Ein Ziel bei der Abstimmung von Komponenten besteht darin, möglichst exakt zu messen, welche Leistung ein Motor bringt, welches Drehmoment beim Lenken anliegt oder welche Kräfte beim Bremsen wirken. Allerdings steht an den entsprechenden Komponenten, etwa im Getriebe, in der Regel sehr wenig Bauraum zur Verfügung, um einen Sensor platzieren zu können. Hinzu kommt, dass ein Sensor sehr widerstandsfähig sein muss, um auch unter schwierigen Bedingungen wie Hitze, Öl und Staub sowie bei hohen Drehzahlen und Vibrationen einsatzfähig zu sein und die volle Leistung zu bringen.
Drehmomentsensoren
NCTE hat für derartige Anwendungen spezielle Drehmomentsensoren und Lastmessbolzen entwickelt, die wesentliche Daten für Analysen liefern. Die Lösung heißt „Magnetostriktion“. Dabei werden bestimmte Komponenten, wie zum Beispiel die Getriebeeingangs- oder die Antriebswelle, magnetisiert. Die Veränderung des Magnetfeldes verläuft linear zum einwirkenden Drehmoment.
Absolut berührungsfreie Messung auf Basis von Magnetostriktion
Die von NCTE entwickelte PCME-Sensortechnologie (Puls Current Modulated Encoding) basiert auf Magnetostriktion und ermöglicht erstmals die absolut berührungsfreie Messung von mechanischen Kräften in Echtzeit. Bei dem patentierten Verfahren wird die Welle einmalig mit einem speziellen Puls-Frequenzmuster kodiert.
In ihr entsteht ein in sich geschlossenes, dauerhaft gespeichertes Magnetmuster, ohne dabei die mechanischen Eigenschaften des Bauteils zu verändern. Die Welle selbst wird Teil des Sensors. Diese Entwicklung macht den Drehmomentsensor unempfindlich gegenüber Umweltbedingungen, er kann problemlos und langzeitstabil in allen Umgebungen zum Einsatz kommen. Die Elektronik wandelt die Magnetfeldveränderungen der Welle schließlich in sichtbare und damit nutzbare elektrische Signale um.
Der Vorteil der Technologie: Es sind keine mechanischen Veränderungen der Struktur des Messobjekts, kein Überzug und keine mechanische Oberflächenbehandlung notwendig. Da PCME-Sensoren nicht verklebt werden, sind sie in ihren Messergebnissen wenig anfällig gegenüber Störfaktoren. Das Signal kann berührungslos in einem Abstand von bis zu einem Millimeter gemessen werden. Dabei ist es egal, ob das Messobjekt statisch ist, mit beliebiger Drehzahl rotiert, oder sogar taumelt oder axial versetzt wird.
Primärsensor
NCTE hat ein Verfahren entwickelt, mit dessen Hilfe die magnetische Domäne in einem Bereich einer ferromagnetischen Welle derart ausgerichtet werden kann, dass unter der Wellenoberfläche ein Magnetfeld mit einzigartigen und nutzbaren Eigenschaften entsteht. Die Besonderheit des Verfahrens ist die Tatsache, dass im Rahmen der Magnetisierung werden keine Magnete zum Einsatz kommen. NCTE arbeitet mit einem speziellen Stromimpuls-Verfahren, welches die magnetische Domäne in die gewünschte Richtung bringt. Hierzu wird der Teilbereich der Welle, der als Sensor dienen soll, mit selbst gebauten und meist applikationsspezifisch angepassten Werkzeugen kontaktiert. Danach werden hohe Ströme in bestimmten Frequenzmustern über die Kontakte der Werkzeuge in die Welle geleitet. Der Prozess durchläuft mehrere, sich gegebenenfalls wiederholende Stufen bis das erzeugte Magnetfeld die gewünschte Ausrichtung hat und die festgelegten Genauigkeitsanforderungen erfüllt.
Um sich später durch Differentialmessung gegen externe Magnetfelder schützen zu können, werden zwei Magnetfelder in zwei gegenläufigen Richtungen erzeugt. Da der magnetisch codierte Bereich relevant für das Messergebnis ist und damit integraler Bes-tandteil des Sensorsystems, trägt er die Bezeichnung „Primärsensor“.
Sekundärsensor
Durch die auf die Welle einwirkende Kraft oder durch das anliegende Drehmoment entstehen proportionale Lageverschiebungen, die hochauflösender Magnetfeld-Spulen in einer Entfernung von bis zu drei Millimetern Abstand zur Welle detektieren.
Aus Gründen der Differentialmessung handelt es sich mindestens um ein Spulen-Paar, wobei jede Spule eines Spulenpaars jeweils eines der Magnetfelder unterschiedlicher Richtung detektiert. Je höher die Genauigkeitsanforderungen sind, desto mehr Spulenpaare (in der Regel bis zu vier) befinden sich dabei um den codierten Bereich der Welle.
