Im Januar war die CES in Las Vegas (siehe Messebericht per infoDIREKT 301ael0215) nicht nur Gastgeber der weltweit größten Elektronikhersteller, sondern auch der führenden Automobilhersteller der Welt. Die Präsenz der Automarken war dieses Jahr so stark, dass man den Eindruck gewinnen konnte, bereits auf der Detroit Auto Show zu sein. Angefangen bei einem futuristisch-autonomen Mercedes-F-015-Prototypen über einen selbstfahrenden Audi (basierend auf der A7-Serie) bis hin zu einem neuen BMW i8 mit induktiver kabelloser Elektroaufladung – die großen deutschen Automarken zeigten auf der CES, welche elektronischen Innovationen sie im Visier haben.

Freiform-Displays lassen sich direkt mit analogen Instrumenten kombinieren.

Freiform-Displays lassen sich direkt mit analogen Instrumenten kombinieren.Sharp

Dieser Trend lässt sich in Las Vegas bereits seit einem halben Jahrzehnt feststellen. Zusammen mit den Themen Effizienz und Sicherheit ist auch die Verarbeitung von Informationen und die Interaktion im Cockpit in den Fokus der Branche gerückt. Die Zukunft verspricht, das Pilotieren des Autos selbst überflüssig zu machen. Das Mechanische tritt vollständig in den Schatten des Digitalen. Für den Kunden wird die Frage, wie gut sein nächstes Fahrzeug auf der Datenautobahn beschleunigt, genauso wichtig wie die nach der Beschleunigung auf dem Asphalt.

Displays ändern sich

Diese Zusammenhänge bieten sowohl eine Gelegenheit zur Innovation als auch eine große Herausforderung. Die nächste Generation der Mensch-Maschine-Schnittstellen muss eine beispiellose Anzahl von Funktionen in Fahrzeugen liefern, ohne den Fahrer abzulenken. Rechteckig geformte Displays gehören heute zwar zum Standard in Fahrzeugkabinen, stehen aber häufig im Gegensatz zu den eleganten Interieurs und geschwungenen Exterieurs moderner Autos. Je größer das Display, desto schwieriger lässt es sich in das Innenraumdesign integrieren. Frei programmierbare Kombiinstrumente (FPK) helfen, doch bis jetzt basierten auch sie auf rechteckigen Anzeigen.

Passgenauer Übergang zwischen Freiform-Display und Analog-Instrument.

Passgenauer Übergang zwischen Freiform-Display und Analog-Instrument.Sharp

Die Anforderungen an Displaysysteme im Automotivebereich gehen jedoch noch weiter. In Autos müssen Bildschirme robuster, heller und zuverlässiger sein als so manches Equipment in der Unterhaltungselektronik. Sie müssen ohne Einbußen der Bildqualität über eine sehr lange Lebensdauer funktionieren – und das in einer Designumgebung, in der es auf jeden Millimeter Platz ankommt. Eine Reihe von Technologien für Messtechnik, Navigation und Unterhaltung rangeln derzeit um ihren Platz im Automobilcockpit der Zukunft: laserbasierende Heads-up-Displays, herkömmliche HUDs mit asphärischen Spiegeln, OLEDs und sogar autostereoskopische 3D-Displays. Jede von ihnen verspricht den Erstausrüstern ein einzigartiges Kundenerlebnis. Dennoch müssen sie sich alle in den engen Grenzen des Automobildesigns bewegen, wenn es um Größe, Stromverbrauch und Brillanz geht.

Free Form Displays

Es ist keine Überraschung, dass die neuen Freiform-Displays (FFDs, Free Form Displays) von Sharp dieses Jahr in Las Vegas große Aufmerksamkeit auf sich zogen. Vor allem der Prototyp der „Three Mountain“-Freiform-Instrumenteneinheit erweckte das besondere Interesse der Tier-1s und OEMs gleichermaßen. Free Form Displays punkten in Bezug auf Flexibilität, Innovation, Effizienz, Funktionalität und Anzeigenleistung in Automobilanwendungen, und die neuen FFDs, basierend auf Sharps IGZO-Technologie (Indium-Gallium-Zinkoxid), erwiesen sich als rundum geeignet für Eingaben über den Touchscreen.

Bezüglich der Formgebung von Freiform-Displays ist jetzt die Kreativität der Designer gefragt.

Bezüglich der Formgebung von Freiform-Displays ist jetzt die Kreativität der Designer gefragt.Sharp

Sharp hat seitdem eine hohe Zahl an Anfragen von OEM-Designabteilungen erhalten, aber auch bereits umfangreiche Erfahrung in der Serienfertigung der IGZO-Technologie sammeln können, welche die zugrunde liegende LCD-Technologie für die FFDs ist. Daher ist das Unternehmen in der Lage, schnell mit den Produkten auf den Markt zu kommen und dabei die hohen Anforderungen der Automobilbranche in Bezug auf Zuverlässigkeit und Langlebigkeit zu berücksichtigen. Voraussichtlich werden bereits Ende 2017 die ersten Freiform-Displays in Serienfahrzeugen zum Einsatz kommen.

