Elektroauto an der Ladesäule mit Ladekabel und Energietransfer;

Die E-Mobilität bietet die Chance für eine umfassende Transformation weg vom Verbrenner. Schlüsselfaktor dafür ist die Ladeinfrastruktur mit intelligenten Funktionen, für die es aber noch an offiziellen Normen und Spezifikationen mangelt. (Bild: Shutterstock 1771562054)

Alles zur Ladesäule der Zukunft

Elektrofahrzeuge versprechen ein ökologischeres Transportwesen als die bisherigen Verbrenner. Doch bis die Elektromobilität tatsächlich zu einem Massenmarkt wird, müssen noch einige Hürden genommen werden. Fragen der Kompatibilität der Ladestandards und einheitlicher technischer Spezifikationen sind noch immer nicht abschließend geklärt, was unter anderem auch den Test der Ladeinfrastruktur erschwert. Zusätzlich kommen immer mehr neue Funktionen hinzu, z.B. Smart Charging, Automatic Connection Devices oder Hochleistungs-Laden. Industrie- und Standardisierungsgremien kämpfen nun um die Integration neuer Funktionen in offizielle Normen und Spezifikationen, um gleichzeitig auch die Abwärtskompatibilität sicherzustellen.

Für Eilige:

Die E-Mobilität bietet die Chance für eine umfassende Transformation weg von der auf fossilen Brennstoffen basierenden Mobilität hin zur Mobilität auf Basis erneuerbarer Energien. Nationale und internationale politische Rahmenbedingungen, die darauf abzielen, die Einrichtung von Ladeinfrastruktur (EV Supply Equipment, EVSE) zu unterstützen, treiben das Wachstum des Marktes für EV-Ladegeräte voran. Länder wie Deutschland, China, die Niederlande und Frankreich sind einige der wichtigsten Nationen, die ihre EV-Ladeinfrastruktur durch verschiedene politische Fördermaßnahmen ausbauen.

So verfolgt Deutschland das Ziel, bis Ende 2021 50.000 zusätzliche Schnell- und Standardladestationen aufzubauen, sodass die nächste Schnellladestation innerhalb von zehn Minuten erreichbar ist. Darüber hinaus soll bis Ende 2023 ein öffentliches Schnellladenetz mit 1000 Standorten entstehen. Dieses Schnellladenetz soll aus mehreren Ladepunkten pro Standort bestehen, die jeweils eine Mindestleistung von 150 kW bieten. Damit sind Langstreckenfahrten und Schnellladungen in dicht besiedelten Gebieten problemlos möglich. 

Die derzeitige Realität sieht jedoch ernüchternd aus. Im vierten Quartal 2020 umfasst die deutsche Ladeinfrastruktur rund 35.600 Ladestationen. Um die ambitionierten Ziele zu erreichen, hat die Bundesregierung in den letzten Jahren zahlreiche Maßnahmen zur Förderung der E-Mobilität eingeführt. Dazu gehören z. B. die Kaufprämie für E-Fahrzeuge, die Kfz-Steuerbefreiung und das Elektromobilitätsgesetz. Die politischen Rahmenbedingungen haben u.a. zu einem Rekord bei den Neuzulassungen von E-Fahrzeugen in Deutschland geführt. Im Jahr 2020 wurden rund 194.200 batterieelektrische Fahrzeuge (BEVs) neu zugelassen, etwa dreimal so viele wie im Vorjahr (2019 weltweit rund 2.320.000).

Warum die Kompatibilität bei Ladestation noch immer ein Problem ist

Da die Batteriekapazität neuerer Mittelklasse-EVs 60 bis 80 kWh erreicht, spielt die Reichweitenangst eine immer geringere Rolle. Aber diese überlegene Reichweite und das erwähnte rasante Wachstum der gesamten öffentlichen EVSE-Installationen führen nun dazu, dass die E-Mobilität den globalen Massenmarkt erobert, wenn die Umsetzung genügend ausgereift ist. Um Autos mit Verbrennungsmotor gänzlich überflüssig zu machen, müssen E-Fahrzeuge eine wirklich große Reichweite haben. Dazu muss sich ein E-Fahrer darauf verlassen können, dass die nächste Ladestation auf seiner Route betriebsbereit ist und mit seinem Fahrzeug kompatibel ist. Das mag trivial klingen, ist aber in Wirklichkeit sehr komplex zu realisieren.

