart Ship-Bus als ­Pionier auf diesem Gebiet. Das Kommunikationssystem integriert zwei voneinander getrennte Bussysteme in einem gemeinsamen Kabel. Der doppelt-redundante, bidirektionale Bus nutzt als Übertragungsphysik den Schnittstellenstandard RS422, der in einer Ringtopologie betrieben wird. Das Datenprotokoll hat das Unternehmen speziell für den Einsatz im Schiffbau entwickelt.

„Die Übertragungssicherheit hatte die höchste Priorität, während die Übertragungsgeschwindigkeit wegen der vergleichsweise langsamen Prozesse weniger prozesskritisch war“, erinnert sich Christoph Ihnen an die Systemkonzeption zurück. Wegen der niedrigen Anforderungen an die Reaktionszeiten benötigt der Smart Ship-Bus auch kein spezielles Kabel, noch nicht einmal eine Schirmung. „Im Prinzip reicht ein einfacher Klingeldraht,“ sagt Ihnen.

Dezentrale Intelligenz mit Sensoranschluss

Über den Bus kommuniziert die Steuerung des Schiffkontrollsystems mit den elektrohydraulisch angetriebenen Ventilklappen. Jeder Antrieb ist dafür mit einer Local Processing Unit (LPU) ausgestattet, deren Prozessor neben der Buskommunikation zusätzlich die Ventilmotoren ansteuert. Wird die Kommunikation oder die Stromversorgung zum Beispiel durch einen Wassereinbruch unterbrochen, erkennt das die Steuerung, informiert die Schiffsbesatzung über Alarmmeldungen und visualisiert die Störung auf den Bedienstationen. Erkennt die Steuerung einen Defekt am Antrieb, wird er von der Stromversorgung beidseitig galvanisch abgekoppelt. Durch die Ringtopologie arbeiten die restlichen Antriebe uneingeschränkt weiter.

Rohrtunnel im Schiff: Bei sechzig bis hundert Ventilantrieben stößt die klassische Sternverdrahtung an ihre Grenzen. Mit seinen dezentralen I/Os reduziert der Smart Ship-Bus den Verkabelungs- und Inbetriebnahmeaufwand.

Rohrtunnel im Schiff: Bei sechzig bis hundert Ventilantrieben stößt die klassische Sternverdrahtung an ihre Grenzen. Mit seinen dezentralen I/Os reduziert der Smart Ship-Bus den Verkabelungs- und Inbetriebnahmeaufwand.S-Two

Außerdem ist die LPU in der Lage, die Messwerte von bis zu vier, konfigurierbaren, analogen oder digitalen Eingangsquellen zu erfassen und an die Steuerung zu übermitteln. „Bei durchschnittlich 60 bis 100 Ventilantrieben und noch mehr Temperatur-, Prozessdruck-, Durchfluss- und Füllstandssensoren, stößt die klassische Sternverdrahtung an ihre Grenzen“, zeigt Ihnen die Notwendigkeit eines Bussystems auf. Der Smart Ship-Bus mit seiner dezentralen Anschlussmöglichkeiten reduziert hier den Verkabelungs- und Inbetriebnahmeaufwand. Dieser verursacht bis dato erhebliche Kosten für die Schiffswerft. Der Aufwand für Verkabelungen ist im Schiffbau wegen der erforderlichen Kabelarmierungen und Zugentlastungen sowie der großen Distanzen und schlecht zugänglichen Kabeltunnel größer als im Maschinenbau. Außerdem ist beim Smart Ship Power-Bus die Stromversorgung der Antriebe zusammen mit der Busleitung in einem Hybridkabel integriert.

Notbetrieb per USV

Optional rüstet S-two jedes Poseidon-System mit einer unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) aus, die das automatische, sichere Schließen lebenswichtiger Ballastventile bei Ausfall beider Stromgeneratoren sicherstellt und somit für die Stabilität des Schiffes sorgt. „Gerade auf Hebeschiffen bedeutet das einen erheblichen Sicherheitsgewinn für die oft kostbare Fracht und verschafft dem Reeder einen Wettbewerbsvorteil,“ betont Christoph Ihnen.

