Der Weg vom Prototypen zum Serienprodukt ist beim automatisierten Fahren besonders steinig.

Bild 2: Der Weg vom Prototypen zum Serienprodukt ist beim automatisierten Fahren besonders steinig. (Bild: KPIT)

Trotz großer Hoffnungen und hohen Erwartungen sind vollständig autonome und selbstfahrende Fahrzeuge immer noch ein Zukunftstraum. In den letzten Jahren haben Unternehmen wie Tesla, Waymo, BMW, Mercedes, Toyota und andere daran gearbeitet, den Traum des autonomen Fahrens Wirklichkeit werden zu lassen. Keiner hat jedoch bisher ein vollautonomes Fahrzeug auf den Markt gebracht. Derzeit weisen die hochautomatisierten Funktionen bei allen diesen Global Playern unterschiedliche Reifegrade auf. Und obwohl Prototypen von L3- und L4-Fahrzeugen an verschiedenen geografischen Standorten gezeigt wurden, werden konkrete Produktionsdaten immer weiter in die Zukunft verschoben. Das liegt aber nicht daran, dass die Unternehmen nicht genug investiert haben. Vielmehr liegt die zentrale Herausforderung in der Komplexität, diese Prototypen auf Produktionsmodelle umzustellen.

Der schwierige Übergang vom Prototyp zur Produktion

Die vielschichtigen Schwierigkeiten, die hochautomatisierte Fahrzeugsysteme mit sich bringen, sind komplexer als bei irgend einem anderen elektronischen System, da es sich bei Fahrzeugsystemen auch um eine Sicherheitsanwendung handelt. Außerdem wurde bei elektronischen Produkten in Fahrzeugen der Weg vom Prototyp zur Produktion im Laufe mehrerer Jahrzehnte standardisiert. Dieser Weg aber hat beim autonomen Fahren gerade erst begonnen und ist noch voller neuer und unbekannter Faktoren. Auch sollte nicht vergessen werden, dass sich ein hoher Software-Reifegrad nur durch rigorose Überprüfung und Validierung der Produktionsprogramme aller in einem Fahrzeug enthaltenen elektronischen Systeme erzielen lässt. Dies macht die mit dem autonomen Fahren verbundenen unbekannten Faktoren zu einer noch gewaltigeren Herausforderung. Dabei gibt es mehrere zentrale Faktoren, die zur Komplexität in der Produktion beitragen (Bild 1).

Bild 1: Faktoren, die zur Komplexität (nicht nur) von automatisierten Fahrzeugen in der Produktion beitragen.

Bild 1: Faktoren, die zur Komplexität (nicht nur) von automatisierten Fahrzeugen in der Produktion beitragen. KPIT

Die mit den in Bild 1 genannten Faktoren verbundenen Komplexitäten sind äußerst hoch, da jeder der Faktoren durch die Produktionsprogramme zum ersten Mal definiert, präzisiert und überarbeitet wird. Auch ist zu berücksichtigen, dass die meisten erwähnten Faktoren zum ersten Mal hinsichtlich ihres Einsatzes im realen Leben erforscht werden.  So stellt sich die große Frage, welche Faktoren hierbei (besonders) wichtig sind.

Qualität und Reifegrad der Software

Die Sicherstellung einer einwandfreien Softwarequalität ist die Mindestanforderung jedes Produktionscodes. Im Allgemeinen werden Algorithmen und Funktionen entwickelt, um das Konzept im Prototypenstadium zu validieren. Da jedes Funktionsmerkmal des autonomen Fahrens eine Neuentwicklung darstellt, ist es auch unerlässlich, die Machbarkeit dieser Funktionen während des Prototypenbaus zu überprüfen. Sobald Konzept und Machbarkeit durch prototypische Umsetzung erreicht sind, beginnt das Software Refactoring, um den Code auf Produktionsreife hin weiterzuentwickeln. Softwarequalität wird erreicht durch Einhaltung von Standard-Codierungsrichtlinien, Sicherstellung der Testabdeckung, Einhaltung der vom Unternehmen definierten Formatierungs- und Namenskonventionen sowie durch manuelle Überprüfung der Code-Konformität in Bezug auf Designprinzipien und Architektur. Dies macht den Refactoring-Prozess zur komplexesten und zeitaufwendigsten Tätigkeit des ganzen Vorgangs.

Des Weiteren ermitteln die Beteiligten den Reifegrad der Software durch Vergleich der Leistungsfähigkeit der Funktionen im realen Test im Fahrzeug mit den von den OEMs in ihren Anforderungen spezifizierten Leistungswerten. Hinzu kommt, dass die OEMs unterschiedliche Spezifikationen für den Software-Reifegrad definieren. Auch unterscheidet sich die Definition des Software-Reifegrads für Kundenfunktionen bei den Leistungsmerkmalen der Ebenen L3, L3+ und L4. Daher bedingt das offensichtliche Fehlen einer gemeinsamen Definition von Reifegrad und einer gemeinsamen Methodik zur Validierung des Reifegrads eine noch höhere Prozesskomplexität in der Produktionsphase.

