Früher haben viele Autohersteller ihre Standardsoftware entwickelt oder bei einem Softwarehaus eingekauft und sie dann mit ihren Modifikationen versehen. Autosar 4.0 ermöglicht erstmals den Verzicht auf herstellerspezifische Anpassungen an der Software – und bietet damit alle Vorteile eines echten Standards. So können OEMs die Vorzüge eines offenen Marktes nutzen. Die meisten erlauben ihren Zulieferern nun, Standardsoftware beim Hersteller ihrer Wahl zu beziehen. Die Tier1-Zulieferer können standardisierte Autosar-Software zentral einkaufen und diese dann plattform- und sogar herstellerübergreifend einsetzen. Nicht zuletzt profitieren Steuergeräte-Zulieferer auch von einem jeweils geringeren Entwicklungsaufwand für die Anpassung ihrer Applikationssoftware auf neue Steuergerätehardware und andere Basissoftware.
Funktionale Sicherheit
Eine große Neuerung von Autosar 4.0 betrifft die Norm ISO 26262, die für die Automobilindustrie relevante Entwicklungsprozesse der funktionalen Sicherheit standardisiert. Neue Features wie beispielsweise Memory Partitioning (Speicher-Partitionierung) oder Communication Protection (Schutz der Kommunikation) ermöglichen es, dieser Norm Rechnung zu tragen.
Das Konzept der Speicher-Partitionierung hilft beim Einsatz von sicherheitskritischer und nicht-sicherheitskritischer Anwendungssoftware auf ein und demselben Steuergerät, denn um die Anzahl der Steuergeräte im Fahrzeug zu reduzieren, möchten die Hersteller viele unterschiedliche Software-Komponenten in einem Steuergerät integrieren und Multicore-Prozessoren einsetzen. Sind die Software-Komponenten aber unterschiedlich sicherheitsrelevant und haben daher unterschiedliche ASIL-Level (ASIL: Automotive Safety Integrity Level), so schreibt der Standard ISO/DIS 262626 vor, dass für alle Komponenten der höchste dieser ASIL-Level gilt. Das würde zu hohen Aufwänden und Kosten in der Entwicklung führen.
Die Speicher-Partitionierung ist ein entscheidender Baustein, diese Entwicklungsaufwände zu reduzieren. Die abgetrennten Speicherbereiche tragen auch dazu bei, dass sich Fehler nicht beliebig fortpflanzen können. Schließlich ist die Partitionierung erforderlich, um Funktionen auf mehrere Prozessorenkerne innerhalb eines Steuergerätes aufzuteilen. Um die Zuverlässigkeit der Kommunikation zwischen Software-Komponenten sicherzustellen, bietet das neue Autosar-Release zudem eine End-to-End-Protection (e2e protection libraries). Diese entdeckt software- sowie hardwareseitige Fehler. Zu den gebotenen Schutzmechanismen zählt beispielsweise die Möglichkeit, Signalen eine Seriennummer oder eine Checksumme für eine zyklische Redundanzprüfung (CRC) zuzuweisen.
Multicore-Unterstützung
Die Unterstützung von Multicore-Steuergeräte-Architekturen ist ein wichtiger Bestandteil der neuen Autosar-Version. Auf den verschiedenen Prozessorkernen lässt sich unabhängig voneinander unterschiedlicher Programmcode verarbeiten (Parallel-Processing). Diese zusätzliche Rechenleistung wird zum Beispiel für Domänen-Steuergeräte benötigt, welche die Funktionalitäten für eine gesamte Fahrzeug-Domäne beherbergen, beispielsweise Chassis oder Powertrain. Außerdem versprechen Multicore-Architekturen eine höhere Energieeffizienz im Vergleich zu Single-Core-Lösungen.
Partial Networking
Mit dem neu eingeführten Teilnetzbetrieb (Partial Networking) ist es möglich, nur die Steuergeräte zu betreiben, die in der aktuellen Situation erforderlich sind. Steuergeräte hingegen, die aktuell nicht in Betrieb sind, lassen sich damit selektiv in einen Stromsparmodus versetzen, ohne dabei das gesamte Netzwerk abschalten zu müssen. Damit besteht die Möglichkeit, den Stromverbrauch sowie CO²-Emissionen, Benzinkonsum, Verkabelungsaufwand und Kosten zu senken, was insbesondere für Fahrzeuge mit Elektro- und Hybridantrieb interessant ist, da der Teilnetzbetrieb einen erheblichen Beitrag leisten kann, um die Reichweite zu erhöhen und die Ladezeiten zu verkürzen.
Ethernet-Unterstützung
Die letzte große Neuerung betrifft die Aufnahme von Kommunikationsprotokollen wie XCP und TCP/IP (Ethernet) in die Spezifikation der Version 4.0 des Autosar-Standards. Der hohe Datendurchsatz der Breitbandschnittstelle im Vergleich zu CAN, Lin und FlexRay macht Ethernet für die Fahrzeugdiagnose sowie für die Update-Programmierung interessant – und zwar sowohl am Band als auch in der Fachwerkstatt. Neben der Fahrzeugdiagnose kommt die Kommunikation per Ethernet auch im Infotainment zum Einsatz, beispielsweise für den Datenaustausch der Headunit mit der Unterhaltungselektronik im Fond. Auch Fahrerassistenzsysteme werden profitieren, so sollen beispielsweise Kamerasysteme per Ethernet angeschlossen werden. Einige Entwicklungsabteilungen arbeiten sogar bereits am Einsatz von Ethernet als Backbone-Bus.
