Durch die Vorzertifizierung lassen sich Konformitätsrisiken beim Einsatz von Profinet-Komponenten minimieren.

Durch eine Vorzertifizierung lassen sich Konformitätsrisiken beim Einsatz von Profinet-Komponenten minimieren. (Bild: RT-Labs)

Während des Zertifizierungsprozesses von Profinet-Komponenten verschiedener Feldgerätehersteller werden die Geräte auf ihre Konformität mit den geltenden IEC-Normen geprüft. So wird sichergestellt, dass sie nahtlos in einem Automatisierungssystem funktionieren. Jedes Profinet-Gerät muss zertifiziert werden, wobei der Aufwand für die Zertifizierung je nach verwendeter Technik unterschiedlich hoch ist.

Leider befassen sich viele Gerätehersteller erst unmittelbar vor der Markteinführung mit diesem Thema, was das Risiko erhöht, dass das Produkt nicht konform ist. Daher wird eine Vorzertifizierung empfohlen, da sie mögliche Probleme während der Zertifizierungsprüfung erheblich verringern kann. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den Profinet-Zertifizierungsprozess für verschiedene Gerätetypen. Darüber hinaus zeigen wir auf, wie die Zusammenarbeit mit einem auf Vorzertifizierung spezialisierten Unternehmen die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ein Profinet-Gerät bereits beim ersten Durchlauf zertifiziert wird, was Zeit und Kosten spart.

In Kürze

  • Für Industriegeräte mit Profinet-Schnittstelle ist eine Zertifizierung zwingend erforderlich.
  • Für Gerätehersteller, die mit der Implementierung nicht vertraut sind, kann dies jedoch eine schwierige letzte Hürde darstellen, mit der sich die Markteinführung eines neuen Produkts verzögert.
  • Die frühzeitige Zusammenarbeit mit einem Anbieter, der sich mit industrieller Kommunikation auskennt, reduziert das Risiko und die Kosten, da der Weg zur Zertifizierung geebnet wird.

Vorteile von Profinet

Profinet ermöglicht eine durchgängige Kommunikation von der Prozessleit- bis zur Feldebene. Zu den Vorteilen als industrielles Netzwerk gehören:

  • skalierbare Echtzeitkommunikation bis hin zu isochroner Bewegungssteuerung;
    Sicherheit zum Schutz von Mensch, Anlage und Umwelt (Safety);
  • Sicherheitsfunktion zum Schutz der Geräte vor unbefugtem Zugriff;
  • detaillierte und umsetzbare Diagnosen;
  • flexible Netzwerktopologien (z. B. Stern und Leitung) bei Verwendung eines integrierten Multi-Port-Switches zum Anschluss von Automatisierungsgeräten;
  • Unterstützung verschiedener Übertragungsmedien, z. B. Kupfer, Glasfaserkabel, funkbasiert etc.

 

Profinet ist zukunftssicher, da es TSN (Time Sensitive Networking) unterstützt und die OPC UA (Open Platform Communication Unified Architecture) integriert. Damit lässt sich die Kommunikation zwischen den Steuerungen und den Back-End-Systemen zur Überwachung des Fertigungsprozesses verwalten.

Zertifizierung im Überblick
Profinet International (PI) ist die für die Profinet-Zertifizierung zuständige Dachorganisation. PI erlaubt keine Selbstzertifizierung von Produkten. Daher müssen die Geräte vor ihrer Markteinführung in einem zugelassenen Profinet International Testing Laboratory (PITL) auf Konformität getestet werden. Ein Produkt, das den Testprozess besteht, erhält von PI ein Zertifikat. Die Produkte sind nach IEC 61158 und IEC 61784 zertifiziert und werden auf die korrekte Implementierung der folgenden Punkte geprüft:

  • Hardware-Schnittstelle  
  • Obligatorische und optionale Profinet NET-Funktion
  • Reaktion auf fehlerhaftes Verhalten
  • Robustheit gegenüber Netzlast
  • Korrekter Betrieb in einer Referenz-Automatisierungsumgebung
  • Zustandsmaschinen
  • GSD-Datei

Profinet-GSD-Dateien beschreiben die Funktion eines Geräts und sind im XML-Format geschrieben (daher auch „GSDML-Dateien“ genannt). Eine GSD-Datei enthält Konfigurationsinformationen, Parameter, Module, Diagnosen und Alarme sowie die Hersteller- und Geräte-Identifikation. Hersteller müssen für jedes zu zertifizierende Gerät eine GSD-Datei bereitstellen. Die Dauer und die Kosten der Prüfung hängen von den unterstützten Funktionen, der Komplexität des Geräts, den Varianten und anderen Faktoren ab. So dauert die Prüfung eines einfachen Geräts etwa drei Tage, während komplexere Geräte bis zu zwei Wochen dauern und über 5000 € kosten können.

 

Konformitätsklassen bei Profinet

Jedes Profinet-Gerät verfügt über einen definierten Satz obligatorischer Merkmale, die auf seiner Konformitätsklasse (CC) basieren. Drei Konformitätsklassen bauen schrittweise aufeinander auf (A, B und C), wobei die Konformitätsklasse A (CC-A) die grundlegendste und C (CC-C) die fortschrittlichste ist.  