Eckdaten

Zweifellos bleibt die Komplexität der Produktionsprogramme wegen der sich stetig weiter entwickelnden Technologie und damit verbundenen unbekannten Faktoren sehr hoch. System- und Softwareintegratoren wie KPIT tragen jedoch mit ihren speziellen Erfahrungen und Fachkenntnissen dazu bei, dass der gesamte Vorgang weniger komplex wird, und sie beschleunigen den Entwicklungszyklus, um selbstfahrende Autos in einer nicht allzu fernen Zukunft Wirklichkeit werden zu lassen.

Integration und Optimierung von Software und Hardware

Rechnerplattformen für autonomes Fahren umfassen mehrere SOC-Multicore-Plattformen. In einer Hardware-Plattform für automatisiertes Fahren kommen mehrere spezialisierte SOCs zum Einsatz, wie etwa vision-spezifische SOCs, Sicherheits-SOCs, Multicore-SOCs, ASICs und andere SOCs. Jedes SOC verfügt über eine spezielle Softwaremethodik zur Erzielung der angestrebten Leistung. Verarbeitungsgeschwindigkeit und Speicherauslastung sind die kritischsten Faktoren für die Software-Hardware-Integration. Um die gewünschte Leistung auf der Rechnerplattform zu erreichen, wird der Code erneut refaktoriert und optimiert. Dies sorgt für zusätzliche Komplexität und eine weitere Verzögerung während der Produktionsphase.

Sicherstellung der Zuverlässigkeit: Sicherheit, Schutz und SOTIF

Das nächste Thema ist die Zuverlässigkeit, die wesentliche Voraussetzung für die Produktionsbereitschaft. Zuverlässigkeit umfasst Safety, Security und SOTIF (Sicherheit der vorgesehenen Funktion). Im Allgemeinen führen die Beteiligten parallel zur Prototypenentwicklung eine Sicherheitsanalyse durch. Dies ist eine technische Einschränkung, da die logische Architektur Voraussetzung ist, um eine Sicherheitsanalyse zu starten. Darüber hinaus erfolgen Sicherheitsaktivitäten parallel, da sich die Reife des Systems während der Implementierung des Prototyps weiterentwickelt. Weil diese beiden Aktivitäten parallel laufen, kommt es zu Änderungen an der Prototypensoftware aufgrund von Safety- und Security-Empfehlungen. Die Empfehlungen können zu tiefgreifenden Änderungen führen – und zwar sowohl auf der Design- als auch auf der Architekturebene. Die Safety- und Security-Implementierung, insbesondere die Bereitstellung der erforderlichen Dokumentation sowie die Prozess-Einhaltung bringt weitere Komplexitäten und Verzögerungen in der Produktionsphase mit sich.

Testabdeckung durch bedarfsgerechte Überprüfung

Der Weg vom Prototypen zum Serienprodukt ist beim automatisierten Fahren besonders steinig.

Bild 2: Der Weg vom Prototypen zum Serienprodukt ist beim automatisierten Fahren besonders steinig. KPIT

Modultests und bedarfsgerechte Überprüfung und Validierung sind der Schlüssel für produktionsreife Softwarequalität. Der Umfang dieser Prüfungen bestimmt über die Softwarequalität. Der Prüfumfang hängt vom Anwendungsbereich der Anforderungen und von deren Qualität ab. In der Prototypen-Entwicklungsphase des autonomen Fahrens werden Anforderungen weder systematisch noch gründlich erfasst, weil die Validierung des Konzepts im Mittelpunkt steht. Daher ergeben sich in dieser Phase weitere Komplexitäten im Zusammenhang mit der Entwicklung von Anforderungen im Rahmen des Systementwicklungsprozesses und der Methodik durch Reverse-Engineering. Des Weiteren erfolgt nach vollständiger Abdeckung der Anforderungen die Testabdeckung. Dabei handelt es sich um zusätzliche Aktivitäten, welche die Komplexität der Produktionsprogramme weiter erhöhen.

Virtuelle Simulation: Offener und geschlossener Regelkreis für Sensoren und Funktionen

Über 90 Prozent der Validierung von Sensoren und Funktionen beim autonomen Fahren erfolgt durch virtuelle Simulation. Die Sensorvalidierung geschieht mit Hilfe einer Reprocessing genannten datengestützten Open-Loop-Simulation. Auf ähnliche Weise erfolgt die Funktionsvalidierung mittels einer virtuellen datengestützten Closed-Loop-Simulation. Diese Simulationen umfassen mehrere unbekannte und undefinierte Methodiken, deren Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Darüber hinaus benötigt die Simulation eines großen Datenumfangs größere Investitionen sowie die Einrichtung einer Infrastruktur. Eine weitere Herausforderung bei der virtuellen Simulation ist die Sicherstellung der Genauigkeit einer simulationsbasierten Validierung. Dies erfordert Sensormodelle, Fahrzeugdynamikmodelle und Verkehrsmodelle mit höherer Wiedergabetreue.