Autosar auf der Straße
Einige Fahrzeughersteller wie BMW und Volvo haben die strategische Entscheidung getroffen, in künftigen Serienprojekten vollständig Autosar-4.0-kompatible Software einzusetzen. Auch Ford und General Motors haben im letzten Jahr angekündigt, 2015 mit Autosar 4.0 in Serie gehen zu wollen. Im Jahr darauf wollen PSA Peugeot Citroën folgen.
Das erste Fahrzeug, das 2014 mit Autosar-4.0-basierter Software vom Band rollt, wird voraussichtlich ein Volvo sein. Der Autobauer setzt in den kommenden Modellen seiner Ende 2011 vorgestellten Plattform-Architektur SPA (Scalable Platform Architecture) auch auf den neuen Software-Standard. Das Ziel ist ehrgeizig und der Zeitplan straff. So sind die Lieferanten aufgefordert, bis Mitte des Jahres ihre Steuergeräte-Prototypen abzuliefern. Bemerkenswert ist, dass Volvo im neuen Basissoftware-Stack keinerlei Legacy-Software-Module übernimmt.
Bei BMW wird die neue 7er-Serie den Autosar-4-Rollout eröffnen. Danach soll Autosar 4.0 sukzessive in allen Modellen der Produktlinie 35up (alle 3er, 5er und höherwertige Fahrzeuge) zum Einsatz kommen. Im Falle BMWs bedeutet das eine einzige standardisierte „off-the-shelf“ Software-Architektur für alle elektronischen Steuergeräte und eine einzige E/E-Architektur für über eine Million Fahrzeuge.
EB und Autosar 4.0
EB arbeitet seit 16 Jahren erfolgreich mit BMW und ist Referenzpartner bei der Implementierung von Autosar 4.0. Bereits Ende letzten Jahres hat EB das erste standardkonforme Software-Entwicklungs-Toolset für Autosar 4.0 an Automobilhersteller und -zulieferer ausgeliefert. Dieses Toolset besteht aus der Basissoftware EB tresos AutoCore sowie der Konfigurationsumgebung EB tresos Studio. Derzeit arbeitet BMW gemeinsam mit EB an einem „Proof of Concept“ für Ethernet und Partial Networking, das als Richtlinie für Zulieferer dienen soll. Diese werden ihre ersten Versionen von Steuergeräten auf Basis von Autosar 4.0 noch in diesem Jahr an BMW liefern.
Die Roll-out Pläne der Autosar-Partner zeigen, dass in den kommenden Jahren die Releases 3.x und 4.0 koexistieren werden. Zu den Herstellern, die 2013 mit Autosar in der Version 3.2 in Serie gehen wollen, gehören Volkswagen, Audi und Daimler.
Autosar 4.0
… kommt wohl schon 2014 auf die Straße – und zwar voraussichtlich in einem Volvo, während Autosar 3.2 höchstwahrscheinlich schon 2013 in Fahrzeugen der Hersteller Audi, Daimler und Volkswagen bei den Händlern stehen wird. Die passenden Tools machen’s möglich.
Wichtigstes neues Feature in der Release 3.2 wird der Teilnetzbetrieb (Partial Networking) sein, der auch in Autosar 4.0 enthalten ist. Angedacht ist auch ein Backport, der wichtige Functional-Safety-Mechanismen aus Autosar 4.0 enthält. Im Sommer bietet EB diesen Automobilherstellern und ihren Zulieferern auch Autosar-3.2-kompatible Basissoftware und Werkzeuge an – und zwar mit der integrierten Produktfamilie EB tresos. Das bedeutet für Zulieferer, dass sie sechs Autobauer mit zwei verschiedenen Autosar-Versionen in einer einzigen standardisierten Lösung beliefern können.
Die EB-Lösung ermöglicht erstmals auch Release-3.2-konforme Software Components (SWC) oberhalb der Laufzeitumgebung (RTE) zu integrieren und auszuführen, zusätzlich zur Unterstützung von Autosar 4.0 und 3.1. Entsprechend liest auch das EB-Tooling (EB tresos Studio) System-Descriptions und Software-Component-Descriptions nach Autosar 3.2 ein.
Abschließend kann man sagen, dass Autosar 4 sich schnell bei OEMs und Zulieferern durchsetzt und hervorragend angenommen wird. So hat sich zum Beispiel ein großer französischer Zulieferer bereits kurz nach EBs Vorstellung einer lauffähigen Software und des zugehörigen Toolsets entschieden, auf die Autosar-Version 4.0 umzusteigen und die Software firmenweit einzukaufen sowie auszurollen.
Dipl-Ing. Florian Wandling und Dr. Roman Pallierer
(av)