Warum hat es so lange gedauert?

Warum sind LCDs mit gekrümmten Linien nicht schon seit langer Zeit auf dem Markt, wo die Idee doch ganz selbstverständlich erscheint? Die Grundstruktur der LCD-Bildschirme hat zum Beispiel sichelförmige Displays bisher unmöglich gemacht. Das Problem besteht darin, dass die geraden Zeilen und Spalten der rechtwinkligen LCDs die kritische Elektronik, die Gate- und Source-Treiber beheimatete. Sie sind auf der Innenseite der Blenden praktisch aller handelsüblichen Displays angebracht.

Bei seinen Freiform-Displays ist Sharp jetzt in der Lage, auf die Gate-Treiber in der Einfassung zu verzichten – und zwar so, dass aus den FFDs nicht nur eine Idee, sondern ein praktikables und innovatives Produkt entstehen kann.

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Sharp

FFDs machen Gate-Treiber überflüssig, weil sie die Schaltkreise in die Matrix der Bildschirme selbst integrieren. Während Schaltkreise innerhalb des Pixels positioniert werden, reduziert sich das Öffnungsverhältnis. Das Öffnungsverhältnis gibt an, wie viel Platz übrig bleibt, um Licht durch die Hintergrundbeleuchtung zu lassen, sobald die Elektronik in dem Pixel berücksichtigt wird. Bei herkömmlichem amorphen Silizium bedeutete ein kleineres Öffnungsverhältnis einen weniger effizienten Bildschirm: entweder leuchtet er nicht so stark oder er fordert eine stärkere Hintergrundbeleuchtung ein und verbraucht damit mehr Energie.

Exakt an dieser Stelle kommt IGZO ins Spiel. Ursprünglich entwickelt, um sehr effiziente hochauflösende Displays für den Markt der mobilen Endgeräte zur Verfügung zu stellen, bieten IGZO-Bildschirme eine zehnmal höhere Elektronenbeweglichkeit als amorphes Silizium. Folglich können die in IGZO-Pixeln verwendeten Transistoren wesentlich kleiner als die herkömmlicher Displays sein. Die kleineren Transistoren machen den Raum mehr als wett, der für die zusätzliche In-Pixel-FFD-Elektronik erforderlich ist. Und weil IGZO-Bildschirme nicht durchgängig betrieben werden müssen, weisen sie im Aus-Zustand einen niedrigeren Kriechstrom auf. Diese Fakten erleichtern die Umsetzung fortschrittlicher Strategien sowie die Erkennung kapazitiver Touch-Eingaben, was wiederum in einem einfühlsameren Eingabegerät resultiert.

Pole-Position

Warum ist diese neue Displaytechnologie zuerst für die Automobilbranche interessant? Auf lange Sicht werden sich sicher auch viele mobile Geräte den Formen unserer Hände und Taschen anpassen. Dennoch wird diese neue Technologie in den Cockpits der Premiumsegment-Autos debütieren – dort wo seit jeher technologische Innovationen zum Einsatz kommen. In der aktuellen Automobilentwicklung geht der Trend hin zu immer größeren Displays, während sich gleichzeitig die Größe des Cockpits nicht verändert hat. Diese Entwicklung in der Cockpitgestaltung hat die Anforderungen an Displaydesign und Ästhetik verändert. Daher begrüßen die Automobilhersteller die neu gewonnene Designflexibilität durch den Einsatz nicht rechteckiger Displays. Ein weiterer Vorteil liegt in dem überlegenen Wirkungsgrad und der großen Helligkeit.

Plug & Play

Wie sieht die Integration dieser neuen Technologie in den Fahrzeugen von morgen in der Praxis aus? Von Vorteil ist, dass FFDs die gleiche digitale Schnittstelle nutzen werden wie die herkömmlichen Displays von Sharp. Industriestandard-Grafiken und ICs werden somit einwandfrei funktionieren. Dennoch wird die erste Generation wahrscheinlich weiterhin mindestens eine gerade Kante erfordern, in der einige Schaltkreise verbleiben. Die anderen Kanten werden über einen sehr dünnen Rahmen verfügen – Sharp visiert hier bis zu 3 mm an.

Eck-Daten

Mit den neuen Freiform-Displays bietet Sharp auch viele neue Möglichkeiten. Denn diese FFDs weisen nicht nur eine hohe Bildbrillanz auf, sondern die Formen sind auf Kundenwunsch auch anpassbar. Auch der besonders hohe Wirkungsgrad ist von großem Interesse.