Während die meisten relevanten normativen Spezifikationen zwischen 2014 und 2015 veröffentlicht wurden (Bild 1), enthielten sie keine entsprechenden Tests, um die Konformität der Implementierung zu überprüfen. Im Folgenden soll das Ladeprotokoll Combined Charging System (CCS) näher betrachtet werden, da es der De-facto-Standard in Europa und Nordamerika ist und in anderen Ländern außerhalb Japans und Chinas eine größere Marktakzeptanz erreicht.

2021, inmitten einer Welle von EVs der 2. Generation aller großen Automobilhersteller, sind die Interoperabilitätsprobleme beim Laden noch nicht gelöst. Der Grund dafür ist klar: Eine CCS-Ladeschnittstelle ist sehr komplex, da sie Hochspannung und die Übertragung einer erheblichen Menge an elektrischer Energie beinhaltet. Zweitens: Das Design von Autos geschieht nach spezifischen Automobilstandards, während die Ladeinfrastruktur eher generischen elektrotechnischen Standards folgt.

Infolgedessen ist die technische Spezifikation für das Gleichstromladen von EVs in mehrere Dokumente der IEC (International Electrotechnical Commission), der ISO (International Organization for Standardization) und des DIN (Deutsches Institut für Normung) aufgeteilt. Bild 1 veranschaulicht die relevantesten Standards in Bezug auf die Interoperabilität für das konduktive Laden mit CCS (vereinfacht, da z. B. die mechanische Kompatibilität von Steckern und die EMV nicht berücksichtigt sind).

Wie zu sehen ist, gibt es immer noch keine Konformitätstestspezifikation, die neben den Kommunikationsprotokollen auch die System- und Sicherheitsanforderungen von EV und EVSE betrifft. Dies bedeutet, dass alle derzeit eingerichteten CCS-Produkte keinen harmonisierten Tests unterzogen werden können.

Glücklicherweise wird sich dies bald ändern. Die wichtigsten industriellen Interessengruppen, die in der Charging Interface Initiative e.V. (CharIN) organisiert sind, veröffentlichen in Kürze ein Interoperabilitätstestprogramm. Es konzentriert sich zunächst auf EVSE-Konformitätstests und wird es OEMs ermöglichen, ihre Produkte zu testen.

Bild 1: Die relevantesten Standards in Bezug auf die Interoperabilität für das konduktive Laden mit CCS und ihre zeitliche Einordnung.
Bild 1: Die relevantesten Standards in Bezug auf die Interoperabilität für das konduktive Laden mit CCS und ihre zeitliche Einordnung. (Bild: Keysight)

Ausblick auf die nahe Zukunft der Ladesäulen für E-Autos

Während der Fokus auf den heutigen Herausforderungen der Interoperabilität liegt, strebt der E-Mobilitätsmarkt bereits neue Entwicklungen und Technologien an, um zwei übergreifende Ziele zu erreichen: massentauglich und „grün“ zu werden. Ziel ist es, dem E-Fahrer beim Laden seines E-Fahrzeugs eine komfortable Erfahrung zu bieten, die mit der bekannten Betankung von Verbrennern vergleichbar ist. Relevante Begriffe sind in diesem Fall ein einfacher Zugang und eine möglichst automatisierte Kommunikation zwischen Elektrofahrzeug und Ladestation sowie eine möglichst kurze Ladezeit.

E-Mobility: Laden

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(Bild: AdobeStock_39293318)

Wo und wie lässt sich ein E-Auto aufladen? Welche Leistungselektronik steck in einer Ladesäule? Wie wird die Ladesäule intelligent? Halbleiter, Hochvolt-Komponenten, Stecker, Kabel, Wallboxen, Kommunikation, Infrastruktur, Standards, Services und mehr. Die Technologien dahinter finden Sie hier.

So vereinfacht Plug und Charge das Laden von E-Autos

Derzeit müssen E-Fahrzeuge an der Ladestation mit RFID-Karten (Radio Frequency Identification) oder anderen Mitteln vom Fahrer des E-Fahrzeugs identifiziert werden, um einen Ladevorgang zu verifizieren, zu starten und die Bezahlung erfolgreich durchzuführen. Dieses Verfahren ist fehleranfällig und umständlich, da viele verschiedene Identifikationsmittel und Bezahldienste auf dem Markt existieren. Mit Plug and Charge, spezifiziert in der ISO 15118 Serie, wird der Prozess der Identifikation und Bezahlung so automatisiert, dass der EV-Fahrer nur noch das Ladekabel in sein Fahrzeug einstecken muss.

