Auf der IAA 2019 war wirklich sehr vieles anders als bei den IAA Pkw in den Vorjahren. Das fing schon damit an, dass diverse Hallen leer standen, denn zahlreiche OEMs verzichteten auf eine Teilnahme. Während beispielsweise BMW früher eine eigene Halle für die Kernmarke belegte (Mini war da noch in einer separaten Halle), konnten die Besucher 2019 ganz ohne die Halle 11 zu verlassen neben BMW und Mini auch gleich Jaguar Land Rover, Opel, Hyundai sowie ein paar kleinen Unternehmen einen Besuch abstatten. Hinzu kam eine vom Volkswagen-Konzern belegte Ebene der Halle 3 sowie die traditionell von Daimler gebuchte Festhalle, während OEMs wie Byton, Ford, Honda und Wey in der erheblich verkleinerten Halle 8 ihre Fahrzeuge ausstellten.
Zulieferer
Der Weg zum automatisierten Fahren und die Elektromobilität waren die am stärksten von den Zulieferern präsentierten Bereiche. So stellte Bosch mit seinem IoT-Shuttle die Studie eines autonomen People-Movers vor, während Continental nicht nur die Kanzlerin einmal autonom in dem Cube genannten Robo-Taxi rund um Halle 11 chauffierte. Die für autonome Fahrzeuge erforderlichen Sensoren, allen voran Lidar waren auf diversen Ständen zu sehen.
Denso wiederum stellte mit dem DUT18D einen 185 kg „schweren“ autonom fahrenden Rennwagen aus, der Dank 112 Nm Drehmoment und 187 PS Leistung binnen 2,1 s von 0 auf 100 km/h beschleunigt. Das Gefährt verlässt sich dabei allein auf seine Kamera- und Lidar-Sensoren.
EDAG zeigte eine höchst ungewöhnliche Entwicklungsstudie namens Citybot. Dabei handelt es sich um ein multifunktionales autonomes und schwarm-intelligentes Roboterfahrzeug, das die EDAG Group auf der IAA 2019 im Rahmen eines ganzheitlichen Mobilitäts- und Verkehrskonzepts präsentierte. Dieser Citybot, der als Roboterfahrzeug in Städten unterwegs ist, verfügt unter anderem über ein höhenadaptives Fahrwerk in Kombination mit bis zu 24 kW starken Radnabenmotoren und Allradlenkung. Damit kann das Fahrzeug auch seitwärts fahren und die von EDAG-Psychologen entwickelten Gestik-Funktionen unterstützen. Ein schon rein optisch herausragendes Element ist ein aus der Fronthaube herausragender Avatar mit integrierten Sensorset für autonomen Fahr- und Arbeitsantrieb, der auch als „emotionaler Kommunikationspunkt für seine Umgebung“ agiert sowie sprechen, nicken und Blickkontakt aufnehmen kann. Eine Brennstoffzelle soll den 24/7-Betrieb ermöglichen, wobei das Auftanken über eine von EDAG entwickelte spezielle Koppelstelle binnen drei Minuten erfolgt. Diese Koppelstelle sorgt neben der mechanischen Verbindung auch für die Daten- und HV-Spannungsübertragung. Ein Connectivity-Modul ermöglicht eine „optimale Verkehrsfluss- und Einsatzplanung“ sowie Payment-Anwendungen.
Was es mit „EV Plus“ von ZF auf sich hat und welche Entwicklungs-Ergebnisse Schaeffler zur Brennstoffzelle präsentiert, finden Sie auf der nächsten Seite.
