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Projekte haben heute vermehrt dynamische Ziele sowie unsichere Anforderungen und Rahmenbedingungen. In der Praxis begegnet man immer häufiger unvollständigen Kundenanforderungen oder zusätzlich eingeschobenen Releases von Entwicklungsständen. Damit werden fundamentale Eingangsparameter einer Projektplanung zu Variablen, auf die das Projekt reagieren muss. Außerdem benötigen Kundenprojekte häufig Ergebnisse aus parallel laufenden Projekten, zum Beispiel einer Plattformentwicklung oder einem Innovationsprojekt. Kommen diese Ergebnisse später als geplant, so muss das Kundenprojekt darauf reagieren und Projektziele, Strukturen, Planung anpassen.

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Vector Consulting Services

Mit agilem Projektmanagement lassen sich veränderte Anforderungen und Rahmenbedingungen flexibel und dennoch verlässlich steuern. Deshalb ist der richtige Einsatz von agilem Projektmanagement zu einem entscheidenden Erfolgskriterium für Unternehmen geworden. Bei der nachhaltigen Umsetzung von Agilität geht es um harte Faktoren wie agile Projektmanagementtechniken, Auswahl agiler Methoden, Agilität in der Systementwicklung sowie bei sicherheitskritischen Umgebungen und in verteilten Teams, aber auch um weiche Themen wie Führung, Kommunikation, Zusammenarbeit sowie Veränderungen in Organisationen.

Haltung und Kultur sind entscheidend

Damit verbunden sind Risiken in der Umsetzung agiler Techniken, die in vielen Unternehmen unterschätzt werden, da das Thema vermeintlich einfach ist. Oft wird agil falsch interpretiert. Führungskräfte betonen „wir sind agil“, während ihre Projektleiter gerade im Chaos versinken. Nicht jede agile Methodik eignet sich für alle Randbedingungen. Beispielsweise brauchen sicherheitskritische Systeme mit langen Produktlebenszyklen andere Verfahren als eine kurzlebige IT-Anwendung. Somit ist die Anpassung ans eigene Unternehmen entscheidend für die Wirkung, die erzielt wird. Häufig wird dabei unterschätzt, dass neben der spezifischen Methodik ein Überdenken und die Veränderung von Haltung und Kultur entscheidend sind. Die gelebten Werte müssen das agile Vorgehen unterstützen (Bild 1). Tun sie das nicht, geht es schief. Das Ausrichten aller Aktivitäten auf den Kundennutzen ist das zentrale Prinzip. In diesem Sinne bedeutet agiles Projektmanagement, flexible Lösungen umzusetzen und die Projektteams so zu führen und zu befähigen, dass sie den Kundennutzen in den Mittelpunkt stellen und die eingesetzten Methoden strikt danach ausrichten (siehe Kasten).

Bild 1: Agilität: Werte, Prinzipien und Methoden müssen zusammen passen.

Bild 1: Agilität: Werte, Prinzipien und Methoden müssen zusammen passen.Vector Consulting Services

Das agile Manifest ist kein Gesetz

Agilitäts-Gurus tragen oft das agile Manifest als dogmatisches Mantra vor sich her. Heißt es dort beispielsweise: „Funktionierende Software ist wichtiger als umfassende Dokumentation“, dann wird das häufig in der Form übersetzt, dass der Code das Ergebnis ist, und Spezifikationen eher schädlich sind. Gemeint ist aber etwas ganz anderes, nämlich dass der Fokus bei jeder Lieferung auf dem Kundenwert und damit auf dem funktionierenden Produkt liegen soll. Das bedeutet angemessene Spezifikation sowie ein funktionierendes Produkt, und beispielsweise nicht das Weglassen von Tests, weil die Spezifikation zu spät fertig wurde. Oft zitiert wird auch die vermeintliche Vorschrift „Reagieren auf Veränderungen ist wichtiger als das Befolgen eines Plans“, um die eigene Unfähigkeit im Projektmanagement zu kaschieren. Gemeint ist aber auch hier etwas anderes, nämlich bereits beim Aufstellen des Plans mit Änderungen zu rechnen sowie die Haltung dazu einzunehmen, dass Änderungen die Chance bieten, das Produkt laufend den Markterwartungen anzupassen. Klar ist, dass auch agile Projekte eine Planung brauchen, ansonsten werden sich Kunden und Märkte selbst agil verhalten und sich schnell einem anderen Lieferanten zuwenden.

Bei der Einführung von agilem Projektmanagement ist es daher wichtig, die Methode auf die Unternehmenskultur und die Randbedingungen in den Projekten anzupassen. Einige Beispiele aus der Beratungspraxis von Vector Consulting Services veranschaulichen diese Anpassungen.

Agilität: Viel mehr als Scrum

Scrum ist die bekannteste der agilen Methoden, was bisweilen dazu führt, dass Agilität und Scrum gleichgesetzt werden, doch das ist mitnichten der Fall. Das Spektrum agiler Methoden ist sehr viel reichhaltiger (Bild 1). Die Methoden bauen auf gemeinsamen Werten und Prinzipien auf, die eine kunden-, zusammenarbeits- und ergebnisgetriebene Unternehmenskultur beschreiben. Das System ist nicht geschlossen, sondern es lässt sich bei Bedarf durch eigene Prinzipien und Methoden ergänzen, was eine sehr individuelle und flexible Anwendung ermöglicht.

