Sachin Lawande, Executive Vice President der Infotainment Division bei Harman, erwähnte im Gespräch mit AUTOMOBIL-ELEKTRONIK, dass 15 OEMs etwa 80% aller Einkäufe im Bereich Infotainment“ abdecken: „Als Marktführer beliefert Harman neun dieser 15 OEMs.“ Überhaupt sieht sich Harman als „tonangebendes (Englisch: dominant) Unternehmen im Infotainment-Bereich“, da der nächste Wettbewerber nicht einmal halb so groß wie Harman sei. Der Infotainment-Anteil im Auto werde in Zukunft stark zunehmen: „Die beiden treibenden Faktoren sind Connectivity und Safety … Das Infotainment wird an der App-Economy teilnehmen, und zusätzlich werden wir Safety integrieren.“ Er verweist darauf, dass es mit Hilfe von Sicherheitssystemen wie ABS, ESP/ESC etc. gelang, die Anzahl und Schwere von Unfällen zu verringern, und stellt dann fest, dass die Unfallzahlen wieder ansteigen – und zwar auf Grund von Ablenkung.

Sachin Lawande: „Wir erwarten, dass wir in fünf Jahren etwa 10 bis 15% unseres Umsatzes mit den Safety-Lösungen machen werden.“

Sachin Lawande: „Wir erwarten, dass wir in fünf Jahren etwa 10 bis 15% unseres Umsatzes mit den Safety-Lösungen machen werden.“ Alfred Vollmer

Safety

„Die großen namhaften Zulieferer nutzen den Chip, die Software und die Algorithmen des israelischen Unternehmens Mobileye in ihren ADAS-Lösungen“, konstatiert Sachin Lawande. „Wir wollten nicht der siebte oder achte Zulieferer sein, der auch auf diese Lösung setzt. Daher haben wir einen anderen Ansatz, indem wir die Connectivity nutzen, um die Safety zu erhöhen, denn mit Connectivity hat man einen größeren Kontext: Man kann vorhersagen, was um einen herum geschieht, so dass man nicht darauf begrenzt ist, welche Daten die Sensoren im Fahrzeug liefern. Deshalb haben wir vor einem halben Jahr das israelische Software-Unternehmen iOnRoad gekauft, das in diesem Bereich aktiv ist. Weil die OEMs nicht noch eine zusätzliche ECU und noch mehr Gewicht möchten, haben wir die Safety-Funktionalität in unsere Lösung integriert und zeigen das Ergebnis hier auf der CES.“

Er weist darauf hin, dass die früher ganz großen Infotainment-Lieferanten beachtlich zurückgefallen sind, und liefert gleich die Begründung: „Der Grund hierfür ist die Tatsache, dass sich das Infotainment in dramatischem Umfang von der Hardware zum Software-Geschäft entwickelte – und genau das Gleiche passiert jetzt mit Safety, die heutzutage noch ein Hardware-Business ist. Die aktuellen Player besitzen die Algorithmen nicht; sie verlassen sich auf Mobileye. Unsere Strategie ist dabei sehr klar: Wir wollen aufbauend auf der Software unsere Lösungen anbieten, und wir wollen im Innenraum sein, nicht unter der Motorhaube.“

Harman setzt dabei besonders auf Lösungen mit Mono-Kamera, da Mono-Kameras alles abdecken könnten, was Stereo-Kameras heute bieten: „Es ist eine Frage der Algorithmen und der Software“, erklärt Sachin Lawande. „Wir erwarten, dass wir in fünf Jahren etwa 10 bis 15% unseres Umsatzes mit den Safety-Lösungen machen werden. Diesen Aspekt haben wir bereits mit eingerechnet, wenn wir sagen, dass der Infotainment-Markt innerhalb der nächsten fünf Jahre von 10 auf 20 Milliarden Dollar verdoppeln wird.“

Safety für die untere Mittelklasse

Dabei hat Harman wirklich ehrgeizige Ziele: „Unsere Kinder beginnen jetzt gerade mit dem Autofahren, und ich möchte, dass ihr Fahrzeug diese Safety-Features enthält. Wenn Safety nur im Premium-Fahrzeug vorhanden ist, dann kommen unsere Kinder in ihrem eigenen Auto vielleicht nicht in den Genuss der Systeme, aber wenn wir diese Safety in 15.000-Dollar-Fahrzeuge bringen, dann tut sich ein großer Markt auf – und genau dorthin wollen wir die Branche führen!“ Dabei dürfe die zusätzliche Safety nicht mehr als 5 bis 7% Zusatzkosten für den Endkunden bedeuten.

Sachin Lawande: „Wir können keine Connectivity anbieten, wenn wir die Security ignorieren“

Sachin Lawande: „Wir können keine Connectivity anbieten, wenn wir die Security ignorieren“ Alfred Vollmer

Security

Sicherheit hat bekanntlich zwei wesentliche Teilaspekte: Safety und Security. „Die Connectivity wird mehr und mehr zu einem Teil der Fahrzeuge, aber je stärker das Fahrzeug an die Umwelt angebunden ist, umso mehr setzt es sich auch den im Bereich Cyber-Security bekannten Gefahren aus, also dem Hacken und den Viren, und das ist ein großes Problem“, hebt Sachin Lawande hervor. „Wir können keine Connectivity anbieten, wenn wir die Security ignorieren … In unserer HTML5-basierten Architektur der nächsten Generation, die wir hier in Las Vegas zeigen, lösen wir dieses Problem.“

Ethernet

Und welche Rolle spielt das Ethernet in diesem Umfeld? „Ethernet im Fahrzeug wird in Zukunft sehr wichtig“, betont Sachin Lawande. „Wir sind einer der Ethernet-Pioniere im automobilen Umfeld und haben zum Beispiel AVB-Lösungen, die wir hier in Las Vegas zeigen. Ich glaube, dass Ethernet einige der proprietären Busse im Auto ersetzen wird. Harman war einer der Innovatoren von MOST, aber wir glauben, dass es jetzt an der Zeit ist, einen Schritt weiter zu gehen … Es wird eine Übergangsperiode geben, aber wir sehen jetzt, dass Ethernet beginnt, bei all unseren Kunden Fuß zu fassen; sie probieren es aus. Wir erwarten, dass MOST innerhalb der nächsten drei bis vier Jahre absacken wird.“ Der Fairness halber muss man erwähnen, dass Sachin Lawande in diesem Interview in englischer Sprache beim Thema MOST den Begriff „go down“ verwendete, der nicht unbedingt nur „absacken“ heißen muss sondern einen weiten Bedeutungsbereich von „(ab)fallen“ über „zurückgehen“ und „untergehen“ bis „sich im Niedergang befinden“ und „zugrunde gehen“ abdeckt.

Alfred Vollmer

ist Redakteur der AUTOMOBIL-ELEKTRONIK. Er führte dieses Interview zu Beginn des Monats im Rahmen der CES in Las Vegas/USA.

(av)

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