Elektromobilität
Das inoffizielle zentrale Thema der IAA war die Elektrifizierung des Antriebsstrangs, wobei Kanzlerin Angela Merkel während der Eröffnung die klimafreundliche Verkehrswende als „Herkulesaufgabe“ bezeichnete. Dass hierbei nicht immer nur reine E-Fahrzeuge die einzige Alternative sind, stellte ZF mit einem Hybridansatz hervor, bei dem die rein elektrische Reichweite knapp jenseits der 100 km liegt. „So wird das E-Fahrzeug zum Erstfahrzeug, das gleichzeitig langstreckentauglich ist“, betont Stephan von Schuckmann, Executive Vice President der Division Car Powertrain Technology. „Außerdem ist hierfür keine Hochvolt-Lade-Infrastruktur erforderlich, weil bei diesen Batteriekapazitäten das AC-Laden über Nacht oder am Arbeitsplatz ausreicht.“ Gleichzeitig weist er auf einen wesentlichen Nebenschauplatz hin: „Mit einer kleineren Batterie ist der Wertverlust nach acht bis zehn Jahren wesentlich geringer“, und auch die Kosten des Neufahrzeugs dürfte solch ein Ansatz im Vergleich zu einem langstreckentauglichen EV massiv senken.
Mit seinem „EV Plus“ genannten System geht ZF diese Thematik systematisch an, indem sich die elektrische Reichweite auf über 100 km erhöht, was laut ZF-CEO Wolf-Henning Scheider dann folgende Konsequenz zur Folge hat: „Echte Elektromobilität wird mit nur einem Familienauto möglich.“ Und da nach Angaben von Stephan von Schuckmann nur eine Reichweite von 80 bis 90 km erforderlich ist, um 80 Prozent der Bevölkerung zu erreichen, könnte man mit diesem Ansatz wirklich sehr viel für die Verbesserung des Klimas tun, während gleichzeitig die Investitionen in die konventionelle Verbrennertechnologie noch nicht so schnell abgeschrieben werden müssen – allerdings nur, wenn die Endkunden auch wirklich möglichst viel elektrisch fahren.
Gleichzeitig betonte der ZF-CEO mehrfach, dass ZF „technologieoffen“ sei, weil der Zulieferer auch Lösungen für reine E-Fahrzeuge sowie für Verbrenner im Programm habe – eine Argumentation, die auch Matthias Zink, CEO Automotive OEM bei Schaeffler, nutzte. Dabei betonte er besonders die hohe Wertschöpfungstiefe seines Unternehmens von der Wickelmaschine bis zum hochintegrierten E-Antriebssystem, wobei die Hybridtechnologie für Schaeffler offensichtlich eine besondere Rolle spielt.
Brennstoffzelle
Gleichzeitig stellte Schaeffler auch Ergebnisse eines Vorentwicklungsprojekts rund um die Brennstoffzellen-Technologie aus. Bosch beabsichtigt, Brennstoffzellen bezahlbar zu machen, und Elring-Klinger stellte die Brennstoffzellen zumindest optisch gleich in den Mittelpunkt seiner Messeaktivitäten. Das NM12 genannte Niedertemperatur-Brennstoffzellen-Stackmodul des Unternehmens eignet sich für den Wasserstoff-Luft-Betrieb; flüssiggekühlt arbeitet es im Druckbereich bis 2,5 bar. Mann + Hummel wiederum stellte unter anderem Filtrationstechnologie aus, die das in Brennstoffzellen genutzte Kühlmittel auf einer niedrigen elektrischen Leitfähigkeit hält.
Warum eine Batterie zwei Spannungen haben kann und 48-V-Systeme so wichtig sind, wird auf der nächsten Seite erklärt.
Eine Batterie, zwei Spannungen
Hella hat sich auf die Fahnen geschrieben, seine Kunden „ganzheitlich auf dem Weg in die Elektromobilität“ zu begleiten. Kernprodukt ist in diesem Kontext das Dual Voltage Battery Management System. Es bündelt die Funktionen einer 48-V- und 12-V-Batterie (inklusive Low Voltage Battery Management) innerhalb eines einzigen Produktes auf dem Bauraum einer konventionellen 12-V-Batterie. Die neue Batteriemodul-Lösung spart Gewicht und Bauraum und lässt sich direkt in bestehende Fahrzeugarchitekturen integrieren. Damit ist es über eine dynamisch rekonfigurierbare Schaltung möglich, die Kapazität der Li-Ionen-Batterien je nach Anwendungsfall im 12-V- oder 48-V-Bordnetz zu verwenden. Die Lösung, deren Serienproduktion wohl 2023 beginnen wird, ist vor allem für Fahrzeuge der Kompakt- und Mittelklasse konzipiert.
