Mit einem Wert von mehr als 10 Milliarden Euro konnten die deutschen Medizintechnik-Hersteller ihren Umsatz im ersten Halbjahr 2011 um knapp 10 % steigern, erklärte der Branchenverband Spectaris. Bei einer Exportquote von 66 % sorgte insbesondere das internationale Geschäft für positive Impulse. Der Auslandsumsatz legte um mehr als 13 % zu. Das Inlandsgeschäft blieb dagegen mit einem schwachen Plus von knapp 4 % hinter den Erwartungen zurück. Die Zahl der Beschäftigten der rund 1.140 Betriebe lag mit 91.000 Mitarbeitern um 3 % über dem entsprechenden Vorjahreszeitraum. Für das Gesamtjahr rechnet der Branchenverband mit einem weiteren Umsatzwachstum.

„Die Medizintechnik setzt ihren Erfolgskurs der vergangenen Jahre fort. Die Finanzkrise bedeutete nur eine kurze Talfahrt. Nach einem Plus von 9 % in 2010 wachsen die Umsätze auch in 2011 weiter“, fasste Spectaris-Geschäftsführer Tobias Weiler zusammen. Die Unternehmen hatten sich 2009 zwar deutlich konjunkturunabhängiger gezeigt als die meisten anderen Industriezweige, mussten aber einen leichten Umsatzrückgang um 4 % hinnehmen.

Der deutliche Zuwachs des Gesamtjahres 2010 resultierte maßgeblich aus einem Anstieg des Auslandsumsatzes um 12 % auf 12,8 Milliarden Euro. Der Inlandsumsatz konnte ebenfalls zulegen und lag mit 7,2 Milliarden Euro um 5 % über dem Vorjahresergebnis.

„Bei einer Exportquote von knapp 66 % bleibt das Auslandgeschäft von zentraler Bedeutung“, unterstrich Tobias Weiler. Zum Jahresbeginn konnte insbesondere der Auslandsumsatz mit Ländern außerhalb der Europäischen Union gesteigert werden. So stiegen etwa die Exporte in die USA im ersten Quartal um 18 %, nach China um 35 % und nach Russland um 16 %. Obwohl die Länder der Europäischen Union mit einem Anteil von insgesamt 36 % nach wie vor die wichtigsten Handelspartner der deutschen Unternehmen sind, befindet sich Asien auf der Überholspur. Im ersten Quartal legten hier die Exporte um 15 % zu. Damit hatten 17 % der deutschen Medizintechnik-Ausfuhren diese Region als Ziel.

Die Trends der nächsten Jahre

Mehrere technologische Trends werden die Weiterentwicklung der Medizintechnik in Deutschland beeinflussen. Die deutsche Außenhandelsgesellschaft Germany Trade & Invest fasste sechs der wichtigsten Trends im Februar diesen Jahres in ihrer Publikation ‚The Medical Technology Industry in Germany‘ zusammen.

Der erste Trend sind bildgebende Systeme. Zusätzlich zu den klassischen Darstellungsverfahren, wie Röntgenstrahlen, Computertomographie, Magnetresonanztomographie und Ultraschall, werden neue Methoden wie die Positron-Emission-Tomographie (PET) und die Single-Photon-Emissions-Computer-Tomographie (Spect) immer wichtiger. Bei der PET wird dem Patienten zu Beginn der Untersuchung ein Radiopharmakon – eine radioaktive Substanz oder ein Trägerstoff, an den eine radioaktive Substanz gekoppelt ist – verabreicht. Meistens geschieht dies durch Injektion in eine Armvene. Die PET verwendet Radionuklide, die Posi-tronen emittieren. Bei der Wechselwirkung eines Positrons mit einem Elektron im Körper werden zwei hochenergetische Photonen in genau entgegengesetzte Richtungen, also mit einem Winkel von 180° zueinander, ausgesandt. Dies nennt man die Vernichtungsstrahlung. Das PET-Gerät enthält viele ringförmig um den Patienten angeordnete Detektoren für die Photonen. Das Prinzip der PET-Untersuchung besteht nun darin, aufzuzeichnen, wenn je zwei gegenüberliegenden Detektoren ein Signal melden. Aus der zeitlichen und räumlichen Verteilung dieser registrierten Zerfallsereignisse wird auf die räumliche Verteilung des Radiopharmakons im Körperinneren geschlossen und eine Serie von Schnittbildern errechnet. Bei der Spect wird dem Patienten ebenfalls ein Radiopharmakon verabreicht. Bei diesem Verfahren detektieren jedoch eine oder mehrere Gammakameras die von den Radionukliden ausgestrahlte Gammastrahlung. Aus diesen Aufnahmen lassen sich Schnittbilder des Körpers errechnen. Andere wichtige Themen umfassen zum Beispiel Screening/frühe Diagnosen, Therapieüberwachung, bildgeführte Eingriffe, sowie Bild- und Datenverarbeitung.