Datengestützte Laufleistungsvalidierung

Beim autonomen Fahren wird der Validierungsumfang aus mehreren hundert Millionen Simulationsdurchläufen abgeleitet. Dies ist eine regulatorische Anforderung für ein sicherheitsorientiertes System. Eine Abdeckung von mehreren Millionen Kilometern zu erreichen, erfordert eine hochentwickelte Computerinfrastruktur, Hochgeschwindigkeitsnetzwerke, große Speicherkapazität sowie Tools zur Erleichterung der Simulation. Dies bezieht auch mehrere Ökosystempartner mit ein, die ihre Lösungen einbringen. Dieser Vorgang trägt ebenfalls zur erhöhten Komplexität des gesamten Produktionsprogramms bei.

Infrastruktur für datengestützte Entwicklung und Validierung: DevOps

Bild 3: Ein Integrationspartner bietet im Ökosystem des automatisierten Fahrens viele Vorteile.

Bild 3: Ein Integrationspartner bietet im Ökosystem viele Vorteile. KPIT

Weil die Infrastruktur einer der kritischsten Faktoren eines Produktionsprogramms für autonomes Fahren ist, hat sie sowohl für die Entwicklung als auch für die Validierung eine ganz entscheidende Bedeutung. Somit werden die DevOps-Umgebungen zur Gewährleistung kontinuierlicher Integration (CI) für viele Produktionsprogramme zum kritischen Faktor.  Diese Infrastruktur erfordert eine optimierte Architektur zur bestmöglichen Nutzung von sowohl lokalen als auch Cloud-Technologien mit der neuesten Speicher- und Netzwerkinfrastruktur. Dies bringt große Investitionen mit sich und ist auf dem Weg zur Produktion von entscheidender Bedeutung.

Datenerhebung, Datenmanagement und Data Engineering

Nur mit Hilfe der datengestützten Validierung durch Simulation lässt sich die Validierung eines autonomen Fahrsystems und der zugehörigen Software durchführen. Die länderübergreifende Datenerhebung ist eine der aktuell durchgeführten kritischen Tätigkeiten; sie ist sehr teuer und erfordert eine hohe Präzision.  Um die Daten für ein optimales Ergebnis zu strukturieren und zu bündeln sind verschiedene Engineering-Aktivitäten erforderlich. Nach Erfassung der Daten spielen Speicherung und Datenmanagement eine zentrale Rolle für die Bereitstellung des gewünschten Entwicklungs- und Validierungsergebnisses. Zahlreiche Technologien und Methodiken finden dabei Anwendung, zum Beispiel Annotation, Hadoop-Ökosystem, Datenmanagement etc. Diese Möglichkeiten sind von der Automobiltechnik-Community noch gründlich zu untersuchen, wodurch eine weitere Komplexitätsebene im Umgang mit Unwägbarkeiten hinzugefügt wird.

Flexibilität und Know-how in Produktionsprogramme einbringen

Weil die OEMs beginnen, eigene Software für das autonome Fahren zu entwickeln, durchläuft die Automobilindustrie einen Paradigmenwechsel. KPIT dient hierbei als Integrator und entwickelt das autonome System im Rahmen einer Ökosystem-Partnerschaft. Bild 4 zeigt ein typisches Szenario, wie eine Ökosystem-Partnerschaft bei den meisten OEMs mit eigenen autonomen Fahrprogrammen aussehen kann.

Bild 4: KPIT als Integrationspartner im Ökosystem

Bild 4: KPIT als Integrationspartner im Ökosystem KPIT

KPIT spielt bei dem in Bild 4 dargelegten Szenario eine Schlüsselrolle als Systemintegrator in der Ökosystem-Partnerschaft, KPIT bringt skalierbare Ingenieurleistungen sowie bereits entwickelte Software-Komponenten mit ein, um die Entwicklungsarbeiten zu beschleunigen. Die Leistungsangebote wie Software-Refactoring, Modultests, Tools und Methodiken zur Software-Qualitätssicherung, integrierte Überprüfungs- und Validierungslösungen durch Simulation, Software-Integration und eingebundene Optimierung sorgen für das notwendige Kompetenzniveau zur Reduzierung der Komplexität und Risiken.

Zudem verfügt KPIT über jahrelange Erfahrungen in den Bereichen Systementwicklung Safety and Security, um eine durchgängige Wertschöpfung für Produktionsprogramme vom Konzept bis zur Produktion zu ermöglichen, und auch bei Themen wie virtuelle Simulation und Big Data spielt KPIT eine führende Rolle. Mehrere einzigartige Tools mit hohem Automatisierungsgrad gewährleisten eine enorme Kapazität für die virtuelle Simulation und Validierung. Diese Tools sorgen für eine Verbesserung der Produktivität um mehr als 30 Prozent sowie für eine Erhöhung der Geschwindigkeit und Agilität bei der Durchführung der Validierung um über 40 Prozent. Mit Hilfe seines Partnernetzwerks ist KPIT in der Lage, auch End-to-End-Validierungslösungen anzubieten.

Dr. Manaswini Rath

(Bild: KPIT)
Vice President and Global Head Autonomous Driving bei KPIT Technologies

(av)

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

KPIT Technologies GmbH

Frankfurter Ring 105b
80807 München
Germany