Apropos Batterie: Samsung SDI erklärte sehr praxisnah, wie Lithium-Ionen-Batteriezellen funktionieren, und zeigte seine unterschiedlichen Zellentypen, während diverse OEMs zeigten, wie sie die Batterien (und die HV-Elemente) im Fahrzeug(boden) unterbringen.
Elring Klinger zeigte aber auch Batteriemodule mit prismatischen und zylindrischen Zellen. So lässt sich beispielsweise ein auf der IAA ausgestelltes 60-V-Modul in Energiespeicher bis zu einer Gesamtsystemspannung von 400 V integrieren. Der Zellspannungsabgriff erfolgt über vollautomatisch erstellte Bondverbindungen. Webasto wiederum zeigte seine Standard-Batterie, die kurz vor der Serienreife steht, und im Februar 2020 das erste Mal ausgeliefert werden soll – inklusive Vehicle Interface Box, die als Schnittstelle zum Fahrzeug dient.
48 Volt
Jacques Aschenbroich, CEO von Valeo, erklärte: „Die IAA hat in diesem Jahr einen starken Schwerpunkt auf der Elektrifizierung des Antriebsstrangs“ – und dabei schließt er 48-V-Systeme ausdrücklich mit ein. Neben Valeo zeigten besonders Magna und Bosch auch 48-V-Systeme, wobei Bosch eine 48-V-Lösung präsentierte, die speziell zur Elektrifizierung von Leichtkrafträdern konzipiert ist; sie besteht aus der Batterie, dem P4-Antriebsaggregat, der ECU und einem 48-V-DC/DC-Wandler und lässt sich auch auf größere Fahrzeuge skalieren. SGS wiederum zeigte eine 48-V-Boost-Rekuperations-Maschine, die zu allen Getriebe und Antriebssystemen kompatibel sein soll und besonders sanfte Stopp/Start-Funktionen ermöglichen soll.
Für mehr Informationen über die Funktion von On-Board-Chargern sowie das dazugehörige Thermomanagement bitte zur nächsten Seite klicken.
Laden und OBCs
Im Freigelände (gleich neben den diversen Möglichkeiten, mit SUVs und Geländewagen zu fahren) stand nicht nur bei Ionity das Thema Laden groß auf der Tagesordnung. Diverse Zulieferer zeigten ihre On-Board-Charger (OBCs). Ein gutes Beispiel dafür war am Stand von Kostal zu sehen, wobei die OBC-Plattform für Leistungsklassen von 3,6 bis 22 kW skalierbar ist und optional mit einem 12-V-Wandler ergänzt werden kann. Auch Delphi zeigte einen OBC – und zwar im Rahmen seines Gesamt-Portfolios für die Elektromobilität, das auch das Batteriemanagement, einen kombinierten Inverter mit DC/DC-Wandler, die ECU sowie einen 800-V-Inverter umfasst.
Thermomanagement
Densos Europa-CEO Hisaaki Sato hob die Bedeutung der Entwärmung besonders hervor: „Das thermische Management wird eines der Top-Themen.“ Hierfür biete Denso auch Heatpipes an – und die seien „besonders wichtig für EVs“. Neben einem feuerhemmenden Gehäusematerial stellte Sekisui Chemical eine Lösung zur Entwärmung mithilfe seiner speziellen Materialien für das thermische Management in Lithium-Ionen-Batterien vor.
Nicht nur Valeo zeigte thermisches Management für Elektrofahrzeuge an seinem Stand. Das Valeo-System heizt das Interieur und konditioniert die Batterie. Damit soll die Reichweite um 30 Prozent höher ausfallen.
(av)