Jochen Ehrenberg (links) und Steffen Reich (mitte) im Gespräch mit AUTOMOBIL-ELEKTRONIK-Chefredakteur Alfred Vollmer

Jochen Ehrenberg (links) und Steffen Reich (mitte) im Gespräch mit AUTOMOBIL-ELEKTRONIK-Chefredakteur Alfred Vollmer: Mit der zunehmenden Elektrifizierung des Antriebs rückt der Innenraum natürlich umso mehr in den Fokus und wird zum entscheidenden Faktor zur Markendifferenzierung. (Bild: Preh)

Herr Ehrenberg, wie laufen die Geschäfte?

Jochen Ehrenberg: Wir konnten den Umsatz im abgelaufenen Jahr um 12 Prozent steigern – und das mit einem durchaus positiven Ergebnis. Das aktuelle Jahr wird sicher wieder herausfordernd. Unsere Planung war bereits etwas konservativer, und das war auch gut so, wie sich vor allem im 2. Quartal gezeigt hat.

Langfristig sind wir zuversichtlich und planen ein Wachstum in all unseren Produktbereichen; konkret gehen wir davon aus in zirka drei Jahren die 2-Milliarden-Umsatzgrenze durch operatives Wachstum zu erreichen. Der technologische Wandel unserer Branche bietet für Preh deutlich mehr Chancen als Risiken.

Welche Auswirkungen hat die Halbleiterknappheit auf Ihre Lieferfähigkeit?

Jochen Ehrenberg: Die dauerhafte Allokation bedeutet für die gesamte Organisation eine extreme Stress-Situation und einen Knochenjob. Das betrifft nahezu alle Bereiche und unsere Werke weltweit. Seit Beginn der Allokation kämpft die Mannschaft permanent darum, die nächsten Lieferungen abzusichern, und dabei ziehen alle an einem Strang. Das beginnt mit der Unterstützung aller Bereiche hier in Bad Neustadt in den Manage­mentgesprächen mit Kunden und Lieferanten und zieht sich weiter durch bis in alle Werke, die permanent ihre Produktionspläne anpassen, um flexibel auf die letzten Mikrocontroller-Lieferungen und die aktuellen Abrufzahlen vom Kunden zu reagieren.

Für die Entwicklung bedeutet das ebenfalls Zusatzschichten. Dort, wo ein Redesign unausweichlich ist, bringen wir unter maximalem Zeitdruck Alternativen auf den Weg. In Zeiten knapper Entwicklungsressourcen, vor allem in der Hardware und Software, sind solche Aufwände natürlich umso schmerzhafter. In Summe bin ich mir jedoch sicher, dass Preh sich gerade in der Allokation als zuverlässiger Partner bei unseren Kunden empfehlen konnte.

Preh ist jetzt seit elf Jahren zu 100 Prozent im Besitz der Joyson Group. Wie hat sich das Unternehmen durch den chinesischen Eigentümer verändert?

Jochen Ehrenberg: Das Unternehmen ist in den elf Jahren deutlich gewachsen und globaler geworden. Der Umsatz konnte mit 1,3 Milliarden Euro mehr als verdreifacht werden, und die einzelnen Produktgruppen haben sich alle positiv entwickelt. Unser Shareholder hat von Beginn an unseren Wachstumskurs gefördert und uns bei allen größeren Investitionsvorhaben unterstützt. Dadurch konnten wir uns in allen Produktbereichen hervorragend weiter entwickeln. Heute haben wir Benchmark-Produkte im HMI oder auch in der Elektromobilität in Serie, und gerade dort haben wir in den letzten Jahren hohe Investitionen getätigt.

Welche neuen Chancen ergeben sich durch die chinesische Mutterfirma?

Jochen Ehrenberg: Naheliegend und ganz offensichtlich haben wir natürlich einen hervorragenden Zugang zum chinesischen und asiatischen Markt, sowohl auf Lieferantenseite als auch zu den chinesischen OEMs. Gerade hier bestehen durchaus Chancen, in den kommenden Jahren zusätzlich zu wachsen, was von unserem Shareholder maximal unterstützt wird. Um diesem Wachstum gerecht zu werden, arbeiten wir intensiv daran, unsere Prozesse in der Fertigung und in der Entwicklung weiter global zu standardisieren und zu digitalisieren.
Aber eines wollen wir bei Preh trotz Wachstumskurs sicher nicht verändern, nämlich unsere klare Ausrichtung auf Innovationen und unsere hohe Wertschöpfungstiefe in der Fertigung.

