Da Bosch besonderes Augenmerk auf die Weiterentwicklung des Selbstzünders legt, ist für Dr. Rolf Bulander, Vorsitzender des Unternehmensbereichs Mobility Solutions und Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH, folgendes klar: „Der Diesel ist eine Schlüsseltechnologie um die CO2-Flottenziele zu erreichen – insbesondere in Europa geht es ohne den Selbstzünder nicht.“  Bei schweren und großen Fahrzeugen reicht allerdings eine alleinige Optimierung der Verbrennungsmotoren nicht mehr aus, sodass die CO2-Flottenziele der EU für das Jahr 2021 nach Einschätzung von Bosch dazu führen werden, dass eine Hybridisierung für alle SUV erhältlich sein wird. Insbesondere bei Plug-In-Hybriden und Hybriden sieht der Tier-1 daher in Zukunft große Marktchancen. Bosch zufolge sollen davon im Jahr 2020 schon über 9,5 Millionen dieser HEV-Typen von den Produktionsbändern rollen. In Anlehnung an ein Zitat seines Chefs Dr. Volkmar Denner kam Dr. Rolf Bulander zu folgender Schlussfolgerung: „Mit Elektrifizierung steht dem Verbrenner die beste Zeit noch bevor.“

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Das Boost-Recuperation-System spart nicht nur Kraftstoff und CO2 sondern es bietet auch Potenzial für zusätzlichen Fahrspaß. Bosch

Dr. Bulander betont, dass die Elektrifizierung nicht in Konkurrenz zum Verbrennungsmotor steht, sondern ihn ergänzt. Ein gutes Beispiel für diese Ergänzung sei das neue BRS (Boost-Recuperation-System) von Bosch. Der von Bosch im Vorfeld der IAA präsentierte Einstiegshybrid auf 48-V-Basis ermöglicht bei kompakten Fahrzeugen eine CO2-Reduzierung von rund 6 % im Zyklus, was hauptsächlich durch die Rückgewinnung von Bremsenergie geschieht. Über eine Segelfunktion lässt sich die Kraftstoffeinsparung sogar noch weiter steigern: Dabei wird der Motor auch bei hohen Geschwindigkeiten per Start/Stopp ausgeschaltet. Dass Spritsparen auch beim Einstiegshybrid mit Fahrspaß Hand in Hand gehen kann, verdeutlicht die Boost-Funktion des 48-Volt-Hybriden, denn beim Tritt aufs Gaspedal unterstützt die elektrische Maschine den Verbrennungsmotor mit bis zu 150 Nm Drehmoment. Im Kurztest der Redaktion machte sich diese zusätzliche elektrische Beschleunigung in einem Versuchsträger auf Basis eines Volkswagen Passat 2,0 TDI sehr angenehm bemerkbar – und zwar mit 11 kW elektrischer Leistung. Das Gesamtsystem aus BRS und Segelfunktion soll Bosch zufolge insgesamt bis zu 15 % Kraftstoff einsparen. Ein 2,5-kW-DC/DC-Wandler ermöglicht einen Energieaustausch zwischen dem 12-V- und dem 48-V-Teil des Bordnetzes. Ziemlich genau vier Jahre nach der Ludwigsburger Absichtserklärung (siehe infoDIREKT 302ael0311) von Audi, BMW, Daimler, Porsche und Volkswagen, in Zukunft auch ein zweites Bordnetz mit 48 V ins Fahrzeug zu bringen, hat die 48-V-Technologie somit quasi Serienstatus erreicht.

Continental

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In diesem Versuchsträger demonstrierte Continental sein System 48 V Eco Drive. Continental

Während Continental im Vorfeld der IAA 2013 noch eine ziemlich frühe Variante eines 48-V-Systems vorstellte, wird das Unternehmen jetzt auf der IAA 2015 eine fertig entwickelte Systemlösung namens 48 V Eco Drive präsentieren, die bereits 2016 mit zwei SOPs in Serie gehen soll. Als Presse-Demonstratorfahrzeug für 48 V Eco Drive nutzt Continental ein Serienmodell des Typs VW Golf mit einem 1,2 l Ottomotor, in das der Tier-1 die Komponenten einer 48-V-Hybridisierung ohne wesentliche Eingriffe in die Architektur integrierte.

