Verkehr in Shanghai, Volksrepublik China

(Bild: eyetronic @ AdobeStock)

Der Bestand an elektrifizierten Fahrzeugen in China hat sich laut ZSW (Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung) im Jahr 2018 gegenüber dem Vorjahr auf zuletzt 2,6 Millionen Fahrzeuge nahezu verdoppelt. Das ist bei einem weltweiten Bestand von etwa 5,6 Millionen E-Fahrzeugen fast die Hälfte in einem einzigen Markt. Zum Vergleich: Der Bestand in den USA zum Ende des letzten Jahres betrug rund 1,1 Millionen. Damit trägt der laufende Fünf-Jahresplan der chinesischen Regierung bis zum Jahr 2021 Früchte. Er sieht konkrete Maßnahmen vor, die Elektrifizierung des Straßenverkehrs erheblich voranzutreiben.

Eckdaten

Der Markt für Elektrofahrzeuge wird in China wohl auch in Zukunft weiter wachsen. Das liegt auch daran, dass die Regierung verschiedene Maßnahmen zur Förderung der Elektrifizierung einführt. Besonders Fahrzeuge mit einer hohen Reichweite und somit einer großen Batterie werden gefördert. Diese allerdings möglichst schnell wieder aufzuladen, ist ein Problem. Die größte Herausforderung spielt dabei die Wärmeentwicklung.

Anders als in Westeuropa und speziell in Deutschland, wo die Zulassungszahlen mit zuletzt knapp 142.000 Elektroautos Ende 2018 noch klein waren, haben Bedenken wie die Reichweitenangst und die Batteriekosten in China nie den großen Einfluss gehabt wie hierzulande. Überhaupt muss sich der Westen vom langsamen Tempo der Elektrifizierung auf einen Wind des Wandels in China umstellen. Boomende Mega-Cities und ein zumindest bisher starkes Wirtschaftswachstum, bei dem ein Plus von „nur noch sieben Prozent“ bereits als nicht zufriedenstellend empfunden wird, treiben eine rasche Motorisierung voran. Gleichzeitig steigt die Luftverschmutzung. Zusammen mit einer ganz anderen inneren Einstellung gegenüber neuen Technologien verschieben sich diese Faktoren – von Bedenken hin zu Chancen von Strom als Antriebskraft.

Rund 1,26 Millionen neu zugelassene Elektroautos in China allein 2018 unterstreichen diesen Ansatz. Zwar führt Tesla diese Statistik der Neuzulassungen im vergangenen Jahr noch an, allerdings folgen direkt die chinesischen Marken BYD und BAIC BJEV. Nach Aussage des ZSW folgten BMW auf Rang 6 und VW auf Rang 9.

Elektrifizierung ist strategisch

Komponenten unerschiedlicher Art und Masse liegen entlang des Strompfads im EV.

Komponenten unerschiedlicher Art und Masse liegen entlang des Strompfads im EV. TE Connectivity

NEV (New Energy Vehicles), also Elektroautos, Hybride und Brennstoffzellenfahrzeuge, spielen in China eine strategische Rolle. Zum einen sollen sie helfen, die Luftqualität in den Ballungsräumen zu verbessern und den Ausstoß des Treibhausgases CO2 zu senken. Auch die Abhängigkeit von Ölimporten soll sich verringern. Zum anderen sieht China in der Technik des Elektroantriebs die Chance, zu einem weltweiten Vorreiter sowohl bei der Entwicklung als auch bei der internationalen Marktbedeutung zu werden. Anders als beim Verbrennungsmotor, bei dem die etablierten OEMs aus dem Westen Jahrzehnte an Vorsprung haben, starten die chinesischen OEMs beim Elektroantrieb von einer ähnlichen Position wie die Etablierten. Diese bessere Chance will China nutzen. Der Fünf-Jahresplan sah für das Jahr 2020 eine jährliche Produktion von zwei Millionen NEV vor. Angesichts der Zulassungszahlen allein bei Elektroautos dürfte China das wohl sogar noch überschreiten.

