Künstliche Intelligenz (KI) ist seit einigen Jahren ein hoch-präsentes Thema in den Medien. In den Fabrikhallen hat sie sich jedoch noch nicht so richtig durchgesetzt. Hierfür gibt es unterschiedliche Gründe: Einerseits fehlt die Datenlage, da die Maschinen zur Durchführung ihrer Produktionsschritte konzipiert wurden, nicht jedoch für das Bereitstellen der Daten. Diese sind allerdings für einen Digitalen Zwilling unentbehrlich. Dabei ist der Digitale Zwilling das virtuelle Abbild eines realen Geschehens. Dazu gehören einerseits Daten, die das reale Geschehen (also Maschinen, Prozesse, Menschen) liefern. Andererseits braucht es Algorithmik, um diese Daten zu analysieren und das Verhalten zu verstehen. Dabei werden die „Taten“, die sich in den Daten widerspiegeln, in Logik gebracht. Sobald diese Logik erkannt ist, lassen sich verlässliche Aussagen über zukünftige Taten und Entwicklungen treffen.
Warum der Einsatz von KI immer einfacher wird
Zukünftig wird dies einfacher, denn führende Maschinenbauer bieten seit einigen Jahren „IoT enabled“ Maschinen an, also Anlagen, die die erzeugten Daten speichern und somit für Analysen bereitstellen. Andererseits liegt es auch an der hohen Variantenkomplexität, beispielsweise im Automobilbereich: Bei jeder Autobestellung konfiguriert sich der Kunde individuell sein Traumauto in Losgröße 1. In nahezu allen Branchen gibt es den Trend, dass die Produktion vermehrt eine Vielzahl von Produktvarianten beherrschen muss. Dies stellt eine Herausforderung für KI-Algorithmen in der Produktionsüberwachung dar, da sie sich immer wieder an veränderte Produkte und Produktionsbedingungen anpassen müssen. Wenn sich also die Realität immer wieder verändert, dann muss auch „die Spiegelung“ der Realität, der Digitale Zwilling und die auf ihm basierenden KI-Analysen, diese Veränderungen abbilden. Ein komplexes Problem – doch es gibt Lösungen: selbstlernende KI-Algorithmen, die Veränderungen in der Produktion verstehen und selbst ableiten können, was diese Veränderungen für die KI-Analysen bedeuten. Solche KI-Algorithmen passen also eigenständig mathematische KI-Modelle an, um fortlaufen passgenaue Prognosen oder vorausschauende Handlungsempfehlungen zu liefern.
Hier zwei Beispiele, wie aufgrund Adaptivität der KI-Algorithmen die KI verlässliche Aussagen treffen konnte – trotz komplexer, sich verändernder Produktionsprozesse.
Beispiel Automobilzulieferer: Qualität per KI vorhersagen und gegensteuern
In der Qualitätsprüfung wäre es optimal, am Ende eines jeden kritischen Produktionsschrittes die Güte zu testen. Dies wäre jedoch sehr aufwändig. Daher erkennen selbstlernende Künstliche-Intelligenz-Verfahren bereits während des Produktionsschrittes, ob die Qualitätskennzahlen erreicht werden. Falls nicht, lässt sich entweder gegensteuern, um Ausschuss zu vermeiden. Oder – wenn dies nicht mehr möglich ist – der Produktionsschritt wird abgebrochen, um Produktionszeit zu sparen, sowie Maschinenverschleiß und Betriebskosten zu reduzieren.
Dies war auch der Wunsch eines internationalen Automobilzulieferers, der viele Varianten seiner Produkte herstellt. Die Produktionsschritte sind hoch-automatisiert; so auch die Bearbeitung von Einspritzdüsen mittels Spindeln. Es gibt etwa 20 dieser Zerspanungsmaschinen für diesen Produktionsschritt. Obwohl sie alle das Gleiche tun, die gleichen Werkzeuge nutzen, gleich eingestellt sind, das gleiche Material des gleichen Lieferanten nutzen, usw., kommt es doch vor, dass manchmal die eine und manchmal die andere Maschine schlechtere Qualität liefert.