Was sind die wichtigsten Herausforderungen, um heute im Automotive-Markt erfolgreich zu bleiben?

Jochen Ehrenberg: Im Wesentlichen sind es vier Themen, die adressiert werden müssen, um langfristig erfolgreich zu sein. Neben der technischen Expertise werden eine effiziente Prozesslandschaft, Nachhaltigkeit und das Thema Mitarbeitergewinnung immer wichtiger.

Um langfristig erfolgreich zu bleiben, braucht es einen technologischen Vorsprung – sei es im Produktdesign oder auch in der Industrialisierung bzw. Fertigung. Frühzeitig neue Technologien zu adressieren und beharrlich weiter zu entwickeln, das war schon immer ein Ziel von Preh. Ein gutes Beispiel dafür ist unsere Pionierleistung in der Aktiv-Haptik für Touch-Oberflächen, die wir erstmals auf der IAA 2007 als Ergebnis unserer Vorentwicklungsaktivitäten präsentiert haben.

Auch unser Einstieg in die Elektromobilität unterstreicht das. Weit bevor erste nennenswerte Serienvolumina produziert wurden, haben wir an BMW im Jahr 2010 unsere ersten Batteriemanagementsysteme für umfangreiche Erprobungen geliefert.

Mit der zunehmenden Komplexität unserer Produkte und deren Einbindung in die gesamte Fahrzeugarchitektur werden Prozesse wie SPiCE oder auch die Implementierung der Cyber-Security immer wichtiger. Neben der reinen Beherrschung der Technik kommt der Prozesslandschaft in Zeiten global verteilter Projektteams eine Schlüsselrolle zu. Hier haben wir in den letzten Jahren erheblichen Aufwand betrieben, und erste Erfolge bestätigen uns auf diesem Weg. Dennoch, es bleibt eine permanente Aufgabe, sich bei Tools und Prozessen weiterzuentwickeln.

Steffen Reich: Als weitere Herausforderung sehe ich das Thema Nachhaltigkeit. Wer langfristig erfolgreich sein will, muss das Thema Nachhaltigkeit in der gesamten Wertschöpfungskette adressieren. Das gilt natürlich auch für das Thema Produkt-design; hier fließen heute bereits einige Vorgaben der Kunden in die Spezifikationen ein, aber wir müssen hier zukünftig auch verstärkt eigene Vorschläge mit einbringen.

Was ist derzeit die größte Herausforderung für Preh?

Jochen Ehrenberg: Die größte aktuelle Herausforderung ist der Ausbau der Entwicklungsmannschaft an unseren Standorten. Ich denke, das trifft mehr oder weniger auf alle Unternehmen zu, nicht nur in der Automotive-Branche – insbesondere natürlich auf Unternehmen wie wir, die mit innovativen Projekten einen klaren Wachstumskurs verfolgen. Besonders der Aufbau in den Bereichen Software, Hardware und IT gestaltet sich heute deutlich schwerer als noch vor einigen Jahren. Ich sehe hier auch mittel- oder langfristig keine Entspannung.

Jochen Ehrenberg, Preh
Zitat

Der technologische Wandel unserer Branche bietet für Preh deutlich mehr Chancen als Risiken.

Jochen Ehrenberg, Preh
(Bild: Preh)

Wie wirkt sich die Transformation des Interieurs auf neue HMI-Entwicklungen bei Preh aus?

Jochen Ehrenberg: Die Transformation im HMI-Business, die wir in den letzten Jahren gesehen haben, ist außergewöhnlich, war aber, im Nachgang betrachtet, überfällig. Waren die etablierten OEMs vor einigen Jahren noch zu zögerlich bei der Einführung von Displays und Touchbedienung, so sehe ich jetzt eher die Gefahr eines Überschwingers. Bedienbarkeit während der Fahrt, gute Ablesbarkeit von Anzeigen und intuitive Bedienung sind teilweise Dekor und Design untergeordnet worden. Mit den technischen Möglichkeiten lassen sich aber durchaus Lösungen aufzeigen, die beides in Einklang bringen – getreu dem Motto „form follows function“. Die Freiheitsgrade, die der OEM heute bei der Gestaltung des Innenraums und der HMI Architektur hat, sind dabei bemerkenswert. Und mit der zunehmenden Elektrifizierung des Antriebs rückt der Innenraum natürlich umso mehr in den Fokus und wird zum entscheidenden Faktor zur Markendifferenzierung.

