Zur Messeeröffnung der EV Taiwan holte Organisator Taitra einige Journalisten und ausländische Besucher mit einem rein elektrisch betriebenen 12 m langen Bus (Bild 2) mit 26 Sitzen und vielen Stehplätzen ab, den das taiwanesische Unternehmen RAC Electric Vehicles auf Basis eines ursprünglich für einen Verbrennungsmotor gebauten Chassis entwickelte und fertigte. Alex Tsai, President von RAC EV, gab im Gespräch mit emobility tec die Reichweite im innerstädtischen Betrieb mit 360 km an, räumte dann aber ein, dass die Batterie im Sommer, wenn die Klimaanlage in Taiwan im Dauerbetrieb läuft, nur etwa 200 km
durchhalten wird – für einen Bus, der über eine 250-kWh-Batterie mit Li-Ionen-Zellen von Winston Battery ausgerüstet ist und weniger als 300.000 US-Dollar kosten soll, sicherlich ein immer noch sehr beachtlicher Wert. Ein anderes E-Fahrzeug von RAC ist übrigens ein 7-m-Bus aus der 3,5-t-Klasse mit einem Listenpreis von etwa 175.000 US-Dollar.
Mehr als 20 Ingenieure arbeiteten über zwei Jahre lang an der Entwicklung des E-Busses von RAC, wobei das Unternehmen sowohl das BMS (Battery Management System) als auch die Fahrzeugsteuerung selbst entwickelte.
„Wir legen unseren Fokus darauf, bezahlbare E-Fahrzeuge anzubieten, so dass wir auch wesentliche Teile zukaufen“, erklärt Alex Tsai. „Ein gutes Beispiel dafür sind die Bremsen von Wabco und die Achsen von ZF. Für uns ist es nicht wichtig, am absoluten Top-End zu sein; bei uns geht es um bezahlbare Fahrzeuge guter Qualität, die wir auch verkaufen können.“
Bei guter Beschleunigung(sänderung) machte der Bus einen traktionstechnisch rundum ansprechenden und angemessen parametrierten Eindruck auf die Mitfahrenden. Derzeit sind knapp 20 Elektrobusse in Taiwan im Einsatz, aber in diesem Jahr soll die Anzahl im Rahmen eines
Testbetriebs auf über 100 Busse ansteigen. Während der Messe war der E-Bus im Pendelverkehr zwischen der zeitgleich stattfindenden EV Taiwan im World Trade Center (TWTC) neben dem Taipei 101 (zweithöchstes Gebäude der Welt) und der Taipei Ampa/Autotronics Taipei unterwegs, die im weiter östlich gelegenen neuen Messezentrum stattfand.
Batterietechnologie
Viele Unternehmen zeigten auf der EV Taiwan Lithium-Ionen-Batterien in verschiedenen Fertigungsstadien von der reinen Zelle bis zur kompletten Batterie inklusive BMS und Kühlung.
Praktisch alle Aussteller erwähnten stets, wie wichtig der Sicherheitsgedanke im Rahmen der Batterietechnik ist. „Batteriesicherheit ist das wichtigste Thema“, erklärte beispielsweise Robert Luo, Intelligent Automotive Key Tech R&D Program Leader beim Ching-Shan Institute of Science & Technology (CSIST). Die Aufgabe dieses Forschungszentrums besteht darin, „die Forschungsressourcen zu integrieren und die entsprechenden Leute zusammenzubringen“, betont Robert Luo. Das CSIST beschäftigt sich normalerweise mit militärischen Technologien und wird vollständig von der Regierung Taiwans finanziert, aber jetzt soll das Know-how aus der
Verteidigungs-Technologie auf die Automotive-Branche transferiert werden. „Unser Land ist klein, so dass wir alle Ressourcen integrieren müssen“, erklärt Robert Luo.