KI sagt Qualität anhand von Sensordaten voraus
Um der Ursache für diese Schwankungen auf den Grund zu gehen, wurden zuerst Sensoren an die Zerspanungsanlagen angebracht, um beispielsweise Vibration und Temperatur zu messen. Die Maschinendaten und die Daten der zusätzlichen Sensoren wurden aufgenommen, inklusive der anschließenden Bewertung, ob das Bauteil von guter Qualität ist. Hierbei definierte der Automobilzulieferers 11 Qualitätskennzahlen wie Rauheit, Genauigkeit und Profiltiefe. Dabei wurden Grenzwerte festgesetzt, beispielsweise wie rau oder wie tief das Metall an bestimmten Stellen sein darf, wie groß die Abweichung von den Normmaßen der Einspritzdüse sein darf. Anschließend wurden selbstlernende Künstliche Intelligenz-Lösungen auf einen Teil der Daten antrainiert. Neben den Maschinen- und Qualitätsdaten berücksichtigte die KI auch den zeitlichen Ablauf des Produktionsschritts. Die KI deckte dabei versteckte und vielschichte Datenmuster auf, aus denen sie automatisiert stabile Vorhersagen treffen kann, welchen Wert die jeweilige Qualitätskennzahl abhängig von den Daten (Sensor-, Umgebungs- und Steuerungsdaten) erreichen wird. Die antrainierten Algorithmen wurden anschließend auf unbekannten Daten, also Daten, die nicht für das Trainieren verwendet wurden, angewendet. Erst dieser Test zeigt, ob die KI Datenmuster auch korrekt aufdecken kann.
Bei Prozessveränderungen aufgrund von Produktvarianten passt die Selbstlernalgorithmik eigenständig das Prognosemodell an, so dass kein Data Scientist einschreiten muss. Das Ergebnis: Prognosealgorithmen sagten für alle Produktvarianten etwa nach der Hälfte der Zeit in der jeweiligen Führungsspindel- und Unterstützungsspindel-Bearbeitung die Werte der Qualitätskennzahlen voraus.
Im schlimmsten Fall, wenn die KI keine Möglichkeit mehr sieht, durch Veränderung der Maschinensteuerung doch noch ein Produkt zu erreichen, das den Qualitätskennzahlen genüge tut, gibt die KI die Info, dass dies Ausschuss sein wird und die Steuerung der Maschine unterbricht die die Bearbeitung, um Zeit und Geld zu sparen. Optimaler Weise steuert die KI die Maschine gegen, um die Qualitätskennzahlen doch noch zu erfüllen.
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KI deckt komplexe Ursachen für Minderqualität im Produktionsprozess auf
Das Werk eines internationalen Automobilzulieferers produziert ca. 11.000 Automobilteile täglich, in 700 Varianten. Jedes Produkt, das aus bis zu 600 Teilen besteht, durchläuft einen technischen 100%-Test, bevor es ausgeliefert wird. Obwohl während des Produktionsprozesses kritische Schritte immer wieder überprüft werden und nur die Komponenten weiterbearbeitet werden, die der Spezifikation entsprechen, findet die Endkontrolle noch Ausschuss.
Selbst ein sehr kleiner Prozentsatz ist bei 11.000 produzierten Produkten am Tag zu viel. Daher entschied sich der Zulieferer für eine selbstlernende Künstliche Intelligenz. Diese deckt komplexe Ursache-Zusammenhänge im variantenreichen Produktionsprozess auf, so dass die Werker die Ursachen für Minderqualität abstellen können. Zudem gilt hier: Zeit ist Geld, denn Geschwindigkeit ist wichtig, da die Produktion 24 Stunden / 7 Tage die Woche läuft. Je schneller die tatsächlichen Gründe für fehlerhafte Produkte gefunden werden, desto schneller lassen sich Gegenmaßnahmen ergreifen, um zukünftige Fehler zu vermeiden. Dies spart Zeit und reduziert deutlich den Ausschuss.