So stellt sich Preh den Innenraum des Fahrzeugs von morgen vor

Welche Veränderungen des Interieurs ergeben sich mit zunehmender Automatisierung der Pkws?

Jochen Ehrenberg: Mit zunehmender Automatisierung wird die Fahraufgabe in den Hintergrund rücken. Damit muss der Innenraum flexibler werden. Ein Level beim autonomen Fahren, das die Fahraufgabe gänzlich überflüssig macht, sehe ich absehbar nicht. Das macht den Innenraum und die HMI-Architektur umso komplexer, denn es muss die Möglichkeit bestehen, die Bedienelemente, Anzeigen, Ausleuchtungen etc. an viele unterschiedliche Fahrsituationen anzupassen. Die Technologien dazu sind vorhanden, und es ist spannend, zu sehen, welche Wege die unterschiedlichen OEMs dabei gehen.

Steffen Reich: Preh kann den OEMs dabei einen breiten Baukasten an Lösungen anbieten: von traditionellen Bedienelementen in Kombination mit außergewöhnlichen Materialen bis hin zu Touchdisplay-Applikationen, die wir customized für unsere Kunden mit vielen unterschiedlichen Features als Systeme aufbauen. In den „Customized Displays“ sehen wir einen ganz wesentlichen Baustein zukünftiger HMI Architekturen. Hierbei kombinieren wir Displays mit zusätzlichen kundenspezifischen Funktionen und passen sie in die HMI-Architektur ein. Das ist sicher ein großer Wachstumsmarkt, und hier haben wir bereits einige Produkte erfolgreich in Serie.

Preh hat zum Beispiel den iDrive-Touchcontroller für die BMW Group mitgestaltet. Welche aktuellen Trends sehen Sie gerade?

Jochen Ehrenberg: Im Wesentlichen sehen wir zwei große Trends – Smart-Dekor-Oberflächen, die auch Bedienfunktionen integrieren, und Customized Displays. Die Smart Decor Surfaces ermöglichen es, eine beruhigte Oberfläche zu zeigen, die sich durch Ausleuchtung und Touch-Bedienung flexibel an die jeweilige Fahrsituation anpassen lässt.
Aus unserer Sicht besteht die beste Lösung nicht unbedingt darin, das gesamte Fahrzeug per Touch zu bedienen. Wir glauben nicht, dass ein einfacher Touchscreen, wie wir ihn aus der Consumer Welt kennen, die beste Lösung für die Automotive-Anwendungen ist. Vielmehr gilt es, das Beste aus mehreren Welten zu vereinen.

Steffen Reich: Die Kombination aus wenigen aber hochwertigen Eingabeelementen zusammen mit einem Touchscreen bietet hier eindeutig Vorteile. Ich denke dabei an Aktiv-Haptik, an Drehsteller oder Schalterelemente direkt auf der Displayoberfläche oder auch an die Integration des Touchscreens in eine größere HMI-Komponente zusammen mit Dekor- oder weiteren Eingabeelementen. Ein erstes Beispiel ist hier das 15-Zoll Touch-Display mit dem Drehsteller direkt auf dem Display für den Ford Mustang Mach-E oder das aktive haptische Feedback im Touchscreen, das wir für Audi und Porsche realisiert haben.

Steffen Reich, Preh
Zitat

Wer langfristig erfolgreich sein will, muss das Thema Nachhaltigkeit in der gesamten Wertschöpfungskette adressieren

Steffen Reich, Preh
(Bild: Preh)

Welche Bedeutung hat der Bereich Innenraumbeleuchtung für Preh?

Jochen Ehrenberg: Die Beleuchtung im Innenraum wandelt sich gerade von einer statischen Ambientebeleuchtung zu einer dynamischen Inszenierung, die den ganzen Innenraum mit einbezieht. Sobald dann auch noch Bedienfunktionen gefordert sind, sprechen wir von den Smart Decor Surfaces – und das ist ein ganz zentrales Element unserer Produktstrategie im Bereich HMI. Hier sehen wir erhebliches Wachstumspotential im Markt

Welche Bedeutung hat mittlerweile die Software für Preh?