  • CC-A: Dies umfasst die Nutzung der Infrastruktur eines bestehenden Ethernet-Netzwerks, einschließlich der Integration wesentlicher Profinet-Funktionen. Alle IT-Dienste lassen sich uneingeschränkt nutzen. CC-A-Geräte werden in typischen Anwendungen der Gebäude- und Prozessautomatisierung eingesetzt.
  • CC-B: Der Funktionsumfang von CC-B umfasst die Funktionen von CC-A und unterstützt einen einfachen, benutzerfreundlichen Gerätetausch ohne zusätzliche Tools. Darüber hinaus unterstützt das Simple Network Management Protocol (SNMP) eine erweiterte Gerätediagnose von Netzwerkfunktionen, wie z.B. Port-Statusmeldungen. Ein optionales leistungsangepasstes Medienredundanzprotokoll steht ebenfalls bereit, um die Datenzuverlässigkeit zu verbessern. Alle IT-Dienste können ohne Einschränkung genutzt werden. Typische Anwendungen für CC-B-Geräte sind Automatisierungssysteme mit übergeordneter Maschinensteuerung mit deterministischen, aber nicht taktsynchronen (isochronen) Datenzyklen.
  • CC-C: Der Umfang von CC-C umfasst alle Funktionen von CC-B, unterstützt aber zusätzlich eine hochpräzise und deterministische Datenübertragung, einschließlich isochroner Anwendungen. Die integrierte optionale Medienredundanz ermöglicht im Fehlerfall eine reibungslose Umschaltung des I/O-Datenverkehrs. Alle IT-Dienste lassen sich uneingeschränkt nutzen. Typische Anwendungen liegen im Bereich der Bewegungs-/Motorsteuerung.
  • CC-D: Die Konformitätsklasse wurde erst kürzlich freigegeben. Geräte, die dieser Klasse entsprechen, implementieren Profinet mit Time Sensitive Networking (TSN). CC-D implementiert die gleichen Funktionen wie CC-C. Im Gegensatz zu CC-A und CC-B erfolgt jedoch die gesamte Kommunikation (zyklisch und azyklisch) zwischen einer Steuerung und einem Gerät über die Ethernet Layer 2 unter Verwendung des neu eingeführten Remote Service Interface (RSI).

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Vorzertifizierung reduziert das Risiko, nicht konform zu sein

Die Implementierung und Zertifizierung eines Profinet-Geräts kann für Hersteller von Industriegeräten, die das Protokoll zum ersten Mal verwenden, herausfordernd sein. PI stellt zwei separate Dokumente bereit, die die Implementierung von Profinet in Feldgeräten und den Zertifizierungspfad abdecken und jeweils mehr als 40 Seiten an Informationen enthalten. Dies stellt eine steile Lernkurve dar, die das Risiko erhöht, dass ein Gerät beim ersten Test die Zertifizierung nicht erreicht. Die Hersteller müssen dann einen neuen Antrag stellen – was ein Projekt weiter verzögert und Kosten für einen erneuten Test verursacht.

Der Vorteil der Zusammenarbeit mit einem externen Technologie- oder Entwicklungspartner bei der Entwicklung einer Profinet-Schnittstelle besteht darin, dass sich der Gerätehersteller auf seine Kernkompetenzen konzentrieren kann, was die Entwicklungsrisiken und die Zeit bis zur Marktreife reduziert. Darüber hinaus hilft die Erfahrung eines externen Spezialisten sicherzustellen, dass das Design des Automatisierungsgeräts wettbewerbsfähig und seine Kommunikationsschnittstelle Profinet-konform ist, bevor es zur Prüfung bei einem PITL vorgelegt wird.  

Partnerschaft mit Profinet-Experten

RT-Labs verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Bereich industrieller Kommunikationsprotokolle und unterstützt Hersteller bei der Implementierung und Vorzertifizierung von Profinet-Feldgeräten. RT-Labs bietet einen kompakten Profinet-Protokoll-Software-Stack und leitet Hersteller bei der Implementierung und Vorzertifizierung an, um die Wahrscheinlichkeit einer Erstzertifizierung der Geräte zu maximieren. Ein attraktives Merkmal dieses Software-Stacks ist, dass er auf offenen Hardware-Designs läuft, d. h. Hersteller benötigen kein proprietäres Hardware-Modul zur Implementierung der Profinet-Schnittstelle. Die softwarebasierte Implementierung von RT-Labs reduziert den Aufwand bei der Geräteentwicklung erheblich und mindert die mit Lizenzgebühren verbundenen Kosten. RT-Labs arbeitet mit Herstellern von Industriegeräten zusammen, um sie beim Aufbau von PROFINET-Know-how auf überschaubare und zeitsparende Weise zu unterstützen, so dass sie sich auf andere Aspekte der Projektentwicklung konzentrieren können.

Marcus Ekerhult

ist Business Development Specialist bei RT-Labs. Er verfügt über 15 Jahre Erfahrung im Bereich Embedded-Systeme.

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