Reichweite und Miniaturisierung

Im Rahmen des seit diesem Jahr gültigen chinesischen Dual-Credit-Schemas „Cap and Trade“ muss ein steigender Anteil der jährlichen Fahrzeugproduktion „grün“ sein. So wird die Produktion von NEV von ganz allein steigen, denn vor allem Elektrofahrzeuge mit großen Reichweiten von über 300 km bringen einem OEM viele Credits. Falls ein OEM die Ziele nicht erreicht, muss er Credits von einem anderen Unternehmen kaufen. Mit den Credits für Elektroautos großer Reichweite beginnt ein Umsteuern hin zu höherwertigen und von Anfang an elektrisch ausgelegten Fahrzeugen. Die Betonung der Reichweite hat Konsequenzen bis hin zur Batteriekonstruktion. So spielt Miniaturisierung hier eine große Rolle, um auf wenig Raum viel Leistung speichern zu können. Miniaturisierte und extrem vibrationsbeständige Anschlusssysteme wie etwa die Nano-MQS-Familie von TE Connectivity sowie zahlreiche Anschlusslösungen für Batterie-Modulverbinder, bieten hierfür Lösungswege. Sie sind automobilspezifisch anwendungssicher, robust und kompakt.

Ein dynamischer Markt

Der chinesische Markt ist umkämpft. Aktuell dominieren heimische OEMs wie BYD und BAIC. Teilweise gehen sie auch Allianzen ein wie JAC mit Volkswagen. Aber die multinationalen OEMs investieren inzwischen stark in ihre eigenen Marken in China. Die Volkswagen-Gruppe allein plant Investitionen in Elektroautos in China von rund 91 Milliarden Dollar über die nächsten fünf bis zehn Jahre. Hinzu kommen lokale Startups. Hinter ihnen stehen teilweise Internetgiganten wie Tencent mit entsprechendem IT-Background, aber nur begrenztem Fahrzeugwissen.

Dieser Wettbewerb trifft auf einen Markt mit Käufern, die sehr offen für neue Technologien sind. Auch das Nutzerverhalten der Fahrer in den Mega-Cities unterscheidet sich. Chinesische EV-Fahrer pendeln häufig nur verhältnismäßig kurze Strecken zwischen Wohnung und Arbeit. Längere Strecken dagegen werden eher mit Bahn und Flugzeug zurückgelegt. Die Reichweite ist daher weniger ein Verkaufsargument. Auch die Sorge, keine Ladestation zu finden, ist weniger ausgeprägt, denn praktisch jedes Shopping-Center bietet Lademöglichkeiten. Dennoch liegt im Thema Laden eine große technische Herausforderung an elektromechanische Komponenten in Elektroautos.

Laternenparker als Herausforderung der Elektrifizierung in China

Die hohe Wärmeentwicklung beim HPC stellt die Entwickler vor große Herausforderungen.

Die hohe Wärmeentwicklung beim HPC stellt die Entwickler vor große Herausforderungen. TE Connectivity

Zwar gibt es viele Ladestationen in den chinesischen Städten, aber die Ladezeiten sind relativ lang, weil die AC-Ladeströme gering sind. Daher stehen die Fahrzeuge relativ lange an den Säulen. Je höher die Zahl an Elektroautos wird, desto kritischer wird dieses Phänomen. Hinzu kommt, dass es in Chinas Städten viele Fahrzeuge gibt, für die der Halter keinen eigenen Parkplatz hat. Diese „Laternenparker“ sind auf öffentlich zugängliche Lademöglichkeiten mit möglichst hohem Durchsatz angewiesen. Mit langsamem AC-Laden bei niedrigen Ladeströmen ist das bei steigender Fahrzeugzahl nicht zu machen. Das schnellere DC-Laden verbessert die Situation. Jedoch braucht ein großer Teil der Elektroautos noch schnellere Ladestationen mit Strömen von beispielsweise 400 – 600 Ampere oder sogar darüber, selbst wenn die Fahrzeuge dann nur kurze Strecken fahren. Mit derart hohen Ladeströmen lässt sich eine Fahrzeugbatterie in Minuten statt in Stunden aufladen.

