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Eine Technologie auf dem Sprung in die Serie: Die direkte Funkkommunikation von Fahrzeugen untereinander sowie mit der Verkehrsinfrastruktur hat im japanischen Markt Anfang Oktober 2015 den Schritt in die Anwendung getan. V2X-Kommunikation (Vehicle-to-X) vervollständigt ideal die heute verfügbaren Sensoren zur Umgebungserkennung.

Bild 1: Die Vernetzung zwischen Fahrzeugen, schwächeren Verkehrsteilnehmern und Infrastruktur bietet mehr Potenzial für die Sicherheit.

Bild 1: Die Vernetzung zwischen Fahrzeugen, schwächeren Verkehrsteilnehmern und Infrastruktur bietet mehr Potenzial für die Sicherheit.Continental

Umfeldsensoren sind als Grundlage für ADAS der Eckpfeiler für eine steigende Fahrsicherheit durch Assistenzfunktionen bis hin zum automatisierten Fahren. ADAS-Sensoren unterliegen jedoch – wie die menschlichen Sinne – physikalischen Grenzen. Jeder Sensor hat bei aller Leistungsfähigkeit auch technische Einschränkungen. Zusätzlich kann die Erkennung von Objekten durch eine eingeschränkte Sichtverbindung beeinträchtigt sein, durch Verdeckung, Wettereffekte oder Lichtverhältnisse, die sich selbst mittels Sensorfusion nur bis zu einem gewissen Grad kompensieren lassen.

Auf Mobilfunk und Internet basierende Dienste, die ein Backend bereitstellt, können in Situationen, bei denen eine Latenzzeit von über 500 ms ausreichend ist, einen großen Beitrag zu Komfort, Effizienz und vorausschauender Sicherheit leisten. Gerade das Backend wird eine Fülle neuer Dienste ermöglichen, die den Autofahrer unterwegs mit stets aktuellen Informationen unterstützen werden.

Bild 2: Linksabbiegeassistent auf Basis der V2X-Kommunikation.

Bild 2: Linksabbiegeassistent auf Basis der V2X-Kommunikation.Continental

Ergänzend zu diesen beiden Bausteinen der Umgebungserkennung ist die direkte V2X-Kommunikation in der Lage, eine Lücke zu schließen: Mit ihrer kurzen Latenzzeit von unter 100 ms und der günstigen Ausbreitungscharakteristik der Funkwellen kann sie im Umfeld von zirka 500 m um das Fahrzeug herum als Bindeglied fungieren. Während ADAS-Sensoren das direkte Sichtfeld abtasten und das Backend den erweiterten elektronischen Horizont (eHorizon) ermöglicht, wirkt Kurzstreckenfunk wie ein zusätzlicher Umfeldsensor (Bild 1). Seine Stärke besteht darin, dass er quasi um die Ecke sehen kann und damit den nahen bis mittleren Entfernungsbereich in Echtzeit erfassbar macht.

Vorteile der V2X-Kommunikation

Die große Stärke der V2X-Kommunikation liegt in ihrer Schnelligkeit und Leistungsfähigkeit beim Nachrichtenaustausch. Die V2X-Kommunikation gemäß ETSI ITS-G5 in Europa entspricht dabei der „Dedicated Short Range Communication“ über IEEE 802.11p in Nordamerika. So kann der aktuelle Standard schneller Ad-Hoc-Netzwerke bilden und verfügt über eine höhere Sendeleistung als gängiges Consumer-WLAN. Im Vergleich zur Mobilfunkkommunikation ist diese Technologie unabhängig von der Netzverfügbarkeit. Speziell für sicherheitsrelevante Anwendungen ist das ein entscheidender Vorteil.

Innerhalb der Latenzzeit von weniger als 100 ms laufen zahlreiche Prozesse ab. Ausgehende Nachrichten erhalten einen absoluten Zeitstempel und können neben Fahrgeschwindigkeit auch Position, Bewegungsrichtung, Situation (etwa verdeckte Bremsvorgänge, liegengebliebene Fahrzeuge, Charakterisierung als Unfall- oder Einsatzfahrzeug) und weitere Informationen übermitteln. Eingehende Nachrichten werden innerhalb der Latenzzeit authentifiziert, verarbeitet und an das übergeordnete Steuergerät zur Handlungsplanung weitergeleitet. Dabei muss die Hardware entsprechend hohe Anforderungen an die Rechenleistung in Echtzeit erfüllen, denn es gilt, mehrere Hundert Nachrichten pro Sekunde zu verarbeiten.

Eckdaten

Kurzstreckenfunk vervollständigt die Umgebungserkennung im Fahrzeug. Damit wirkt sich V2X-Technologie wie ein zusätzlicher Sensor aus, der in einem Radius von zirka 500 m in Echtzeit Nachrichten aus einem nahen bis mittleren Fahrzeugumfeld bereitstellt. Gerade für sicherheitsrelevante Nachrichten eignet sich diese Ad-Hoc-Vernetzung sehr gut. Als modulare Hardware-Lösung dient die neue V2X Onebox.