Um eine solche Funktion zu unterstützen, müssen die Ladekommunikation und insbesondere die Informationen über die Bezahlung verschlüsselt sein, um dem Nutzer ein sicheres Ladeerlebnis zu bieten. Zusätzlich sind die Zahlungsinformationen auch sicher über die Backend-Infrastruktur an weitere Beteiligte zu kommunizieren, was die Komplexität des Ökosystems weiter erhöht.

Ein zweiter Schritt zur Automatisierung des EV-Ladens ist das kabellose Laden. Wenn kein Ladekabel benötigt wird, muss der EV-Fahrer sein Fahrzeug nur parken und der Ladevorgang, die Kommunikation und die Energieübertragung, erfolgen automatisch.

Wie Smart Charging bei der CO2-Neutralität helfen soll

Um den Gedanken der CO2-Neutralität zu erfüllen, ist intelligentes Laden ein wichtiger Aspekt. Smart Charging beschreibt die zeitliche Planung von Ladevorgängen von Elektrofahrzeugen, gesteuert durch ein intelligentes Lastmanagement. Kriterien für die Steuerung sind die (minimale) Energiemenge, die das angeschlossene Fahrzeug benötigt, um die Reichweite des Besitzers/Nutzers zu ermöglichen oder die Minimierung des Gesamtstromverbrauchs im Netz. Die Herausforderung eines solchen Lastausgleichs ist die Komplexität und der Schwierigkeitsgrad der Steuerung, wenn es um zahlreiche angeschlossene Ladestellen und schwankende Mengen an erneuerbarer Energie wie Sonne oder Wind geht.

Solche relativ unvorhersehbaren Schwankungen der erneuerbaren Energiequellen benötigen Puffer.  EV-Batterien können in solchen Situationen einen wichtigen Beitrag leisten, wenn sie als Energiespeichersysteme betrachtet werden. Dies ermöglicht Szenarien wie Vehicle to Grid (V2G) oder Vehicle to Home (V2H), bei denen die EV-Batterie als Stromquelle für andere Verbraucher im Haushalt dient, wenn erneuerbare Energiequellen begrenzt sind oder nicht die notwendige Energiemenge liefern können. Wird der Energieverbrauch über Smart Meter und ein IT-Cloud-System an den Netzbetreiber angezeigt, helfen EVs und ihre Akkus auch dabei, Spitzen in der konventionellen Energieerzeugung zu minimieren (Bild 2).

Bild 2: Elektrofahrzeuge und ihre Akkus können dabei helfen, Spitzen in der konventionellen Energieerzeugung zu minimieren. Vehicle to Grid und Vehicle to Home sind solche Konzepte.
Bild 2: Elektrofahrzeuge und ihre Akkus können dabei helfen, Spitzen in der konventionellen Energieerzeugung zu minimieren. Vehicle to Grid und Vehicle to Home sind solche Konzepte. (Bild: Keysight)

Automatisiertes Laden ohne Aussteigen steigert den Nutzerkomfort

Beim konduktiven Laden ist der nächste logische Schritt zur Erhöhung des Nutzerkomforts, dass das Aussteigen aus dem Auto und das Anschließen der Ladepistole an das Auto entfällt, was besonders bei kalten oder nassen Wetterbedingungen lästig wäre. Außerdem kann die Handhabung bei Gleichstromladung aufgrund des Gewichts und der Steifigkeit des Kabels umständlich sein.

Daher wird die kommende Norm ISO 15118-20 die Unterstützung von Automatic Connection Devices (ACD) einführen, die auf verschiedene Weise implementierbar sind (z. B. Stromabnehmer, spezifischer Unterbodenanschluss oder konventioneller Stecker, der von einem Robotersystem gesteckt wird).

Hochleistungs-Laden senkt die Ladezeit

Ein zusätzlicher Aspekt beim Vergleich des Betankens eines Verbrenners mit dem Laden eines Elektrofahrzeugs ist die Ladezeit. Der CharIN e.V. bietet derzeit eine Klassifizierung für CCS, genannt DC CCS Power Classes, beginnend mit der Leistungsklasse DC5 und endend mit HPC350, für 5 kW bzw. 350 kW maximale Ladeleistung. Die Ladespannungen sind mit maximal 920 V und Strömen von 500 A (DC) angegeben. ChaoJi-1/-2, ein von chinesischen und japanischen Institutionen neu entwickelter Ladestandard, der die bisherigen Standards GB/T und CHAdeMO ablösen soll, spezifiziert eine maximale Ladeleistung von 900 kW, bei 1500 V und 600 A (DC).