Obwohl die Formen der neuen Displays theoretisch alles Erdenkliche darstellen können, gibt es dennoch auch einige Sachzwänge. Freiform-Displays sind wie jeder andere LCD-Bildschirm auch hintergrundbeleuchtet. In herkömmlichen rechteckigen Designs ist eine gleichmäßige Ausleuchtung ein Schlüsselkriterium für Qualität und Perfektion – und manchmal schwer zu erreichen. Diese in ungewöhnlichen FFD-Designs zu erzeugen, wird die Herausforderung sein.

Während sich Änderungen an einem herkömmlichen 12,3″-TFT-Display noch in einer späten Phase des Entwicklungsprozesses vornehmen lassen, müssen sich die OEMs bei FFDs möglichst frühzeitig auf eine bestimmte Form und Abmessung festlegen. Die Entwicklungskosten bezüglich Design und Prototypenanfertigung sind bei benutzerdefinierten Freiform-Bildschirmen größer als bei herkömmlichen Displays. Bei Lieferzeiten von insgesamt zwei bis drei Jahren für kundenspezifische Formen ist Sharp in der Lage, seine Kunden innerhalb der branchenüblichen Entwicklungszyklen zu bedienen.

Dieser höhere Entwicklungsaufwand wird FFDs zunächst auf das Premiumsegment begrenzen. Für die überwiegende Mehrheit neuer Fahrzeuge wird die amorphe Silizium-Technologie von unschlagbarem Wert bleiben. Entsprechend plant Sharp, die bestehende Linie von 7″- und 8″-TFTs auf absehbare Zeit weiter zu fertigen.

Der Weg in die Zukunft

Freiform-Displays ermöglichen es den Tier-1s, ihre Ziele mit den neuesten frei programmierbaren Kombiinstrumenten zu verfolgen. So lassen sich auch fotorealistische Bilder direkt in Kombiinstrumenten anzeigen – mit FFDs, sogar in einem Raum, der Ausschnitte analoger Messgeräte integriert.

Es bleibt schwer einzuschätzen, welchen genauen Stellenwert Automobildisplays zukünftig haben werden. Der Fahrzeugabsatz insgesamt wird mit Sicherheit Auswirkungen auf die Nachfrage nach Displaytechnologien haben, doch bereits die Grundüberlegungen sind bisher alles andere als klar: Wie viele Bildschirme wird das Auto bieten? Derzeit tendieren Luxus-Fahrzeuge in Richtung einer Zwei-Display-Konfiguration – für das Kombiinstrument und das Navigationssystem. Das virtuelle Cockpit des auf der CES präsentierten Audi Q7 verfügte sogar insgesamt über acht digitale Displays. Der Trend scheint in Richtung mehr statt weniger Bildschirme pro Fahrzeug zu gehen, und dies trotz der Konkurrenz durch andere Technologien.

Heads-up-Displays haben den Nachteil, dass sie in puncto Brillanz oder Detailgetreue nicht mit der LCD-Technologie konkurrieren können. Das begrenzt ihren Einsatzbereich. Aktuelle OLED-Bildschirme sind dagegen sehr effizient und versprechen einen hohen Grad an Flexibilität. Aber sie müssen erst noch beweisen, dass sie die erforderliche Langlebigkeit garantieren können, die kritische Automobilanwendungen wie Kombiinstrumente erfordern. Das Problem besteht darin, dass die verschiedenen Farbfilme, die ein OLED-Bildschirm umfasst, mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten altern. Während die roten und grünen Schichten langsamer altern, kann der Output der blauen Schicht schnell sinken und die Farbtreue des Displays verringern.

Sobald die ersten Premium-Fahrzeuge mit integrierten Freiform-Displays Erfolg in den Autohäusern haben, könnte auch bei Mittelklasse-Fahrzeugen eine erhöhte Nachfrage nach FFDs entstehen. Ein weiterer Aspekt, der IGZO-basierenden Freiform-Displays zu einem höheren Absatzvolumen in der Automobilindustrie verhelfen könnte, ist ihr Wirkungsgrad, denn die IGZO-Technologie führt zu Bildschirmen mit niedrigen Ableitströmen. Als Ergebnis muss der Bildschirm nicht zu oft aktualisiert werden, um ein Flackern in Standbildern zu vermeiden. Das Display wird nicht ständig betrieben, sondern zeigt nur an, was wirklich erfordert wird – zugunsten einer höheren Effizienz. Die Senkung des Stromverbrauchs ist bereits ein primäres Ziel des Automobildesigns, das mit Sicherheit an Bedeutung gewinnen wird.

Mit den neuen Freiform-Displays bietet Sharp auch viele neue Möglichkeiten, denn diese FFDs weisen nicht nur eine hohe Bildbrillanz auf, sondern die Formen sind auf Kundenwunsch auch anpassbar; auch der besonders hohe Wirkungsgrad ist von großem Interesse.

Oliver Stolz

ist Key Account Manager bei Sharp Devices Europe.

(av)

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