Poseidon lässt sich mit elektro-hydraulischen, elektrischen, hydraulischen und pneumatischen Antrieben kombinieren.

Poseidon lässt sich mit elektro-hydraulischen, elektrischen, hydraulischen und pneumatischen Antrieben kombinieren.S-Two

Je nach den Anforderungen des Schiffs­betreibers und der Klassifikationsgesellschaft stehen auf der Steuerungsebene zwei Redundanzstufen zur Verfügung. In der einfacheren Variante (Redundanzstufe 1) wird neben der aktiven SPS mit angereihten I/O-Modulen aus der X20-Serie von B&R eine zweite, stromlose SPS mit gleichem Software-Stand installiert. Fällt die aktive Steuerung aus, kommt die Reservesteuerung zum Einsatz, die manuell ausgetauscht werden muss.

Bei der Redundanzstufe 0 arbeiten zwei identische Steuerungen synchron und überwachen sich gegenseitig. Bei einer Störung der Haupt-SPS übernimmt dann die zweite SPS einschließlich ihrer I/O-Ebene die Kontrolle.

„Wir setzen seit vielen Jahren B&R-Steuerungen in Schiffen ein. Dass wir immer mit dem gleichen Lieferanten zusammenarbeiten, hat mehrere gute Gründe“, sagt der Technische Leiter. „B&R ist unserem Wunsch nach einer Zulassung des X20-Systems durch den Germanischen Lloyd nachgekommen, sodass wir eine moderne und skalierbare Steuerungsplattform einsetzen können, auf der wir sogar die Software der Vorgängergeneration weiterverwenden können.“ Zudem habe eine Marktanalyse ergeben, dass nur das X20-System die hohen Anforderungen des Smart Ship-Bus an das serielle Schnittstellenmodul erfüllt. „Entscheidend ist die lokale Intelligenz des Moduls, die wir für die Vorverarbeitung der Protokolldaten nutzen.“

Als Visualisierungsgeräte kommen ­Power Panels 500 mit integrierter Steuerung und GL-Zulassung zum Einsatz.

Als Visualisierungsgeräte kommen ­Power Panels 500 mit integrierter Steuerung und GL-Zulassung zum Einsatz.B&R

Einzelprojekt mit 720 Ventilantrieben

Der bislang größte Einzelauftrag für einen 50 000 dwt (deadweight tonnage) Semi-Submersible Heavy Lifter (SSHL) von Guangzhou Salvage umfasst ein Poseidon EH mit Smart Ship Power-Bus für insgesamt 720 elektro-­hydraulische Antriebe für Absperrklappen unterschiedlicher Größe. Steuerung und Bedienung erfolgen über redundante Steuerungen in zwei Schaltschränken und sechs Bedienstationen. Unterbrechungsfreie Stromversorgungen in beiden Schränken sorgen auch bei einem totalen Stromausfall für eine Systemverfügbarkeit einschließlich Ventilbedienung über 30 min. Implementiert wurde auch ein Emergency Shut Down (ESD) der Bunkerventile auf Knopfdruck sowie diverse Schnittstellen zum übergeordneten Schiffskontrollsystem, dem Ladungsrechner und dem Ballast-Water-Treatment-System. Über die Local Processing Units werden insgesamt 350 Tankmess-Sensoren abgefragt. S-two rechnet damit, dass das System wegen seiner Leistungsmerkmale künftig nicht nur vermehrt in Schiffen, Ölplattformen und anderen Offshore-Anwendungen zum Einsatz kommen wird, sondern auch an Land in prozesstechnischen Anlagen.

Franz Joachim Roßmann

ist freier Journalist in München.

(sk)

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