Bei Prothesen und Implantaten sind wichtige Teilbereiche die technischen Hilfsmittel für Behinderte und Rehabilitation, Neuroprothetik sowie intelligente und nano- oder bio-funktionalisierte Implantate. Unter Neuroprothesen versteht man Schnittstellen zwischen dem Nervensystem und der Anbindung an ein elektronisches Bauteil zur klinischen Anwendung und medizintechnischen Forschung. Klassischerweise werden einzelne Mikroelektroden oder Elektrodenarrays verwendet, um eingeschränkte, pathologische oder verloren gegangene Funktionen des Nervensystems zu korrigieren  wieder herzustellen oder normale Funktionen zu verbessern. Bio-funktionalisierte, oder auchbioaktive Implantate, sollen ausgefallene Organfunktionen ersetzt oder wiederherstellen. Bio-funktionalisiert oder bioaktiv bezieht sich hier auf die eingesetzten Werkstoffe, die keine negativen Reaktionen des Körpers hervorrufen – zum Beispiel, dass sich eine Grenzschicht zwischen Knochen und Implantat bildet- und quasi mit dem Körper verwachsen. Der Sektor der Prothesen und Implantate zeichnet sich durch eine große technologische Bandbreite aus – von einfachen mechanischen Systemen bis zu komplexen, aktiven Implantaten.

Ein weiterer Trend ist die Telemedizin. Telemedizin bezeichnet Maßnahme zur Diagnostik und Therapie, die Telekommunikationstechnik nutzen, um unabhängig von Ort und Zeit Patienten mit ihren Ärzten zu verbinden. Wichtige Themen sind hier die elektronische Patientenakten, Telemonitoring, Expertensysteme, ambient assisted living und Virtual Reality.

Der vierte Trend ist der Bereich der operativen und interventionellen Geräte und Systeme. Er umfasst Geräte und Verfahren für die operative Intervention auf den menschlichen Körper – also direkte, manuelle oder Instrumenten-basierte Eingriffe. Wichtige Themen und Teilbereiche sind hier minimal-invasive Chirurgie, Robotik in der Chirurgie, chirurgische Instrumente und Intensivmedizin.
In-vitro-Diagnostik besteht aus Instrumenten und Geräten (einschließlich Software), die zusammen mit Reagenzien dazu verwendet werden Proben aus dem menschlichen Körper vor Ort zu untersuchen. Sie liefern Informationen zur physiologischen und pathologischen Situation, zu angeborenen Defekten oder therapeutischem Condition Monitoring. In diesem Zusammenhang wichtige Teilbereiche sind die Lab-on-Chip-Technologie, Molekulardiagnose, Immundiagnostik, dezentrale Diagnostik und individualisierte Medizin.

Der sechste Technologietrends ist die Vernetzung. In den meisten Anwendungsbereichen werden heute medizinische Geräte als Einzelgeräte betrieben. Allerding ist die Integration der Medizintechnik, ihrer Geräte und Systeme, in die IT-Infrastruktur der Krankenhäuser auf dem Vormarsch. Diese Integration schafft neue Möglichkeiten in der Therapie und der Prozessoptimierung. Außerdem liefert die Integration ein komplettes Bild der Patientengeschichte, der durchgeführten Verfahren und des aktuellen Status.

Melanie Feldmann

ist Redakteurin der IEE.

(mf)

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