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Für die Entwickler moderner IVI-Systeme ist es schwierig mit den rasanten Entwicklungszyklen heutiger PDs (Portable Devices, tragbare Geräte) wie Smartphones, Tablets, Musikplayer und Ähnliches und deren scheinbar grenzenlosen Anwendungsmöglichkeiten Schritt zu halten. Doch in Zeiten, in denen Mobiltelefon-Kunden bereit sind, für ihren Mobilfunkvertrag mehr auszugeben als für die Leasingrate eines Kleinwagens, muss die Integration des Smartphones in das IVI-System erfolgen. Die Entscheidung welches Auto das nächste ist, ist nun nicht mehr allein von Marke, Verbrauch, PS-Zahl, Design und Ähnliches abhängig, sondern auch von der Anbindung des Smartphones und anderen PDs an das IVI-System. Die vielfältigen Funktionen der Smartphones, die moderne Infotainment-Systeme nicht zur Verfügung stellen, veranlassen den Benutzer, diese auch manchmal während der Fahrt zu nutzen; natürlich geschieht das mitunter auf Kosten der Sicherheit. Der Sicherheitsaspekt spielt somit eine zentrale Rolle bei der Anbindung des Smartphones an das IVI-System. Mit MirrorLink, CarPlay und Android Auto gibt es heute Standards, die den Trend und Bedarf decken, das Smartphone sinnvoll in das IVI-System einzubinden.

USB, die Medienschnittstelle im Kfz

Die oben genannten Standards unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht. Dennoch gibt es eine markante Gemeinsamkeit, denn die kabelgebundene Anbindung an das IVI-System erfolgt über die USB-Schnittstelle. Die Datenanbindung sowie das Laden von Mobiltelefonen, Tablets und anderen Portable Devices findet im kommerziellen Bereich, neben drahtlosen Verbindungen wie Wi-Fi, Bluetooth und Wireless-Charging, schon seit langem über eine standardisierte Hardware-Schnittstelle statt, nämlich per USB-Schnittstelle. Nicht zuletzt hat auch der einzigartige Erfolg des USB-Standards im kommerziellen Bereich zum Durchbruch im Kfz beigetragen. Die Nachfrage nach einer USB-Schnittstelle zur Datenanbindung sowie zum Laden der PDs im Kfz ist auch aus diesem Grund schon seit langem massiv vorhanden.

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Microchip

Umfragen haben zudem ergeben, dass Autokäufer heutzutage gerne auf den Zigarettenanzünder verzichten, wenn dieser durch einen USB-Port zum Laden der PDs ersetzt wird. Mehrere USB-Schnittstellen im Kfz, idealerweise eine pro Passagier, sind ein weiterer Trend, der zurzeit vor allem in US-Fahrzeugen umgesetzt ist und weiterhin umgesetzt wird.

Neben der Telefonie, die bei der Verwendung der oben genannten Standards, nun nicht mehr zwingenderweise eine Bluetooth-Anbindung benötigt, wird außerdem das Streamen von Musik, Navigation, E-Mail-Services, SMS, Zugriff auf Internetdienste und die Verwendung bekannter Apps unterstützt. Sicherheit und Komfort stehen bei der Bereitstellung dieser Dienste für den Autobauer an erster Stelle. Dies ist zum Beispiel durch die Bedienung über Spracherkennung (Hands Free) gewährleistet. Die Ausgabe von Textnachrichten (SMS) über das fahrzeugeigene Audiosystem und die Steuerung der Smartphone-Funktionen über die im Lenkrad und die im IVI integrierten Schalter und Knöpfe sind weitere Beispiele einer sicheren Bedienung im Fahrzeug.

Die Migration der Consumer-Schnittstelle USB ins Kfz hat bereits in vielen Fahrzeugmodellen stattgefunden und breitet sich auch in Zukunft noch weiter aus. Die USB-Daten-Anbindung und das Laden der PDs sind bei vielen OEMs schon in Serie. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass USB für den kommerziellen Bereich entwickelt wurde und die Anforderungen im Kfz nicht mit denen im eigenen Heim zu vergleichen sind. Automotive-qualifizierte Komponenten und ein speziell abgestimmtes Feature-Set sind deshalb Grundvoraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von USB im Fahrzeug. Trotz der Herausforderungen, die die Fahrzeugumgebung darstellt, kommt USB im Fahrzeug zum Einsatz.