So hat das Institut beispielsweise auf der EV Taiwan einen zu einem E-Bus umgebauten Kleinbus ausgestellt, aber auch bereits ADAS-Systeme wie LDW und Nachtsichtsysteme sowie eine elektrische Servolenkung entwickelt, die ISO 26262 entspricht. Fast schon gebetsmühlenartig erwähnt Robert Luo im Gespräch immer wieder, dass „Sicherheit und Zuverlässigkeit die wichtigsten Themen“ sind, um dann voller Stolz zu ergänzen: „Für ein System zur Ermittlung von Daten im Rahmen der Akku-Alterung hat das CSIST in Nürnberg den deutschen Innovationspreis 2012 erhalten.“
Dank STOBA bis 180 Wh/kg
Mit einer vielversprechenden Technologie arbeitet das Unternehmen Amita, das sich seit dem Jahr 2000 mit Lithium-Leistungsbatterien beschäftigt. „Herkömmliche Lithium-Eisenphosphat-Batterien (LiFePO4) weisen eine Leistungsdichte von bis zu 110 W/kg auf, aber wir haben eine Zelltechnologie mit einer Leistungsdichte von 180 Wh/kg entwickelt“, erläutert Dr. Jim Cherng, President von Amita (Bild 7). „Damit bieten wir die höchste Energiedichte auf dem Markt an; unsere Batterien sind dadurch etwa 40 Prozent leichter.“ Dr. Cherng ergänzt:
„Amitas Lithium-Ionen-Zellen halten mehr als 3000 Ladezyklen aus und sind etwas unter dem Preisbereich von Lithium-Eisenphosphat-Zellen angesiedelt. Außerdem sind sie nach ISO/TS 16949 und diversen anderen Standards inklusive RoHS zertifiziert.“
Um die Sicherheit seiner Zellen zu gewährleisten nutzt Amita die vom Taiwanesischen Forschungsinstitut ITRI entwickelte STOBA-Technologie, wobei STOBA für Self-Terminated Oligomer Branch Architecture steht. „STOBA stoppt einen eventuellen Thermal Runaway der Zelle, indem Nanomaterialien als Miniatursicherung arbeiten“, erklärt Dr. Cherng.
Ein äußerst interessanter Aspekt ist der PDCA-Prozess (Post Dry Cell Assembly), bei dem Amita an die Kunden trockene Zellen ausliefert, die dann in einem einfachen Verfahren vor Ort mit Elektrolyt befüllt werden. Damit lassen sich bei etwa einem Viertel des Aufwands (im Vergleich zu einer Komplettfertigung) beispielsweise Zellen Made in Germany herstellen, und das Transportproblem wäre auch gleich gelöst. „Wir liefern diese Zellfertigung vor Ort als Turn-Key-Solution, und in China nutzen wir PDCA schon seit 2010″, führt Dr. Cherng weiter aus. Details über das Leistungsverhalten der STOBA-Batterien im Vergleich zu konventionellen beziehungsweise anderen Batterie-Technologien finden am Ende dieses Textes in dem Spinnwebendiagramm auf der rechten Seite).
Amita liefert sowohl fertige Zellen und PDCA-Zellen als auch komplette Batterien mit integriertem BMS, Cell-Balancing, Thermo-Management, Sicherheitselektronik und Ladeelektronik. Für die Komplettbatterien hat das Unternehmen einen Prozess entwickelt, der durch kürzere elektrische Pfade für einen geringeren Innenwiderstand der Batterie sorgt. Eine komplette 20-Ah-Batterie mit einer Nennspannung von 48 V und einem Energiegehalt von 1 kWh, die für den Einsatz in E-Scootern vorgesehen ist, wiegt beispielsweise unter 10,5 kg – und zwar inklusive Gehäuse sowie BMS mit RS485/CAN/SM-Bus-Anschluss.
Thermal Runaway ausgeschlossen
„Wir garantieren, dass unsere Systeme niemals brennen oder explodieren werden“, behauptet Dr. Donald Pihsiang Wu, Chairman & CEO der Pihsiang-Gruppe, zu der unter anderem Pihsiang Energy Technology gehört. „Wir stellen unsere Batterien selbst her – inklusive Zellen – und wir wollen den europäischen Markt zuerst betreten, weil es dort die strengsten Standards gibt.“ Das Unternehmen hat seine Wurzeln in elektrisch betriebenen Kleinfahrzeugen für den Einsatz im Supermarkt oder in Rollstühlen.