Der Kern des Erfolgs agiler Methoden liegt in der Veränderung der Haltung und Unternehmenskultur. Darin eingebettet entfalten die Methoden ihre Wirkung. Unternehmen, die Agilität erfolgreich eingeführt haben, sehen darin einen zentralen Erfolgsfaktor für ihre Produktentwicklung.

Beispiel 1: Einführung agiles Projektmanagement

Ausgangssituation: In einem Projekt bei einem Systemlieferanten in der Automobilindustrie wurden Termine für Auslieferungen von Prototypen nicht eingehalten, weil insbesondere die Fehlerbehebung nicht verlässlich und zu langsam war. Vector Consulting Services wurde hinzugezogen, weil der Kunde des Lieferanten mit der Situation massiv unzufrieden war und einen Stopp des Projektes angedroht hatte.

Analyse: Eine Analyse der Probleme zeigte, dass mit den eingeführten Projektmanagement-Methoden die Verzögerungen und Probleme zu spät erkannt wurden. Die Teammeetings, in denen eine zeitnahe Steuerung der Teammitglieder hätte erfolgen sollen, empfanden die Teilnehmer als langwierig und unproduktiv. In Einzelgesprächen mit Teammitgliedern stellte sich heraus, dass einerseits die Zusammenhänge zwischen den Arbeitspaketen nicht verstanden wurden. Andererseits lähmten große Unwägbarkeiten und Risiken das gesamte Projektteam, weil die Requirements unvollständig waren. In Folge hatten sich die einzelnen Mitarbeiter auf die formale Bearbeitung ihrer Arbeitspakete zurückgezogen, und es fehlte der Blick auf die Lösung übergreifender Probleme.

Maßnahmen: Zur schnellen Verbesserung der Situation wurden kurze Sprints (Dauer: eine Woche) mit Sprint-Backlog und Visualisierung mittels Kanban-Board eingeführt. Das Kanban-Board war für das Team dauernd sichtbar. Zur Verbesserung der Kommunikation erfolgten ab diesem Zeitpunkt tägliche Stand-Up-Meetings vor dem Kanban-Board mit einer kurzen Durchsprache von Status, Planung für den nächsten Tag sowie über die gegebenenfalls vorliegenden Blocking-Issues. Ein Coach unterstützte den Projektleiter in der Anwendung der Methode sowie der Verbesserung der Teamführungsfähigkeiten.

Wirkung: Einerseits brachte die Maßnahme sofortige Transparenz über Status, Fortschritt und Zusammenhänge der Arbeitspakete ins Team. Andererseits machten die täglichen Durchsprachen deutlich, worin die Probleme im Verständnis der Zusammenhänge bei den Teammitgliedern bestanden, so dass Projektleiter und SW-Architekten gezielt Informationen bereitstellen konnten. In Folge war das Team in weitaus höherem Maß involviert und identifizierte sich weitaus mehr mit Fortschritt und Zielerreichung des Projekts als vorher. Über die Zeit entstand eine Kultur des sehr offenen Problem-Aussprechens und des gemeinsamen Erarbeitens von Lösungsansätzen. Schließlich steigerten die Beteiligten damit die Fehler-Abbaurate um 30 %, was das Einhalten der Auslieferungstermine ermöglichte. In Summe war das Projekt also ein voller Erfolg für den Systemlieferanten.

Beispiel 2: Optimierung agiles Projektmanagement

Ausgangssituation: Ein anderer Kunde führte Agilität zunächst ohne externe Unterstützung ein – und zwar mit dem Ziel, auf Änderungen schneller zu reagieren und Korrekturzyklen zu beschleunigen. Schon kurz nach Beginn des Roll-Out war das Team allerdings unzufrieden, denn die Fehlerbehebung hatte sich nicht verbessert und viele Fehler traten wiederholt auf. Zur Optimierung wurde Vector Consulting Services hinzugezogen.

Bild 2: Feature-Teams organisieren die Arbeit für ihr Feature selbst, verfolgen ihren Fortschritt und berichten an die Projektleitung. Dadurch entsteht Transparenz für das Gesamtprojekt.

Bild 2: Feature-Teams organisieren die Arbeit für ihr Feature selbst, verfolgen ihren Fortschritt und berichten an die Projektleitung. Dadurch entsteht Transparenz für das Gesamtprojekt.Vector Consulting Services

Analyse: Schnell war klar, dass bei der Einführung agiler Methoden typische Umsetzungsfehler erfolgten, allen voran die quasi mechanische Umsetzung, ohne Haltung und Kultur zu ändern. Ein einfaches Beispiel dafür sind Stand-Up-Meetings mit zu vielen Teilnehmern und zu langer Dauer. Im Ergebnis sind solche Meetings unwirksam und schaffen Verdruss – also das genaue Gegenteil dessen, was sie erreichen sollen. Ein anderes Beispiel sind immer wieder stockende Sprints aufgrund nicht funktionierender Synchronisation der Entwicklungsstränge in Hardware und Software hinsichtlich übergreifender Sicherheitsanforderungen.