Früher, also ohne den Einsatz von KI, dauerte die Ursachenfindung bis zu einer Woche, was bei nahezu 1.000 Fertigungsmaschinen nicht überrascht. Die KI-Algorithmik liefert jedoch innerhalb von Minuten eine Diagnose. Diese reicht vom eindeutigen Identifizieren der Maschine, die den Fehler produziert – inklusive Fehlermeldung (Werkzeug verschleißt) – bis zum Eingrenzen auf wenige Maschinen, was die Fehlersuche deutlich vereinfacht und beschleunigt.
Was die KI beim Automobilzulieferer gebracht hat
Die Ergebnisse über einen Zeitraum von zwei Jahren zeigen: Die KI hat nicht ein einziges Mal eine Fehldiagnose durchgeführt. Diese stabilen Ergebnisse sind nur möglich, weil die Selbstlernalgorithmik die hohe Variantenkomplexität verstanden hat und seine Anomalieerkennungsmodelle eigenständig anpasst. Zudem sank die Zeit die vom Auftreten des Fehlers bis zum Auffinden von zum Teil einer Woche bis auf wenige Minuten. Im Schnitt wurden mittels der KI Fehler um 20 % schneller gefunden
Was heißt eigentlich erklärenden KI?
Die Explainable AI, also erklärbare KI, heißt so, weil die KI offenbart, warum sie sich für oder gegen was entschieden hat. Deep Learning mit Neuronalen Netzen wird oft genutzt, um komplexe Prognosen zu realisieren. Allerdings sind Neuronale Netze eine Black Box. Dies Netze verraten nicht, welche der 10 oder 30 oder vielleicht auch 100 Einflüsse relevant sind für die Fragestellung, also welche den größeren Einfluss hatten. Genau das wollen Anwender von KI aber wissen: Der Automobilzulieferer will wissen, warum Roboter 1 kaputtgeht und nicht der Roboter, der in der gleichen Zelle die gleiche Arbeit durchführt. Die KI-Software von IS Predict nutzt auch Deep Learning, aber nicht Neuronale Netze. Das Unternehmen hat eigene Netze entwickelt, die aus der Gehirnforschung „abgeschaut“ wurde. Es handelt sich jedoch um semantische Netze. Und aufgrund dieser Semantik kann die KI erklären, was für relevant ist und warum sie wie entschieden hat.
Was KI kann – und was nicht
Wie in den oben beschriebenen Fällen ersichtlich, kann die Komplexität in der Produktion sehr hoch sein. Diese Variantenproduktion macht nicht nur dem Werker, sondern auch der KI das Leben schwer. Eine KI-Lösung, die am Anfang sehr gute Ergebnisse liefert, verliert jedoch schnell an Aussagekraft, wenn sich die KI-Algorithmik nicht an die veränderten Begebenheiten anpasst, etwa neue Fertigungsmaschinen, neue Produktvarianten oder veränderte Umgebungsbedingungen. Was nützt der beste Digitale Zwilling, wenn er nur an Anfang seinem Bruder / seiner Schwester gleicht? Für einen langanhaltenden Mehrwert von KI-Lösungen ist daher die Adaptivität wichtig, also das ständige Anpassen auf neue Umgebungssituationen. Dies ermöglichen Selbstlernalgorithmik und kontinuierliches Lernen der KI.
KI-Prototypen, die nur einen sehr begrenzten Umfang haben, etwa 10 Roboter, kommen ohne Selbstlernalgorithmik aus, da ein Data Scientist es hier zeitlich schafft, mögliche Veränderungen in den mathematischen Modellen nachzuziehen. Wenn jedoch Hunderte von Robotern angebunden sind, würde es eine Heerschar von Data Scientsts brauchen, die immer wieder der Realität hinterherlaufen. Auch wenn diese Heerschar im finanziellen Rahmen des Werksleiters wäre, so würde er die Stellen gar nicht besetzen können, denn Data Science ist eine sehr gefragte Expertise. Folglich werden sich nur die KI-Lösungen durchsetzen, sowohl wirtschaftlich als auch in der Breite, die sich selbstlernend auf Veränderungen anpassen können.
Die Autoren
Britta Hilt, Geschäftsführende Gesellschafterin, Marketing und Vertrieb bei IS Predict
Richard Martens, Geschäftsführender Gesellschafter,Forschung und Entwicklung bei IS Predict