Die Spulen werden auf Spulen-Boards in einen Spulenhalter vergossen und somit in fester Position zur Welle gehalten. Bei möglichen externen magnetischen Störfeldern wird der Spulenhalter zusätzlich in ein Gehäusebauteil eingebaut, welches – über den Differentialmodus hinaus – als zusätzliche Abschirmung dient. Magnetfeldspulen, Spulenhalter und Abschirmung bilden eine Einheit und tragen gemeinsam die Bezeichnung „Sekundärsensor“.
Einsatz im PKW
Im PKW bieten sich für den Sensor verschiedene Einsatzmöglichkeiten. Eingebaut im Getriebe lässt sich das anliegende Drehmoment und damit die Motorleistung messen. Bei Automatikgetrieben kann mit Hilfe dieser Daten der optimale Schaltzeitpunkt ermittelt und somit Kraftstoff eingespart werden.
Das umstrittene Chip-Tuning, bei dem eine nachträgliche Änderung der Steuerparameter der elektronischen Steuerung die Leistung des Motors steigern soll, wird durch eine Messung der Motorleistung ebenfalls hinfällig. Damit entfallen die negativen Folgen, die beim Chip-Tuning auftreten können, wie etwa eine geringere Lebensdauer des Motors, schlechtere Abgaswerte und ein höherer Verschleiß.
Auch in der Lenkung von Fahrzeugen kann der Sensor zum Einsatz kommen. Wird das Drehmoment, das der Fahrer beim Lenken aufbringt, genau gemessen, lässt sich exakt bestimmen, mit welcher Kraft die Servolenkung die Lenkbewegung zusätzlich unterstützen muss.
Bei Bremsen besteht über eingesetzte Lastmessbolzen die Möglichkeit, die Bremskräfte genau zu bestimmen. Dafür verfügen die Bolzen, die den Bremssattel halten, über Sensoren, welche die Scherkraft messen.
Einsatz bei der Fahrzeugerprobung
Die Fahrzeugerprobung ist ein weiteres Einsatzgebiet für den Drehmomentsensor. So kann der Sensor etwa das Drehmoment messen, das an Antriebswellen und Differenzialen anliegt. Auch die Antriebsleistung von Elektro- oder Verbrennungsmotoren lässt sich durch den Sensor bestimmen. Zudem besteht beim Getriebe die Möglichkeit, Drehmomente zu erfassen, die durch Nebenaggregate abgezweigt werden.
Beim Fahrwerkstest können die Schrauben, mit denen der Stoßdämpfer befestigt ist, durch Lastmessbolzen ersetzt werden, die anschließend die auftretenden Kräfte messen.
Bei Cabrio-Verdecken, die ein Öffnen oder Schließen während des Fahrens gestatten, lässt sich exakt feststellen, welche Kräfte beim Öffnen und Schließen im Verdeckgestänge entstehen, indem die Verdeckgelenkschrauben durch Lastmessbolzen ersetzt werden.
Einsatz im Motorsport
Auch in verschiedenen Motorsportbereichen wie Formel 1, Formel 3, Deutsche Tourenwagen-Masters, Le Mans 24 Hours, Drag Racing, Rally, Formula Student und Gokart kommt der berührungslose Drehmomentsensor erfolgreich zum Einsatz.
So kann beispielsweise der fünffache Dragracing-Weltmeister Ian King seine Maschine durch die exakten Messdaten, die ihm der Sensor liefert, besser auf das nächste Rennen einstellen und nach dem Rennen analysieren, wo noch Optimierungsbedarf besteht. Dafür fährt sein Dragracer mit einer Welle, die in ihrem Inneren hohl ist. Die Welle wird magnetisiert, anschließend wird der Sensor, der etwa eine Länge von zehn Zentimetern sowie einen Durchmesser von zehn Millimetern aufweist, in die Welle hineingeschoben. Die Messung erfolgt somit direkt am Getriebeausgang mitten in der Welle, die sich rasant bewegt und die zudem Biegekräften ausgesetzt ist.
Auch in der Formel 1 kommt der Sensor, der unempfindlich gegenüber Vibrationen und hohen Temperaturen ist, zum Einsatz. Eingebaut am Getriebeeingang eines Formel-1-Rennwagens misst er die Motorleistung und zeigt an, wann der richtige Moment zum Schalten besteht. Damit gehört der Sensor zu den wertvollsten Analyseinstrumenten der Rennfahrer und Mechaniker, denn er unterstützt das Team, den Wagen noch besser an seine Leistungsgrenze heranzubringen.
(av)