Maßnahmen: In dieser Situation haben wir ein angepasstes Feature-Driven-Development umgesetzt. Kleine autonome Feature-Teams (Teamgröße: 4 bis 8 Mitarbeiter) wurden eingeführt, die sich selbst organisieren, ihren Fortschritt selbst verfolgen und an die Projektleitung berichten (Bild 2). Schrittweise erfolgte mittels jeweils lokaler Teilprojekte die Einbindung der über verschiedene Standorte verteilten Teams. Agile Konzepte lassen sich nicht einfach überstülpen, sie brauchen lokale Ankerpunkte in der Organisation.

Wirkung: Damit stiegen Motivation und Produktivität spürbar, denn die Teams hatten nun eine greifbare, klare Verantwortung. Die Rate nicht behobener Fehler ging um 25 % zurück, die Fehlerabbaurate verbesserte sich bereits innerhalb der ersten acht Wochen nach Einführung der Feature-Teams um 50 %. Seitdem etabliert das Management in allen wichtigen Projekten bei diesem Unternehmen Feature-Teams.

Beispiel 3: Anwendung bei verteilter Entwicklung

Ausgangssituation: In einem strategisch wichtigen Projekt bei einem Systemlieferanten der Automobilindustrie war die Entwicklung auf mehrere Standorte verteilt, wobei ein Remote-Standort eine besonders hohe Verantwortung für das Gesamtprojekt hatte. Dort lag nämlich die Verantwortung für die Projektführung im Hinblick auf zentral wichtige innovative Produktfeatures. In Summe war das Projekt massiv in Zeitverzug, den der Kunde des Lieferanten nicht mehr akzeptierte.

Bild 3: Nutzung von Kanban-Boards in täglichen Stand-Up-Meetings an allen Projekt-Standorten ermöglicht die agile Steuerung lokaler Teams, verbunden mit standortübergreifender Transparenz über den Fortschritt.

Bild 3: Nutzung von Kanban-Boards in täglichen Stand-Up-Meetings an allen Projekt-Standorten ermöglicht die agile Steuerung lokaler Teams, verbunden mit standortübergreifender Transparenz über den Fortschritt.Vector Consulting Services

Analyse: Die Analyse der Projektarbeit und Steuerung der verteilten Projektteams zeigte, dass die Kundenanforderungen für die wichtigen innovativen Features an dem Remote-Standort nicht richtig verstanden und die Entwicklung auf Basis veralteter Pläne gesteuert wurde. Die Fehlerbehebung erfolgte sehr langsam. Eine der häufigsten Rückmeldungen lautete „We can not reproduce“, verbunden mit der Aufforderung, den Fehler noch genauer zu beschreiben. Dieses „Fehler-Ping-Pong“ verlangsamte den Projektfortschritt drastisch. Zudem stellte sich in Gesprächen mit Teammitgliedern und Linien-Managern heraus, dass die Mitarbeiter am heimischen Standort die Projektführung durch den Remote-Standort nicht akzeptierten. Die Verbesserung der Gesamtsituation war dringend erforderlich, um das Projekt ins Ziel zu bringen.

Maßnahmen: Ausgangspunkt für die Verbesserung war die klare Einführung globaler Führungsrollen im Projekt und das Coaching der Personen, die diese Rollen einnahmen – und zwar mit dem Ziel, ein hohes Maß an Verantwortungsübernahme und wirksamer Führung zu erreichen. Als nächster Schritt wurden tägliche „Stand-Up-Meetings“ per Video eingeführt, mit einer festgelegten kleinen Gruppe von Teilnehmern aller Standorte (Bild 3). Schließlich kurbelte temporäres Entsenden von Mitarbeitern den Know-How-Transfer und die standortübergreifende Teambildung an.

Wirkung: Die Einführung der globalen Führungsrollen und die Maßnahmen zur Teambildung führten tatsächlich zu einem hohen Maß an Verantwortungsübernahme, zu wirksamer standort-übergreifender Zusammenarbeit und damit Schritt für Schritt zur Akzeptanz der Remote-Standorte. Dabei war neben der Annahme der Führungsrollen auch die Verpflichtung wichtig, die anvertrauten Teams selbst in schwierigen Situationen standortübergreifend und richtunggebend zu führen. Die Stand-Up-Meetings per Video haben sich bewährt und schaffen Transparenz über die Standorte hinweg.

Die Summe der Maßnahmen erforderte ein massives Umdenken bei allen Beteiligten, führte im Ergebnis jedoch zu einer hohen Identifikation aller Beteiligten mit dem Projekt und dann zu einer massiven Verbesserung der Auslieferungsqualität und Reduktion des Zeitverzugs.

Dr. Ulrich Bodenhausen

ist Manager der Vector Consulting Services GmbH.

Dr. Dieter Lederer

ist selbstständiger Berater und Business-Coach; davor war er Geschäftsführer der Vector Consulting Services GmbH.

(av)

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