Eine typische Ethernet-Verbindungsstrecke im Automobil. Links abgebildet ist eine unter Laborbedingungen ermittelte Kanalleistung mit einer großen Sicherheitstoleranz zwischen Kanaleigenschaften und Grenzwertkurve der Anwendung.

Bild 1: Eine typische Ethernet-Verbindungsstrecke im Automobil. Links abgebildet ist eine unter Laborbedingungen ermittelte Kanalleistung mit einer großen Sicherheitstoleranz zwischen Kanaleigenschaften und Grenzwertkurve der Anwendung. (Bild: TE Connectivity)

Insbesondere beim autonomen Fahren stellt die starke Zunahme der für Fahrsicherheit erforderlichen automatisierten Fahrfunktionen enorme Ansprüche an Qualität und Geschwindigkeit der Datenverbindung. Dies hat nicht nur einen starken Einfluss auf die Entwicklung der individuellen Fahrzeugkomponenten, sondern auch auf die Architekturen selbst. Für die Umsetzung immer komplexerer, aufwendigerer Chips und zur optimalen Gestaltung der Verbindungen im Fahrzeug unter Berücksichtigung der physikalischen Grenzen, müssen Entwickler wirtschaftlich attraktive Lösungen finden.

Zentralisierte Architekturen

In aktuellen Fahrzeugen sind bis zu 100 elektronische Steuergeräte (ECUs) mit einer großen Bandbreite spezifischer Betriebssysteme verbaut. Dazu gehören multifunktionale Embedded-Plattformen, wie sie beispielsweise für leistungsfähige ADAS-Fahrerassistenzsysteme notwendig sind. Alle diese Systeme erzeugen enorme Mengen an Daten, welche die Leistungsfähigkeit herkömmlicher ECU-Architekturen überfordern können. Daher geht der Trend zur Zentralisierung, zum einen, um Gewicht und Kosten zu sparen, vor allem aber auch um die Komplexität der Vernetzung zu reduzieren.

Eck-Daten

Für heute im Einsatz befindliche Automotive-Kabeltypen liegt das nutzbare Frequenzband unter 10 GHz. Mit einem angepassten Modulationsverfahren beim Chip sind im Simplex-Betrieb – je nach Kabeltyp und Streckenlänge – bis zu 20 Gbit/s möglich. Eine Studie von TE zeigt jedoch, dass die Leistungsanforderungen zukünftiger Kommunikationssysteme die Übertragungssysteme an ihre physikalischen Grenzen bringen werden. Daher ist die Auswahl geeigneter Kabeltypen und -längen beziehungsweise Stecker ganz entscheidend.

Die von hochauflösenden Kameras und Hochleistungssensoren wie Radar oder Lidar erzeugten Daten sind im Fahrzeug über Entfernungen von mehreren Metern zu transportieren und in Echtzeit zu verarbeiten. Aus Sicherheitsgründen müssen die wichtigsten Systeme redundant sein, um im Notfall automatisierte Protokolle zu aktivieren, zum Beispiel um das Fahrzeug sicher zum Stehen zu bringen oder um bei Kameraausfall durch Steinschlag auf eine zweite Kamera zugreifen zu können.

Eine typische Ethernet-Verbindungsstrecke im Automobil. Links abgebildet ist eine unter Laborbedingungen ermittelte Kanalleistung mit einer großen Sicherheitstoleranz zwischen Kanaleigenschaften und Grenzwertkurve der Anwendung.

Bild 1: Eine typische Ethernet-Verbindungsstrecke im Automobil. Links abgebildet ist eine unter Laborbedingungen ermittelte Kanalleistung mit einer großen Sicherheitstoleranz zwischen Kanaleigenschaften und Grenzwertkurve der Anwendung. TE Connectivity

Dabei ist es nötig, die Bedürfnisse an unterschiedliche Netzwerktechnologien zu adressieren: Die zentralen Hochleistungscomputer der jeweiligen Domänen brauchen ein symmetrisches, robustes Netzwerk mit leistungsfähiger Backbone-Anschlusstechnik und nutzen hierfür Ethernet. Datenintensive Systeme wie Kameras oder Displays nutzen asymmetrische Verbindungsstrecken mit hoher Datenübertragungsgeschwindigkeit und zwar in der Regel hauptsächlich nur in eine Richtung. Sensoren und Aktuatoren mit geringeren Datenraten lassen sich mit etablierten Bus-Technologien wie CAN und LIN versorgen. Der Austausch zwischen all diesen unterschiedlichen Netzwerktechnologien und Protokollen erfolgt über Gateways. Sie spielen eine zentrale Rolle in zentralisierten Fahrzeugarchitekturen.