Um den Nachrichtenaustausch gegen Missbrauch zu sichern, authentifiziert das System die Quelle jeder Nachricht anhand des mitgesendeten Zertifikats. So erkennt es bei jeder Nachricht, ob ihre Quelle sendebefugt ist. Die verwendeten Schlüssel und die ID ändert das System permanent, um ein Tracking der Sender auszuschließen.

Continental hat die Entwicklung und Validierung dieser Technologie aktiv vorangetrieben und V2X als Embedded-Lösung in Fahrzeugen installiert. Bei der verdeckten Annäherung eines bevorrechtigten Fahrzeugs an einer Kreuzung, dient V2X beispielsweise dazu, eine frühzeitige Warnung auszulösen. Eine weitere installierte Anwendung ist die Warnung vor sich verdeckt näherndem Gegenverkehr beim Linksabbiegen (Bild 2). Über eine Datenfusion mit einem Radarsensor erfolgt ein autonomer Bremseingriff, wenn der Fahrer, mangels Sichtlinie, nicht auf das sich annähernde Fahrzeug reagiert.

V2X-Lösung in einem modularen Steuergerät

Um die Implementierung einer direkten Kurzstreckenkommunikation zu erleichtern, hat Continental die V2X-Onebox entwickelt, die alle erforderlichen Hardwarebausteine und die Algorithmen zur Realisierung von Ad-Hoc-Kommunikation zwischen Fahrzeugen ohne feste Netzinfrastruktur in Echtzeit enthält (Bild 3). Die Onebox lässt sich direkt in die bestehende Fahrzeugarchitektur integrieren und basiert auf einem Baukastensystem.

Bild 3: Die modulare Onebox für V2X.

Bild 3: Die modulare Onebox für V2X.Continental

Bei der Integration spielt der Zugang der Onebox zur Außenantenne (Dachantenne, Shark-Fin oder versteckte Lösungen) eine große Rolle. Die Dachposition eignet sich ideal, weil die Ausstrahlungs- und Empfangscharakteristik hier möglichst eine 360-Grad-Abdeckung um das Fahrzeug sicherstellt. Die Antenne selbst kann mit bekannten Hardwarebausteinen vorbereitet werden, und die Onebox lässt sich mit einer möglichst kurzen Kabellänge frei positionieren.

Die Fahrzeuglokalisierung ist zentrale Grundlage für die Verarbeitung von V2X-Nachrichten und lässt sich durch Integration des M2XPro (Motion Information to X Providers), eines intelligenten Lokalisierungssensors, in die Onebox realisieren. Um die Eigenposition des Fahrzeugs robust, sicher und genau zu errechnen, fusioniert der Lokalisierungssensor GNSS (Globales Navigationssatellitensystem) Informationen mit den im Fahrzeug vorhandenen Fahrdynamiksensoren (Lenkwinkel-, Inertial- und Raddrehzahlsensorik). Ein Integritätsmaß liefert Statusinformationen über den Systemzustand und die Datenqualität, was Voraussetzung für eine Selbstüberwachung des Systems ist.

Funkortung von Vulnerable Road Users (VRUs)

Eine der größten Herausforderungen auf dem Weg zum unfallfreien Fahren ist der Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer (VRUs) wie zum Beispiel Fußgänger und Zweiradfahrer. Auch hier kann Kurzstreckenkommunikation einen entscheidenden Beitrag leisten. Als Sende- und Empfangshardware bei einem Fußgänger oder Radfahrer könnte sich zum Beispiel ein auf dem Smartphone aufbauendes System eignen. Zukünftig wird es möglich sein, das Smartphone in die WLAN-p-Kommunikation einzubinden, sodass es mit Fahrzeugen kommunizieren kann, die mit V2X ausgerüstetet sind; dies lässt sich mit überschaubaren Änderungen des Kommunikations-ICs realisieren. Wichtig ist hierbei, den hohen Standard bezüglich Daten- und Funktionssicherheit von V2X auch bei dieser Kommunikation umzusetzen, um mittels V2X-Botschaften anonym Position und Bewegungsprädiktion zum Fahrzeug übertragen zu können.

Da die Ortung eines Fußgängers, basierend auf GPS, schlechter als im Fahrzeug ist, laufen derzeit Arbeiten an weiteren Konzepten zur relativen Ortung und Bewegungsprädiktion. Vor dem Bremseingriff findet eine Fusion mit ADAS-Sensordaten statt. Dadurch lässt sich in dieser Phase die Objekterkennung entscheidend verbessern.

Dr. Gunnar Jürgens

Leiter Entwicklung im Geschäftsbereich Passive Sicherheit & Sensorik sowie Geschäftsführer Safety Engineering bei Continental in Alzenau.

(av)

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Continental AG

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