Dr. Pihsiang hebt hervor, dass sein Unternehmen „den ersten asiatischen Kleinstwagen mit EU-Zulassung“ entwickelt hat, und dann sprudelt es aus ihm heraus: „Ich habe als erster Lithium-Eisenphosphat-Batterien gemacht, und bin in das EV-Geschäft eingestiegen, um zu zeigen, dass die Technologie sicher ist.“ Die Kleinstwagen (siehe Bild 6) sollen mit Türen schon bald auf dem europäischen Markt zu sehen sein und bei 200 km Reichweite pro Ladung etwa 7500 bis 10.000 Euro kosten. Der 3-kW-Motor sorgt für eine Geschwindigkeit von bis zu 85 km/h. Sicherheit ist dabei relativ, denn das Fahrzeug hat kein ABS, und der Airbag ist optional.
Für die Sicherheit seiner Batterien sorgt Dr. Phisiang mit einer speziellen Technologie, die nach seinen Angaben „ganz ohne BMS“ auskommt und sogar eingeschlagene Nägel (Bild 1) gut verkraftet. Dr. Pihsiangs Tipp: „Vermeiden Sie die hohen Spannungen.“ Daher arbeiten seine Fahrzeuge auch mit 48 V.
Batterie-Gesamtlösung
Das Unternehmen SMP (Simplo Technology Co) entwickelt und fertigt beispielsweise komplette Batterien, kauft aber die Zellen zu.
SMPs Chairman & CEO Raymond Sung betont, dass sein Unternehmen mehr als 20 Jahre Erfahrung mit dem Laden von Batterien und über fünf Jahre Erfahrung im Bereich E-Fahrzeuge hat. Bisher erstellte SMP Batterie-Packs für E-Bikes, Scooter und Rollstühle. Derzeit arbeiten von den über 10.000 SMP-Angestellten mehr als 100 an Batterien für Elektroautos und weitere 100 an Batterien für elektrisch betriebene Kleinfahrzeuge.
Raymond Sung betont, dass sein Unternehmen schon mehrere derartige, in China gefertigte Batterien ausgeliefert hat, um dann zu ergänzen: „Wir sind ein Anbieter von Gesamtlösungen.“ So hatte SMP auf seinem Messestand einen zum EV umgebauten blauen Opel Tigra (Bilder 10 und 11) als Blickfänger, während vor der Tür ein zum EV umgebauter roter Opel Corsa, der mit einem rekuperierenden 25-kW-Motor als maximal 128 km/h schnelles Technologie-Erprobungsfahrzeug dient, für Testfahrten bereit stand, wobei die Reichweite der LiFePO4-Batterie etwa 120 km beträgt (Bild 13).
Elektromotoren
Mit Fukuta war auch ein Unternehmen auf der Messe vertreten, dessen Traktionsmotoren bereits in Quasi-Serienfahrzeugen verbaut sind – und zwar im Tesla Roadster und im Tesla
Model S, aber auch in dem zu Beginn dieses Beitrags erwähnten E-Bus von RAC. Fukuta hat sich auf Wechselstrom-Induktionsmotoren spezialisiert, die das Unternehmen dann kundenspezifisch nach Angaben des OEMs entwickelt und fertigt.
„Unsere besondere Spezialität sind Kupfer-Rotoren“, hebt Gordon Chang, General Manager von Fukuta, hervor, um dann voller Stolz zu ergänzen: „Unsere Produkte sind zu 100 Prozent in Taiwan gefertigt und entwickelt. Dafür beschäftigen wir 25 Entwicklungsingenieure und 125 Personen in der Fertigung. Mit diesem Personalstamm schaffen wir es durch unsere weitgehend automatisierte Fertigung, in diesem Jahr 28.000 Motoren für Tesla herzustellen, aber wir haben Kapazität für 120.000 Motoren pro Jahr und bauen derzeit eine neue Fabrik. Bis Ende diesen Jahres haben wir voraussichtlich auch unsere TS16949-Zertifizierung abgeschlossen.“ Das Unternehmen fertigt Motoren bis 385 kW, die mit bis zu 15.000 U/min drehen, zeigte auf der Messe aber auch einen kompakten 3,6-kW-Achsmotor.