Break-out-Box

Die BoB (Break-out-Box) als zentrale Medienschnittstelle für Consumer-Devices ist bereits heute in Fahrzeugen fest etabliert, weil sie mehrere Medienschnittstellen, eine flexible Platzierung im Fahrzeuginnenraum, erhöhte Sicherheit und gesteigerten Komfort bietet. Neue Trends, die durch Smartphones und in Zukunft auch durch andere Technologien gesetzt werden, erfordern eine schnelle Reaktionszeit, um den neuen Kundenanforderungen und Wünschen gerecht zu werden. Auf diese neuen Anforderungen lässt sich mit einer entsprechenden BoB schnell reagieren. Auch Änderungen der Hardware oder/und Erweiterungen können in einer BoB wesentlich schneller und kostengünstiger realisiert werden als dies in der Head-Unit der Fall wäre.

Break-out-Box bietet Vorteile

Mit dem Wunsch, die USB-Schnittstelle(n) im Fahrzeug anzubieten, stellen sich Autobauer mehrere Fragen: Wohin mit den USB-Port(s) und anderen Medienschnittstellen wie Aux-In – in kurzer Distanz zur Head-Unit (HU)?

Eine kurze Wegstrecke zwischen der USB-Buchse und dem System-on-Chip (SoC) der HU hätte den Vorteil, dass im Idealfall auf eine aktive Signalaufbereitung verzichtet werden kann. Das Smartphone liegt dann auf einer Ablagefläche unter der HU oder gegebenenfalls auf dem Beifahrersitz. Im Falle eines Unfalls kann es aber zu einem gefährlichen Geschoss werden.

Die freie räumliche Platzierung der USB-Schnittstellen im Fahrzeug durch die Integration einer BoB (Break-out-Box) gibt dem Autobauer die Möglichkeit, USB-Ports für Fahrer und Beifahrer optimal zu platzieren. Die Media-Anschlüsse der BoB können beispielsweise in der Mittelarmlehne verschwinden, und das Mobiltelefon ist nun auch im Falle eines Unfalls sicher verstaut.

Auch für Passagiere im Fond bietet eine BoB etliche Vorteile. Nun können auch hier die Mitfahrenden ihre PDs problemlos über die vorhandenen USB-Anschlüsse laden. Eine clevere Anbindung an das IVI-System kann zudem den Zugang und die Nutzung beliebter Services und Apps bieten. Video Streaming auf Displays, die zum Beispiel in den Kopfstützen integriert sind, erhöhen zusätzlich den Komfort.

Bild 1a: USB84604 im Default State.

Bild 1a: USB84604 im Default State.Microchip

Die Einführung einer BoB bringt aber auch neue Herausforderungen mit sich: die Signalintegrität zwischen HU und BoB muss nun auch über mehrere Meter Entfernung gewährleistet sein. Die Bereitstellung mehrerer USB-Ports, eine aktive Signalaufbereitung sowie das optimale Laden der PDs erfordern die Einführung aktiver Komponenten, zu denen unter anderem DC/DC-Wandler, Power-Controller und USB-Hubs gehören.

Break-out-Boxen bieten nicht nur eine flexible Platzierung der Medien-Schnittstellen im Kfz sondern erhöhen auch die Sicherheit und den Komfort. Es gibt aber noch weitere Vorteile und Herausforderungen, die mit der Integration einer BoB einhergehen.

UCH: USB-Controller-Hub löst ein zentrales Problem

Die Unterstützung verschiedener Standards zur Anbindung von Smartphones an das IVI-System haben eine mitunter gravierende Auswirkung auf die Hardware-Architekturen der BoB.

Bild 1b: USB84604 im Flex State.