Mit dieser Anforderung des Superschnellladens (High-Power Charging, HPC) entsteht in den Fahrzeugen ein völlig neues Lastprofil: In wenigen Minuten fließt so viel Strom in die Batterie, wie sie normalerweise in Stunden abgibt. Für alle betroffenen Komponenten ist das eine sehr hohe Dauerlast, weshalb die Hersteller sie neu auslegen und konzipieren müssen. Die Herausforderung stellt dabei die Wärmeentwicklung dar. Heutige Ladekabel für das DC-Laden mit bis zu 200 A haben bereits Querschnitte von 50 mm2 (Kupfer) und erinnern im Durchmesser an Tankschläuche. Sämtliche Kabel und alle Komponenten dahinter würden sich bei einem Mehrfachen an Strom unzulässig erhitzen. Deshalb ist es notwendig, das Kabel zu kühlen. Entsprechende Kabel sind in der Entwicklung und teilweise schon im Einsatz. Dennoch erzeugt der unvermeidliche elektrische Widerstand in allen leitenden Komponenten auch im Fahrzeug Wärme und diese Wärme will beherrscht sein. Verschärfend kommt hinzu, dass das Fahrzeug beim Laden steht und damit keine Konvektion zur Kühlung verfügbar ist. Hersteller solcher Ladesysteme müssen daher sämtliche elektrischen Komponenten eines Strompfades vom Kabel bis zur Batterie neu auslegen.

Systemische modellbasierte Simulation der Temperaturführung beim HPC

Bisherige Verfahren basieren auf gemittelten statischen Lastpunkten eines dynamischen Fahrstromprofils mit einem ausgeprägten Muster aus positiven und negativen Spitzenlasten. HPC dagegen bedeutet eine extreme Konstantlast für beispielsweise zehn Minuten. Die Komponenten entlang des Strompfades haben nicht nur eine sehr unterschiedliche Masse, sondern auch unterschiedliche Möglichkeiten zur Wärmeabfuhr. Für die korrekte Auslegung müssen Hersteller beispielsweise adiabatische Zustände entlang des Strompfades erkennen und in ihrer Wirkung einschätzen. Wo entsteht ein adiabatischer Zustand? Wie lange ist er tolerierbar, ohne die Funktion des Systems über die Lebensdauer zu beeinträchtigen? Es gilt zu vermeiden, dass eine einzelne Komponente einen kritischen Wärmestau verursacht. Mit den bisherigen Methoden der Auslegung sind diese Antworten nicht ohne weiteres zu gewinnen, weshalb eine neue, sichere und wirtschaftliche Auslegungsmethode für das HPC notwendig ist.

Die Steckverbindersysteme der HVA630-Serie von TE Connectivity für Schwach- und Mittelstrom bieten erweiterten Hochvoltschutz für Bordladesysteme.

Die Steckverbindersysteme der HVA630-Serie von TE Connectivity für Schwach- und Mittelstrom bieten erweiterten Hochvoltschutz für Bordladesysteme. TE Connectivity

TE Connectivity hat im Verbund mit anderen Firmen für diese Aufgabenstellung ein modellbasiertes Simulationsverfahren entwickelt. Es eignet sich sowohl zur Simulation einzelner Komponenten wie auch zur dynamischen Simulation des gesamten Strompfades. Dabei lassen sich Produkte unterschiedlicher Hersteller einbinden, sodass es die gesamte Entwicklungskette vom OEM bis zu Tier 1 und Tier 2 abdeckt.

Produkte und Architektur

Eine weitere Herausforderung des chinesischen Marktes liegt in den NEV-Startups. Ihr branchenfremder technischer Hintergrund verlangt von Lieferanten ein weit höheres Maß an Know-how etwa über E/E-Architekturen und speziell die physikalische Schicht als Rückgrat der Energieversorgung und Datenübertragung im Fahrzeug unter automobilspezifischen Rahmenbedingungen. So arbeitet TE Connectivity beispielsweise mit lokalen Startups bereits früh in der Entwicklung und Auslegung von elektromechanischen Komponenten für EV zusammen. Korrekt ausgelegte Elektromechanik entlang des gesamten Strompfades sind ein Erfolgsfaktor für die Gebrauchstauglichkeit von NEV und damit ein wesentlicher Faktor für den Erfolg der Elektrifizierung im wichtigsten automobilen Weltmarkt.

Eric Küppers

Präsident Global Automotive Business Unit bei TE Connectivity

(prm)

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