E-Scooter
Jedes Jahr kaufen die Taiwanesen etwa eine Million Scooter, von denen letztes Jahr immerhin etwa 4000 über einen elektrischen Antrieb verfügten, Tendenz steigend. Daher zeigten auf der EV Taiwan auch gut 30 Hersteller ihre E-Scooter. Neben den Batterieherstellern dominierten sie mit ihren Produkten die Ausstellung. „Fast überall in Asien stammen die Scooter in der großen Mehrheit von den japanischen Herstellern Honda, Suzuki und Yamaha, aber in Taiwan haben Suzuki und das taiwanesische Unternehmen Kymco derzeit jeweils einen Marktanteil von 40 Prozent“, erklärt Paul Lin, President von Ducam Power. „Wir bei Ducam Power haben den Motor für das erste Elektromotorrad Taiwans entwickelt, und auf der EV Taiwan zeigen wir unseren ersten E-Scooter – mit dem leistungsfähigsten und effizientesten Motor Taiwans, vielleicht sogar der Welt.“
Paul Lin erklärt, dass die Steigfähigkeit der in Taiwan zugelassenen Scooter oft ein Problem darstelle, und betont daher: „Unser E-Scooter hat ein hohes Drehmoment und eine hohe Reichweite, weil wir als weltweit erstes Unternehmen neben dem E-Motor auch ein Zweiganggetriebe verbauen.“ Batterietechnisch nennt Paul Lin dann Daten, die wir in dieser Kombination (48 V / 20 Ah, 10 kg, 40 % leichter als marktübliche Batterien) bei Amita nachlesen können. „Solch einen E-Scooter verkaufen wir erheblich unter 2000 US-Dollar, ein Modell sogar für 1600 US-Dollar – und davon gehen die taiwanesischen Subventionen noch ab“, berichtet Paul Lin über seine Strategie. „Damit sind wir etwa 40 Prozent günstiger als andere E-Scooter. Jetzt können wir endlich mit den Scootern konkurrieren, die über einen Benzinmotor verfügen. Ab diesem Sommer werden wir bis Jahresende 10.000 Stück davon verkaufen, denn nach über 100.000 km Testfahrten wissen wir, dass unser Produkt marktreif ist.“ Ducam Power setzt auf Leichtbau und einen Freilauf, spendiert dafür aber vorn eine Scheibenbremse.
Image-Fragen
Einem Batterietauschsystem für Scooter steht Paul Lin übrigens sehr skeptisch gegenüber: „Wer will schon seine Batterie tauschen, wenn die Batterie das teuerste Einzelteil des E-Scooters ist? Falls die Batterie dann wider Erwarten doch brennen sollte, dann ist das schlecht für das Image des Scooter-Herstellers – und wer will das schon?“ Mehr über diverse EV- und Batterietausch-Projekte in Taiwan erfahren Sie in der nächsten Ausgabe der emobility tec sowie dann auch auf all-electronics.de.
Vier auf einen Streich
EV Taiwan & Co.
Erstmals fanden in Taipei vier Messen gleichzeitig statt: die Taipei Ampa, die Autotronics Taipei, die EV Taiwan und die Taiwan Motorcycle Show. Zur offiziellen Messeeröffnung waren nicht nur Dr. Chih-Kang Wang, Chairman des Veranstalters Taitra, sondern sogar der Wirtschaftsminister Taiwans, Dr. Chia-Juch Chang, und viele andere Ehrengäste anwesend. Zu den Messen kamen in Summe an den vier Tagen über 67.500 Besucher, von denen knapp 3 % aus dem Ausland stammen, was einem Anstieg der International Visitors um über 75 % entspricht. Auf der Motorcycle & EV Taiwan 2013 stellten insgesamt 250 Unternehmen aus. In zwei Test-Ride-Zonen konnten die Besucher viele verschiedene E-Fahrzeuge selbst erfahren: Indoor als Fahrer und Outdoor als Beifahrer von E-Scootern, Quads, Pedelecs, E-Bikes, Autos und anderen Vehikeln.
Begleitend zur Messe fand im Nebengebäude der Fachkongress EV Taiwan Forum statt, der den 800 Besuchern nicht nur einen guten Überblick über Projekte und Möglichkeiten in Taiwan sondern auch einen guten Markteinblick bot, Schlüsselbauelemente vorstellte sowie über Geschäftsmöglichkeiten im EV-Bereich in Taiwan und anderen Teilen Asiens informierte. In der nächsten Ausgabe der emobility tec sowie bald auch hier auf all-electronics.de werden wir Ihnen über die zahlreichen Elektromobilitätsprojekte berichten, die derzeit in Taiwan laufen beziehungsweise geplant sind.
(av)