Bild 1b: USB84604 im Flex State.Microchip

Der Standard eines bekannten Smartphone-Herstellers verlangt beispielsweise die Kontrolle über die HU, so dass die HU zum USB-Device wird und das Smartphone zum USB-Host. Das Smartphone gewinnt somit die Kontrolle über die HU. Die Rechenpower des Smartphones kommt nun voll zum Einsatz und, abgesehen von ein paar Steuerungsbefehlen, werden allein die Datenströme vom Smartphone über USB an die jeweiligen Schnittstellen des SoCs geleitet und entsprechend ausgegeben. Da nun eine geringere Rechenleistung des SoC der HU ausreicht, kann ein kostengünstigeres SoC-Derivate zum Einsatz kommen.

Der Rollentausch vom USB-Host zum USB-Device-Mode ist unter anderem auch unter den Bezeichnungen Role-Reversal, Flip-Mode oder Host-Swap bekannt – und diesen Modus muss das System während der Laufzeit unterstützen. Im Flip-Mode fordert eine USB-Verbindung zwischen Smartphone und HU unter Verwendung eines USB-Hubs somit eine besondere Funktion des USB-Hubs.

Flex-Connect eine einzigartige Funktion

Zur Unterstützung, der bereits erwähnten USB-Host-Funktion des Smartphones ist unter Verwendung eines USB-Hubs eine spezielle Funktion notwendig, die diese USB-Host-Funktionalität an einem Downstream-Port erlaubt. Der USB84604 genannte Baustein ist weltweit der erste USB2.0-4-Port-Hub der dieses Flex-Connect genannte Feature bereitstellt, bei dem die an Port 0 und Port 1 angeschlossenen Geräte je nach Ansteuerung die „Rollen“ tauschen können.

Zur Illustration ist in Bild 1a der Default-Zustand des USB-Hubs dargestellt. Port 0 ist hier als Upstream-Verbindung typischerweise mit dem USB-OTG-Interface (OTG: On-The-Go) des SoCs verbunden, der in der HU residiert. An Port 1 bis 4 lassen sich unterschiedliche USB-Devices anschließen, wie dies auch bei jedem herkömmlichen USB2.0- 4-Port-Hub der Fall ist. In diesem Zustand initialisiert die Software des SoCs als USB-Host die mit den Downstream Ports 1 bis 4 verbundenen PDs. Die HU-Software hat nun Zugriff auf Daten der PDs, die zum Beispiel auf Mobiltelefonen, Memory-Sticks oder Tablets gespeichert sind – natürlich nur insoweit die HU-Software dies unterstützt.

Bild 1 b zeigt das USB2.0-Hub im so genannten Flex State. Im Flex State agiert nun das Smartphone als USB-Host und bleibt mit Port 1 verbunden, so dass sich Port 0 zum Downstream-Port wandelt und Port 1 sich zu einem Upstream-Port verändert. Der „neue“ USB-Host residiert nun an Port 1 und kann PDs an Port 0 sowie den Ports 2 bis 4 initialisieren soweit das Smartphone dies unterstützt.

In Bild 1 (a und b) ist an einem fünften Downstream-Port ein Mikrocontroller angeschlossen. Dieser Mikrocontroller ist Teil des Hubs und als IP auf dem Halbleiter integriert. Der integrierte Mikrocontroller hilft nicht nur beim Ansteuern der Flex-Connect-Funktion sondern eröffnet dem BoB-Designer vielfältige neue Anwendungsmöglichkeiten.

Bild 2: BoB-Design mit Flex-Connect-Unterstützung an Port 1 und 2.

Bild 2: BoB-Design mit Flex-Connect-Unterstützung an Port 1 und 2.Microchip

Doch wie schaltet der USB-Hub vom Default-Zustand in den Flex-Zustand? Eine elegante Methode, den USB84604 in den Flex State zu schalten, ist die Ansteuerung des integrierten Mikrocontrollers. Mit einem definierten Setup-Paket, das die HU-Software mittels USB-Kommando zu einem festgelegten Zeitpunkt an den Controller schickt, wird der Hub in den Flex State gebracht. Zusätzliche Leitungen in der Verbindung zwischen HU und BoB entfallen, eine Hardware-Designänderung ist nicht erforderlich.

Der Mikrocontroller macht den Unterschied

Der integrierte Mikrocontroller bietet noch weitere wichtige Vorteile im Kfz: Erst durch die Integration des Mikrocontrollers lassen sich USB-Tunneling-Funktionen wie USB-zu-GPIO oder USB-zu-I2C-Bridging realisieren.