Flexible Architekturen mit Ethernet

Ethernet ermöglicht die Flexibilisierung komplexer Architekturen durch die Unterstützung sowohl von Bus-Systemen als auch von ECU-Mischformen. Dazu müssen die Verantwortlichen das Ethernet jedoch für die automobilen Anforderungen erweitern.

Die ersten für Gebäude entwickelten Ethernet-Kabel waren sehr dick, doppelt geschirmt, wenig flexibel und bestanden aus mehreren Adernpaaren. Mittlerweile gibt es für den automobilen Einsatz eine wesentlich leichtere und kostengünstigere Ethernet-Kabelvariante: die ungeschirmte verdrillte Paarleitung (Unshielded Twisted Pair/UTP). Für erhöhte Anforderungen an elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) sind auch geschirmte Leitungsvarianten (Shielded Twisted Pair/STP) verfügbar.

Die 100-BASE-T1-Ethernet-Technologie hat eine maximale Datenübertragungsrate von 100 Mbit/s. Für diese Technologie existiert mittlerweile ein Portfolio leistungsfähiger Steckverbinder zur Einbindung der ADAS-Systeme in das Netzwerk. Mittelfristig soll für noch mehr automatisierte Funktionalität und Sicherheit die Ethernet-Datenübertragungsleistung auf 1 Gbit/s (1000 Base-T1) steigen. TE bietet hierfür in Form der Mate-Net-Steckverbinder Lösungen mit verbesserten Kanaleigenschaften für diese schnellen Ethernet-Strecken. Langfristig sollen Datenraten von 2,5 Gbit/s, 5 Gbit/s und sogar 10 Gbit/s, jeweils vollduplex mit geschirmten einpaarigen STP Kabeln möglich sein. Kanalanalysen, die das Unternehmen als aktives Mitglied der an der Spezifikation der Standards 2,5, 5 und 10 GBASE-T1 für Multi-Gigabit-Ethernet-Übertragungsverfahren arbeitenden Arbeitsgruppe (IEEE 802.3ch) erstellt hat, begrenzen die Bandbreite bei dieser hohen Geschwindigkeit auf 4 GHz bezüglich Rückfluss- und Einfügedämpfung und auf 5,5 GHz bezüglich Kopplungsdämpfung.

Ser/Des für kostengünstige asymmetrische Anbindungen

Für hochauflösende Kameras und Displays kommen anstatt Ethernet auch asymmetrische Ser/Des-(Serializer/Deserializer)-Punkt-zu-Punkt-Verbindungen (Serializer-Chip auf der Senderseite, Deserializer-Chip auf der Empfängerseite) zum Einsatz. Damit lassen sich Datenraten von bis zu 6 Gbit/s auf einem einzelnen Koaxial- oder Differenzialkabel beziehungsweise bis zu 12 Gbit/s mit zwei kombinierten Kabeln übertragen. An einer Standardisierung von Ser/Des-Protokollen arbeiten die Verantwortlichen bereits. TE entwickelt miniaturisierte, modular einsetzbare Produkte für Shielded Twisted Pair, Unshielded Twisted Pair und koaxialen Übertragungsverfahren für Ser/Des-Anwendungen.

Aufgrund der asymmetrischen Verbindung ist bei Ser/Des die Datenübertragungsrate in die eine Richtung (downstream) erheblich schneller als in die Gegenrichtung (upstream). Das passt gut für Kameras, die zwar riesige Datenmengen erzeugen, jedoch nur geringe Datenmengen zur Steuerung empfangen, beziehungsweise für Displays, bei denen die Datenmengenverhältnisse genau umgekehrt sind. Die asymmetrische Funktion reduziert strukturelle Komplexität, hat geringere Anforderungen an die Rückflussdämpfung und ist kostengünstig. Daher ist davon auszugehen, dass sich Ser/Des neben Ethernet in künftigen Architekturen etablieren kann.

Einfluss von Chip- und Kanalkomplexität auf die Datenrate

Um Chipgröße, -kosten und -stromverbrauch zu reduzieren, lassen sich hohe Datenraten nur mit breitbandigen Kanälen mit geringer Dämpfung und einem glatten Frequenzgang über eine große Bandbreite realisieren. Allerdings haben Kanäle häufig begrenzte Frequenzbandbreiten oder einen nicht linearen Frequenzgang beziehungsweise die Komponenten im Kanal erzeugen starke Echos. Dann ist zur Sicherstellung von hohen Datenraten eine komplexere Chiplösung nötig.

Dies erfordert eine Abwägung zwischen dem chip- und dem kanalseitigen Aufwand, sowohl in technischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht. TE hat eine Kanalkapazitäts-Analyse für automobile Topologien mit zu überwindenden Datenstreckenlängen von 10 bis 15 m, EMV-Anforderungen und IC-Implementierung erstellt, um die maximal möglichen Datenraten auf verfügbaren automobilen Kanälen zu ermitteln.