Diese deutlich erhöhten DC-Ladeströme sind dank flüssigkeitsgekühlter Ladekabel noch beherrschbar, da diese im Vergleich zu den herkömmlichen Varianten ausreichend leicht und flexibel sind. In Kombination mit der Verdoppelung der Akkuspannung lässt sich so die typische Ladezeit entscheidend auf eine herkömmliche Betankungsdauer reduzieren (Bild 3).

Bild 3: Typische Ladezeiten abhängig von der Leistung der Ladestation. In Kombination mit der Verdopplung der Akkuspannung lassen sich Zeiten ähnlich einer herkömmlichen Tankdauer erreichen.
Bild 3: Typische Ladezeiten abhängig von der Leistung der Ladestation. In Kombination mit der Verdopplung der Akkuspannung lassen sich Zeiten ähnlich einer herkömmlichen Tankdauer erreichen. (Bild: Keysight)

Auch Nutzfahrzeuge sollen geladen werden können

Wenn heutzutage über die Herausforderungen der E-Mobilität gesprochen wird, liegt der Fokus in der Regel auf Personenkraftwagen mit einem elektrifizierten Antriebsstrang. Es gibt zwar viele bestehende DC-Ladestandards, aber keiner reicht aus, um Nutzfahrzeuge in einer angemessenen Zeit zu laden. Um ein Fahrzeugbatterien mit 200 bis 600 kWh in 20 bis 30 Minuten (die vom Anwender gewünschte Ladezeit) zu laden, ist eine Leistung von über 1 MW und ein Strom von über 1000 A erforderlich.

Aus diesem Grund versucht die Lkw- und Busindustrie eine neue Lösung für das Laden ihrer schweren Elektrofahrzeuge zu schaffen. Aufgrund des Bedarfs nach einem Stecker zum Laden von elektrischen Nutzfahrzeugen hat CharIN bereits 2018 die Arbeitsgruppe Megawatt Charging System (MCS) initiiert, um einen ganzheitlichen Systemansatz auf Basis von CCS zu erfüllen. Aktuell diskutierte technische Anforderungen für ein globales MCS sind maximal 1500 V und 3000 A (DC), was auf PLC + ISO/IEC 15118 basiert, allerdings nur als einzelner leitfähiger Stecker.

Was die Ladesäule der Zukunft bringen könnte

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die E-Mobilität in die potenziell kritischste Phase in Bezug auf die Massenadaption eintritt, und die Ladeinfrastruktur ist dabei ein Schlüsselfaktor. Dank staatlicher Maßnahmen und enormer Investitionen wird die Gesamtzahl der Ladepunkte, einschließlich sehr leistungsfähiger Hochleistungsladestationen für Langstreckenfahrten, bis 2025 massiv ansteigen.

Intelligente neue Funktionen sollen das bisher oft unbequeme Ladeerlebnis in ein nahtloses und hochautomatisiertes verwandeln, das dem Tankstellenbesuch weit überlegen ist. Doch um dorthin zu gelangen, gilt es, sich einer unsichtbaren, aber entscheidenden Herausforderung zu stellen. Industrie und Standardisierungsgremien kämpfen darum, all diese neuen, fortschrittlichen Funktionen für intelligentes Laden in offizielle Normen und Spezifikationen zu integrieren und gleichzeitig die Abwärtskompatibilität mit bereits eingerichteten Produkten zu wahren.

Keysight entwickelt Testlösungen für EVs und EVSEs. Mit seinen Scienlab-Ladetestlösungen ermöglicht Keysight Automobilherstellern und Ladestationsanbietern, Ladeschnittstellen von EVs und EVSEs während des Ladevorgangs mit hoher Leistung zu testen.

Autoren

(von links): Michael Tybel, Julian Tomczyk, Simon Reitemeyer
(von links): Michael Tybel, Julian Tomczyk, Simon Reitemeyer

Michael Tybel ist Leiter des Scienlab Solution Centers bei Keysight, Simon Reitemeyer ist Solution Architect für die Ladetestlösung im Scienlab Development Center bei Keysight, Julian Tomcyzk ist Solution Marketing Specialist für Lade- und Wechselrichter-Testlösungen bei Keysight.

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