Christof Kellerwessel, Chefingenieur Elektrik/Elektronik-Systementwicklung Europa bei Ford, berichtete in seiner Keynote auf dem 18. Fachkongress „Fortschritte in der Automobil-Elektronik“ in Ludwigsburg nicht nur über „Die globale E/E-Architektur des neuen Ford Mondeo“, sondern auch darüber, wie sich Ford in den letzten Jahren neu aufgestellt hat – ein Prozess, der letztendlich in der Organisationsform „ONE-Ford“ (One Team, One Plan, One Goal) mündete. Dazu führte Ford klare Kompetenzverteilungen für seine weltweit acht Entwicklungszentren ein, wobei sich die Kernentwicklung für Elektronik mit dem größten Teil der Mannschaft in Dearborn bei Detroit/USA befindet.

Christof Kellerwessel: „Wir wollen Erreichbarkeit von Technologie für viele, Standardisierung und das Ausrollen von Technologie über alle Fahrzeugklassen hinweg.“

Christof Kellerwessel: „Wir wollen Erreichbarkeit von Technologie für viele, Standardisierung und das Ausrollen von Technologie über alle Fahrzeugklassen hinweg.“Mathis Wienand

„Im Sinne von Henry Ford muss eine Möglichkeit bestehen, Technologie für die Masse erreichbar zu machen und nicht nur für wenige“, erklärt Christof Kellerwessel, von dem auch alle weiteren Zitate dieses Beitrags stammen, gleich zu Beginn die prinzipielle Strategie des Unternehmens. „Wir wollen das Thema Technologie und Features demokratisieren; wir wollen Erreichbarkeit von Technologie für viele, Standardisierung und das Ausrollen von Technologie über alle Fahrzeugklassen hinweg.“

„Der neue Ford Mondeo ist der erste Wagen, der eine komplett neue, globale Architektur enthält, die von dort aus startend in vielen Fahrzeugen der Firma Ford zum Einsatz kommen wird. Neben einem Blumenstrauß neuer Systeme ist die Architektur auch Grundlage für die Skalierbarkeit nach unten.“ Im Prinzip habe Ford einen Modulbaukasten, den das Unternehmen in Europa ausrollen werde, der aber in China und den USA bereits zum Einsatz kommt. Im Wesentlichen kämen dabei CAN-Netzwerke und zum ersten Mal ein zentrales Gateway zum Einsatz. Beim Antrieb besteht die Möglichkeit, Diesel-, Benzin- und Hybridmotoren einzubauen.

ADAS, Safety und CE im Mondeo

Der neue Ford Mondeo wird mit Hilfe der Sensordatenfusion diverse Fahrerassistenzsysteme in Massenfahrzeuge bringen. Erst mit der globalen E/E-Architektur wurde dies möglich, denn sie ermöglicht nicht nur einen „Blumenstrauß von neuen Systemen“, sondern sie ist „auch die Grundlage für die Skalierbarkeit nach unten“.

Bei der Entwicklung des neuen Mondeo hätten acht Entwicklungszentren zusammengearbeitet, von denen drei leitend und federführend waren, um ein weltweites Fahrzeug zu schaffen. In China fahre der Mondeo bereits und auf amerikanischen Straßen sei er schon als Ford Fusion unterwegs. Für den europäischen Markt nehme Ford gerade in Valencia sein viertes Werk auf unserem Kontinent in Betrieb, wo die Produktion mit dem neuen Mondeo im dritten Quartal beginnen soll. Auch der für 2015 geplante Nachfolger des aktuellen S-Max werde auf der gleichen E/E-Plattform wie der Mondeo basieren und „unseren nächsten Blumenstrauß an Technologien bereithalten“.

Aktive und passive Sicherheit

Der neue Mondeo wird mit einem zwölfkanaligen Ultraschallsystem, einer Rückfahr- und einer Frontkamera, drei Radarsystemen (Front: 77 GHz, 24 GHz nach hinten) sowie einem Lidar-Sensor ausgestattet sein. „Damit ergibt sich eine nahezu 360-Grad-Umfeldsensorik, die viele Kundenfunktionen ermöglicht.“ Hierzu gehören unter anderem ein weiterentwickelter Spurhalteassistent mit aktiver Spurführung in einem Schwung ohne Oszillation, ein Totwinkelassistent, der jetzt auch im innerstädtischen Bereich herunter bis 10 Kilometer pro Stunde funktioniert, sowie eine Verkehrszeichenerkennung, die über Adasis mit der Kartendatenbank fusioniert ist. „Wir haben über zirka 95 Prozent der Straßen in Europa Geschwindigkeitsinformationen und können diese Informationen zusammen mit den aktiven Kameradaten nutzen. Wir werden die Adasis-Schnittstelle nutzen, um in Zukunft weitere Funktionen darzustellen.“

Nach diversen Kundenrückmeldungen zum Einparkassistenten, der eine Parklücke nutzen kann, die nur 80 Zentimeter länger sein muss als das Auto, verfügt der Ford Mondeo jetzt zusätzlich über einen Assistenten zum Ausparken sowie für Querparklücken.

Der neue Mondeo erfasst seine Umwelt fast im 360-Grad-Winkel mit Hilfe von Ultraschall-, Kamera-, Radar- und Lidar-Sensoren.