Jochen Ehrenberg: Kein Bereich hat sich in den letzten Jahren so dynamisch entwickelt wie die Software. Ihr fällt eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht, die Chancen des Wandels aktiv mit zu gestalten – und da teilen wir durchaus die Einschätzung unserer Kunden, die in diesem Kontext gerne von „Software-defined Car“ sprechen. Für Preh ist klar: der Anteil der Software an der gesamten Entwicklungsleistung wird weiterwachsen, und dementsprechend stellen wir uns auf.

Neben den steigenden Aufwänden in der Software-Entwicklung für neue Produkte müssen wir auch berücksichtigen, dass unsere Komponenten über den kompletten Lebenszyklus einen rapide steigenden Software-Pflegeaufwand generieren. Wir sehen die Bedarfe schon heute deutlich steigen.

Mit zunehmender E-Mobility entfällt zunehmend die Markendifferenzierung über den Antriebsstrang und verlagert sich auf das Interieur. Was bedeutet dies für Ihre Zusammenarbeit mit den OEMs?

Jochen Ehrenberg: Erst einmal ist es gut festzustellen, dass Preh mit E-Mobilität und HMI gleich in zwei Wachstumsfeldern unterwegs ist, die erhebliches Potential in der Zukunft bieten. In Zeiten knapper Entwicklungsressourcen versuchen wir, uns mehr auf die Plattformprojekte unserer Kunden zu konzentrieren, bei denen später auch interessante Volumina in der Produktion realisiert werden können. Ich denke, dass auch die OEMs gut beraten sind, diesen Plattformgedanken noch konsequenter umzusetzen.
Zudem zeigt sich in der Zusammenarbeit mit den OEMs, dass eine frühzeitige Einbindung bereits in der Konzeptphase vor konkreten Projektanfragen für beide Seiten von Vorteil ist. So lassen sich Designwünsche und Funktionen frühzeitig im Hinblick auf Industrialisierbarkeit und Kosten abstimmen. Hier sind wir mit unserer hohen Wertschöpfungstiefe in der Lage, schnell belastbare Aussagen zu treffen.

Preh hat auch diverse Projekte im Bereich der Leistungselektronik für die Elektromobilität durchgeführt. Welche Schwerpunkte setzt Ihr Unternehmen?

Jochen Ehrenberg: Wir sehen den Trend zur weiteren System-Integration in der Leistungselektronik in zukünftigen Fahrzeuggenerationen. Damit werden die Projekte noch komplexer und umfangreicher. Preh unternimmt vor allem in der E-Mobility gerade erhebliche Anstrengungen, global noch weiter in der Entwicklung zu wachsen. Vieles hängt davon ab, mit welcher Geschwindigkeit der Ausbau der Entwicklungsmannschaft gelingt. Abhängig davon haben wir natürlich alle Möglichkeiten, auch das Geschäft mit der Leistungselektronik zu erweitern. Klar ist auch, dass wir hier neben dem Wachstum zukünftig verstärkt die Profitabilität im Blick haben, die heute noch hinter den Erwartungen zurückliegt.

Welche weiteren Pläne hat Preh?

Jochen Ehrenberg: Preh hat sich auf die Fahnen geschrieben, profitabel und damit krisenfest zu bleiben. Mehr denn je wollen wir ein attraktiver Arbeitgeber und zuverlässiger Partner sein – für unsere Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter, Kunden und Shareholder.

Der Autor: Alfred Vollmer

Alfred Vollmer
(Bild: Hüthig)

Alfred Vollmer interessiert sich nicht nur für Technik per se in vielen Facetten und Einzelheiten sondern auch dafür, wie sich diese Technik im wirtschaftlich-gesellschaftlichen Rahmen sinnvoll anwenden, umsetzen und nutzen lässt. Der Dipl.-Ing. hat bereits während des Studiums der Elektrotechnik sein Faible fürs Schreiben entdeckt und ist mit über 30 Jahren Branchenerfahrung ein bestens vernetztes Urgestein der europäischen (Automobil-)Elektronik-Fachpresse. Er fragt gerne detailliert nach und lässt dabei auch die ökologischen Aspekte nicht aus. Mit vielen seiner (Elektrotechnik-)Prognosen lag er richtig, aber manchmal sorgten auch sehr spezifische Marktmechanismen dafür, dass es ganz anders kam…

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