Die USB-zu-GPIO-Bridging-Funktion in Kombination mit zwei USB2.0-High-Speed-Schaltern ermöglicht die Erweiterung von Flex-Connect auf einen weiteren Downstream-Port (Bild 2). Spezielle GPIOs des USB-Hubs steuern die High-Speed-Schalter entsprechend an und gewährleisten die Verbindung des Smartphones mit Port 1. Wenn beispielsweise zwei USB-Ports in einer BoB zur Verfügung stehen, muss der User nun nicht mehr den einen Port finden, der Flex-Connect bereitstellt; vielmehr kann er den Port frei wählen, da beide Ports den USB-Host-Mode des Smartphones unterstützen.

Bild 3a: Augendiagramm von Phy Boost.

Bild 3a: Augendiagramm von Phy Boost.Microchip

Auch das Verlagern von Funktionen, wie beispielsweise die Authentifizierung, die zur Daten-Anbindung bestimmter PDs vorgeschrieben ist, kann über die USB-zu-I2C-Bridge erfolgen. Gerade bei schnelllebigen Produkten aus der Consumerwelt kommt es oft zu Änderungen, was unter Umständen eine neue Version des Authentifizierungs-Chips zur Folge hat. Wird diese Änderung auch im Fahrzeug nötig, dann bedeutet dies eine potenzielle Hardware-Änderung in der HU. Eine Requalifizierung der HU, in der normalerweise die Authentifizierung stattfindet, verursacht zusätzliche Kosten, und der zeitliche Aufwand der Qualifikation kann unter Umständen auch erhebliche Auswirkungen auf den Projektplan haben. Die Authentifizierung und somit Lokalisierung des erforderlichen Chips kann jedoch auch in der BoB stattfinden. Bei Verlagerung des Chips und somit der Funktion findet nun die Authentifizierung „Remote“, getrieben durch die USB-I2C-TunnelingFunktion auf der Hardware der BoB statt.

Kommt es zu Änderungen am Authentifizierungs-Chip, können die Entwickler nun schnell reagieren, so der zeitliche Aufwand und die Kosten für eine Requalifizierung geringer ausfallen. Außerdem ist es möglich, die BoB kostengünstig in der Werkstatt auszuwechseln. Schon heute wird diese Funktion in der beschriebenen Weise genutzt und befindet sich in Serienfahrzeugen auf der Straße.

Bild 3b: Vari-Sense in Aktion.

Bild 3b: Vari-Sense in Aktion.Microchip

USB im Kfz: EMV-Probleme?

Die EMV-Problematik im Kfz ist ein weiteres wichtiges Thema – insbesondere bei der Erzeugung von High-Speed-Signalen, wie dies bei der USB-Datenübertragung der Fall ist. Da die Kabellänge zwischen HU und BoB schnell mehrere Meter beträgt, ist ein robuster Signal-Link unbedingt notwendig.

Die Downstream- und Upstream-Ports des USB-Hubs erfüllen den geforderten USB2.0-Standard, und die Überbrückung von Kabellängen bis fünf Meter ist problemlos möglich. Die hohen Anforderungen im Kfz bezüglich EMV-Störfestigkeit haben jedoch gezeigt, dass die mögliche Regelung des USB-Signals und die daraus resultierende Verbesserung der Signalqualität zu einer Datenverbindung zwischen HU und BoB führt, die gegenüber Störeinflüssen robuster ist.

Mit der Phy-Boost-Technologie des USB-Hubs lässt sich das USB-Signal zur HU verstärken (Bild 3a). Vari-Sense als Counterpart bietet zudem die Möglichkeit, das von der HU an die BoB übertragene Signal am Receiver des USB-Hubs optimal einzustellen (Bild 3b). Die so ermittelten Parameter sowie eine Vielzahl weiterer Einstellungen werden direkt in dem vorhandenen OTP-Speicher des USB-Hubs abgelegt; ein externes EEPROM ist nicht mehr notwendig.

Stefan Sänger

ist Product Marketing Manager bei Microchip.

(av)

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