Die Studie untersuchte ausschließlich Basisbandverfahren mit typischen automobilen STP-Kabeln. Hier die Ergebnisse als Diagramm dargestellt.

Bild 2: Die Studie untersuchte ausschließlich Basisbandverfahren mit typischen automobilen STP-Kabeln. Hier die Ergebnisse als Diagramm dargestellt. TE Connectivity

Entscheidend für die sichere Funktionalität von ADAS-Systemen sind Leistung und Zuverlässigkeit der Verbindungsstrecken zu Kameras und Sensoren. Dabei bringen die enormen Datenmengen sowohl die Verbindungsstrecken als auch die Chip-Implementierung immer häufiger an ihre physikalischen Grenzen. Dies hat Folgen für die Auswahl der verwendbaren Komponenten: Sie müssen eine hohe Robustheit und verlässliche Toleranzen aufweisen (Bild 1).

Studie: Grenzen von Kabelbandbreite und Kabellänge

Im Rahmen einer Studie hat TE die höchsten mit etablierten Automobiltechnologien erzielbaren Datenraten analysiert. In einem iterativen Verfahren wurde die Funktion der Sendeleistung durch Verteilung der verfügbaren Signalstärke bestimmt, bis diese das Rauschen übersteigt. Als weitere Systemeinschränkung haben die Prüfer eine EMV-Emissionsmaske hinzugefügt, um die automobilen EMV-Anforderungen zu berücksichtigen. Die maximal erreichbare Signalleistung ist abhängig von der maximalen Versorgungsspannung und der Kanalimpedanz. Beim Design ist ein zusätzlicher Sicherheitspuffer für Duplex-Betrieb einzuplanen, damit die Überlagerung von Downstream- und Upstream-Signal die Versorgungsspannung nicht übersteigt.

In einem Kupferkabel lassen sich die maximal nutzbare Frequenz und erreichbare Bitrate nicht nur von der verfügbaren Transmitterleistung und der Signaldämpfung des Kabels selbst bestimmen, sondern auch von der Länge der Verbindungsstrecke. In einem bis zu 10 m langen Automotive-Kabel mit einem Leiterquerschnitt von 0,14 mm2 sind mit konservativ angenommenen Randparametern für Rausch- und Störleistungen im Simplex-Betrieb 10 Gbit/s möglich. Für Duplex-Betrieb oder längerer Verbindungsstrecken bis zu 15 m sind Kabel mit geringerer Dämpfung erforderlich. Die maximal nutzbare Frequenz überstieg in den untersuchten Fällen 4 bis 8 GHz nicht. Insbesondere bei begrenzten Bandbreiten ist Multilevel-Amplitudenmodulation erforderlich, um trotzdem hinreichend hohe Datenraten erreichen zu können. Höhere Bitraten bis zu 20 Gbit/s sind bei geringerer Kabellänge möglich. Kürzere Kanäle würden dann auch die Nutzung weniger komplexer Chipsätze, PAM-2 Modulation und Bitraten von 10 bis 12 Gbit/s erlauben.

Begrenzend auf die Steckverbinderleistung wirkt die Rückflussdämpfung. Die Bitrate im Duplex-Betrieb sinkt erheblich, wenn die Echos zu hoch sind. Die TE-Simulationen legen nahe, dass für die geforderte Bandbreite Steckverbinder mit einer hohen Rückflussdämpfung nötig sind. Im Simplex-Betrieb darf die Rückflussdämpfung auch niedriger sein. Diese Lösung ist interessant für 2-Lane-Anwendungen, bei denen die Übertragung von Upstream- und Downstream-Daten physisch getrennt erfolgt. Dies ermöglicht zudem den Einsatz kostengünstigerer PHY-Chipsätze.

In diesen Einsatzszenarien müssen die Steckverbinder mehrere physische Verbindungen pro Kanal unterstützen. Die Studie hat außerdem eine starke Abhängigkeit der erreichbaren Bitraten von den EMV-Anforderungen aufgezeigt. Dazu sind vollgeschirmte Kabel und Steckverbinder mit einer Kopplungsdämpfung von 60 dB oder mehr nötig.

Die Studie untersuchte ausschließlich Basisbandverfahren mit typischen automobilen STP-Kabeln (Bild 2). Koaxialkabel können bei gleichem Durchmesser eine deutlich geringere Einfügedämpfung aufweisen. Je nach EMV-Design der Steuergeräte, Erdungskonzept und Systemkosten können durchaus auch beide Alternativen gemeinsam zum Einsatz kommen. Für die sonstigen Randparameter wie zum Beispiel Grundrauschen der Empfängerschaltung und Leistung der EMV-Störgrößen wurden konservative Werte angenommen, um einem robusten Systemansatz Rechnung zu tragen.

 

 

Bert Bergner

Product Development bei TE Connectivity

(aok)

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