Seine hohe Effizienz – Continental berichtet über einen Test mit 21 % Kraftstoffersparnis – erreicht das Demonstratorfahrzeug mit 48 V Eco Drive durch die Rückgewinnung kinetischer Energie beim Verzögern (Rekuperation) und dadurch, dass der Verbrennungsmotor möglichst oft abgeschaltet wird. Gerade diese Fahrstrategie namens „Motor-aus-Segeln“ (abgeschalteter und vom Antriebsstrang abgekoppelter Verbrennungsmotor) senkt den Kraftstoffverbrauch erheblich. Am Ende einer solchen Abschaltphase startet der 48-V-Motor den Verbrennungsmotor sehr leise und in weniger als 0,2 Sekunden wieder. Die mögliche Kraftstoffersparnis dieses Hybridsystems entscheidet, in welchen Phasen der Fahrt das Fahrzeug rekuperiert und wann beziehungsweise wie oft das Fahrzeug mit minimalen Reibungsverlusten rollen darf. Beide intelligenten Fahrstrategien stehen in einem gewissen Wettbewerb zueinander. Da sich die kinetische Energie des Fahrzeugs immer nur einmal nutzen lässt, spielt die Wahl der Fahrstrategie eine entscheidende Rolle, sodass Continental auch an dieser Stelle viel Aufwand investieren musste.

Die elektrische Maschine ist mit einer Spitzenleistung von 14 kW spezifiziert und kann 20 s lang 10 kW liefern, während die Dauerleistung bei 6 kW liegt. Damit erzeugt das System ein zusätzliches Drehmoment von 150 Nm an der Kurbelwelle; das merkt man, und es macht Spaß. Die 48-V-Lithium-Ionen-Batterie hat eine Kapazität von 10 Ah beziehungsweise von 460 Wh und weist eine Spitzenleistung von 11 kW auf. Ein Superkondensator puffert zusätzlich Energiespitzen. Über einen 3-kW-DC/DC-Wandler, der mit einem Wirkungsgrad von 96 % arbeitet, sind die 12-V- und die 48-V-Spannungsbusse des Fahrzeugs miteinander verbunden.

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Durch die Anbindung des Energiemanagements an die Cloud lassen sich bald auch dynamische Informationen zu Verkehrsfluss, temporärer Beschilderung und Ähnliches auf der Strecke für das Energiemanagement nutzen. Continental

Durch Anbindung an den eHorizon erhält dieses Demofahrzeug zusätzlich noch hoch aufgelöste Straßendaten, auf deren Grundlage ein Steuergerät die Fahrstrategie an die Strecke anpasst und somit noch energieeffizienteres Fahren ermöglicht. „Der Charme des vernetzten Energiemanagements mit eHorizon liegt darin, dass wir allein durch eine verbesserte Datenbasis in der Lage sind, die Fahrstrategie energetisch zu optimieren“, sagte Dr. Oliver Maiwald, Leiter Technology & Innovations bei Continental, Division Powertrain. „So kann das Steuergerät ausrechnen, welche Verbindung aus antriebslosem Segeln und Rekuperation dazu führt, dass die Batterie optimal geladen wird und gleichzeitig die Reibverluste des Fahrzeugs möglichst klein sind.“ Ein kurzer Fahrtest der Redaktion war sehr eindrucksvoll: Rechtzeitig vor einer beschilderten Geschwindigkeitsbeschränkung forderte das Fahrzeug durch eine Rückmeldung über das AFFP genannte Gaspedal den Fahrer dezent aber bestimmt dazu auf, den Fuß komplett vom Fahrpedal zu nehmen, um so das Fahrzeug bis zu diesem Straßenschild ausrollen zu lassen. Sowohl die Signalisierung als auch der Ausrollweg waren perfekt gewählt.

Zu den beispielhaft gezeigten Anwendungen gehört auch ein frühzeitiges Signal an den Fahrer, den Fuß vom Gas zu nehmen, weil er sich einer Stoppstelle nähert. So kann das Fahrzeug möglichst lange antriebslos ausrollen und am Schluss gezielt die Rekuperation einsetzen, um den Einsatz der Radbremsen möglichst zu vermeiden. Analog kann die Segel-Phase rechtzeitig vor einem Streckenabschnitt mit Geschwindigkeitsbegrenzung eingeleitet werden. Je nach Höhenprofil der Strecke, Kurven, Kreuzungen und Verkehrszeichen lässt sich so die Nutzung der Fahrstrategie an die Strecke anpassen. „In der Summe spart das zusätzlich weitere 2bis 3 % Kraftstoff ein“, ergänzt Dr. Maiwald.

„Mit der Anbindung des Energiemanagements an die Cloud, können wir zukünftig auch dynamische Informationen zu Verkehrsfluss und anderer Ereignisse auf der Strecke mit für das Energiemanagement nutzen“, erklärt Ralf Lenninger, Leiter Innovation und Strategie bei Continental, Division Interior. Bei bekannter Strecke (Navigation oder Streckenerkennung durch lernfähige Algorithmen) kann das Eco-Drive-Steuergerät vorausschauend darüber entscheiden, wann das Fahrzeug am besten rollt und wann rekuperiert werden sollte.

Alfred Vollmer

ist Redakteur der AUTOMOBIL-ELEKTRONIK.

(av)

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