Die Digitalisierung von Autos und die Transformation zur E-Mobilität machen die Entwicklung leistungsfähiger und sicherer Bremssysteme komplexer. Hitachi Astemo verfolgt deshalb für die Validierung von Bremssystemen eine mehrstufige Strategie, die neben mechanischen Komponenten und Motoren auch das Hardware- und Software-System umfasst. Jetzt hat das Unternehmen die Bereiche xEV, AD/ADAS und Advanced Chassis um einen vierten Bereich IoV (Internet of Vehicles) ergänzt und einen virtuellen Rundgang durch das Werk in Paris vorgestellt, der einen Überblick über die Test- und Validierungsverfahren in der Bremsenentwicklung gibt. Ziel ist es, ein Tier-0.5-Zulieferer zu werden, der Hand in Hand mit OEMs an Fahrzeug-OS (Operating System) und -Applikationen arbeitet.
Phasenübergreifende Validierung
Leistungsstarke Bremsen sind Wegbereiter für hochautomatisiertes Fahren. Sie sollen sich leicht in eine zentrale und/oder zonale E/E-Architektur einpassen und nahtlos mit Brake-by-Wire-Technologien zusammenarbeiten. Gut konzipierte und gebaute Bremssysteme vereinfachen die Fahrzeugmontage und Wartung. Hitachi Astemo validiert Bremsen deshalb von einzelnen Komponenten bis hin zum vollständigen System mit vier Bremsen – und das über verschiedene Entwicklungs- und Produktionsphasen hinweg.
Validierung beim Produktdesign: Das Engagement für die Sicherheit beginnt bereits in der Entwurfsphase. Das Unternehmen nutzt hier Simulationen, um das Produktdesign zu optimieren und etwa gute Werte für Geräusch und Vibrationen zu erreichen. Ein Rechenzentrum unterstützt die Simulationen und macht sie mithilfe von KI besser und schneller. Bereits hier werden Modelle einbezogen, die schwierige Bedingungen für Bremssysteme abbilden. So lassen sich kritische Situationen schon früh im Design berücksichtigen.
Validierung von Materialien: Für die Sicherheit einer Bremse ist die Qualität der Materialien essenziell. Zentrale Prüfelemente dafür sind Festigkeit, Korrosionsbeständigkeit, Dauerhaltbarkeit und Sicherheit. Das Unternehmen nutzt hier für optische Prüfungen Mikroskope und Rasterelektronenmikroskope mit Röntgenanalyse. Damit lassen sich Werkstoffe sehr detailliert analysieren – bis hin zum Nachweis bestimmter chemischer Elemente. Elektrochemische Prüfungen charakterisieren Korrosionsverhalten von Bremsscheiben und -belägen; Zug- und Druckprüfungen an Gummi- und Kunststoffmaterialien testen deren Haltbarkeit. Die Korrosionsbeständigkeit in aggressiven Umgebungen nimmt das Unternehmen in Salzsprühkammern unter die Lupe.
NVH-Validierung: NVH-Techniken (Noise, Vibration, Harshness) sorgen für ein ruhiges, komfortables Fahrerlebnis. Dafür nutzt Hitachi im Pariser Werk Rollenprüfstände, die das Fahren auf der Straße simulieren. So lassen sich Quietschgeräusche und strukturelles Verhalten analysieren. Eine reflexionsarme Akustikkammer dient zum Ausbalancieren von Betriebsgeräuschen kritischer Komponenten. Das Strukturlabor misst Frequenzen, um Komponentenschwingungen besser zu verstehen. Außerdem werden Fahrzeugumgebungen für Geräuschanalysen auf Systemebene simuliert und Mikrobewegungen überwacht.
Leistungsvalidierung: Die Performance eines Bremssystems zeigt sich in der Zuverlässigkeit, Dauerhaltbarkeit und Leistungsfähigkeit. Hitachi unterzieht die Produkte auf Prüfständen extremen Bremstests mit Scheibentemperaturen von über 700 °C. Weitere Tests haben zum Ziel, das trockene Restschleifmoment zu minimieren, die Effizienz zu erhöhen sowie CO2- und Staubemissionen zu reduzieren. Vibrationstests gewährleisten, dass Bremsscheiben nicht brechen oder sich lockern. Außerdem werden Drehmoment, Hydraulik und Feststellbremse Dauerhaltbarkeitsprüfungen unterzogen. Funktionstests auf selbst entwickelten Prüfständen validieren Teilfunktionen in der Feinmechanik.
Software- und System-Validierung: Die Systemvalidierung gewährleistet die korrekte Integration von mechanischen, Software- und Hardwarekomponenten. Dabei wird die Software gemäß ASpice-Prozess und ISO-26262-Normen validiert. Hitachi verwendet SIL-Prüfstände (Software in the Loop) und HIL-Tests (Hardware in the Loop), um unter verschiedenen klimatischen Bedingungen Robustheit und Leistung sicherzustellen. Die Validierung der Smart Brakes umfasst dabei Tests von mechanischen Komponenten, Motoren, Hardware und Software.
Validierung am Fahrzeug: Schließlich erfolgen wichtige Validierungen noch unter realen Bedingungen am Fahrzeug. Diese umfassen beispielsweise die Bremsenleistung, die Laufleistung der Bremsbeläge, das NVH-Verhalten unter realen Bedingungen, die APB-Funktionalität (Automated Parking Brake) und Software für die EPB-Steuerung (Electric Parking Brake). Dazu kommen Tests unter gesicherten Bedingungen auf besonderen Strecken und öffentlichen Straßen sowie Erprobungsfahrten auf ausgewählten öffentlichen Straßen und in speziellen Testzentren für ergänzende Validierungen unter realen Bedingungen.