Der neue Mondeo erfasst seine Umwelt fast im 360-Grad-Winkel mit Hilfe von Ultraschall-, Kamera-, Radar- und Lidar-Sensoren.Ford

Beim Pre-Collision Assistant durchläuft das Fahrzeug einen mehrstufigen Warnprozess, während gleichzeitig das Bremssystem vorbefüllt wird. Falls der Fahrer nicht reagiert, bremst der Notbremsassistent bis zum Stillstand. „Dies wird durch die Fusion von Kamera- und Radarsensoren ermöglicht.“

Auch bei der passiven Sicherheit gibt es Neues: „Wir haben uns schon 2006 damit beschäftigt, wie man den Vorteil eines konventionellen Sicherheitsgurts mit den Vorteilen eines konventionellen Airbags optimal zusammenbringen kann. Das Ergebnis zeigen wir beim Mondeo zum ersten Mal in Europa.“ Beim Auslösen befüllt dabei eine Gaspatrone den Sitzgurt in sehr kurzer Zeit durch die Lasche, so dass die in die Gurte eingearbeiteten Airbags zu einer wesentlich besseren Lastverteilung führen.

Infotainment per Sync

Bei Ford trägt das Kommunikations- und Infotainmentsystem den Namen Sync. „Wir haben eine klare Philosophie, dass wir den Datensatz, den der Kunde besitzt und kontrolliert, über viele Kanäle und Bedienmöglichkeiten nutzbar machen. Hierzu gehören unter anderem auch Sprache und konventionelle Tastenbedienung.“ Mittlerweile sei Sync 15 Millionen mal verbaut und in fast jedem Fahrzeug von Ford vertreten. „Der nächste logische Schritt in diesem Gedankengang besteht darin, die vom Kunden gewünschten Apps auch nutzbar zu machen.“ Über das von Ford entwickelte AppLink-System bestehe die Möglichkeit, die im Fahrzeug verbauten Bedienelemente, Mikrofone, aber auch das Audiosystem und die Bildschirme von der App und für die App nutzbar zu machen. Dabei gehe es um eine nahtlose Integration ins Fahrzeug, wobei die Apps wie beispielsweise Spotify oder Aupeo auf den Smartphones laufen. In Deutschland hat Ford als App-Partner unter anderem die ADAC-Parkplatzsuche oder den gesprochenen Service der Zeitschrift „Die Welt“. Kellerwessel wies dabei auch auf das Software-Entwicklungskit SDK sowie den TDK genannten Fahrzeugemulator hin. „Der steht jedem App-Entwickler zur Verfügung und emuliert die wesentlichen Schnittstellen in unseren Fahrzeugen, so dass sich Apps entwickeln und testen lassen“. Mittlerweile arbeiten etwa 5000 App-Entwickler mit dem SDK für Sync. „Durch TDK kann man auch mit Menschen zusammenarbeiten, die im klassischen Automobilbereich nicht notwendigerweise zu finden sind.“

Links: CE-Anbindung

Neben Google Automotive nutze Ford noch eine Vielzahl anderer Links ins Fahrzeug. Dabei richtet er an das in Ludwigsburg versammelte Automotive-E/E-Management einen klaren Appell: „Vielleicht sollten wir uns als Hersteller noch einmal zusammensetzen und überlegen, ob wir uns neben Google Automotive Link und Apple Car Play auf einen einzigen gemeinsamen Link einigen können. Das ist auch im Sinne der App-Varianten, die derzeit entstehen.“ Ford zumindest habe bereits seinen Source Code von App-Link zur Verfügung gestellt; er sei unter dem Titel Smart Device Link im Genivi-Codebook frei abrufbar.

BMWs E/E-Leiter Elmar Frickenstein, der am ersten Vormittag durchs Programm führte, bedankte sich im Rahmen der anschließenden Fragerunde dafür, dass Ford den Genivi Softwarecode zur Verfügung stellt: „Gratulation. Normalerweise machen das nur Software-Firmen, jetzt macht es die Automobilindustrie.“

Big Data und Datenschutz

Reinhard Mertens, bis vor kurzem Geschäftsführer bei Elektrobit, fragte die E/E-Leiter von Ford und Audi nach dieser Keynote Folgendes: „Wie ist das mit dem Thema Big Data? Jetzt haben wir die Technologien demokratisiert – und was machen wir mit den Daten?“ Die Antwort von Christof Kellerwessel war eindeutig: „Wir haben in den letzten sechs Wochen einige Statements zum Thema Big Data und Datenschutz herausgegeben und wir wollen zweifelsfrei die Privatsphäre nicht anfassen. Wir werden sie nicht anfassen. Wir werden sie nur nutzen, wenn wir vom Kunden die Zustimmung zur Nutzung seiner Daten haben. Wir werden niemals Daten erheben, die dem Kunden nicht bekannt sind.“ Im Rahmen von Big Data sei es wichtig, eine Policy aufzubauen, die die Grenzen und die Nutzung der Daten klar aufzeigt, aber auch die Art der Erhebung und Abspeicherung erfasst – eine Vorgehensweise, der auch Ricky Hudi von Audi voll zustimmte.

Alfred Vollmer

ist Redakteur der Zeitschrift AUTOMOBIL-ELEKTRONIK sowie von all-electronics.de.

(av)

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