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(Bild: Molex)

Der Automobilbau steht vor einem Umbruch, der nicht nur die Fahrzeuge an sich, sondern auch unsere Beziehung zu ihnen und ihre Interaktion mit ihrer Umgebung betrifft. Die Auswirkungen der Digitalisierung sowie neuer Geschäftsmodelle sind auch in der Automobilbranche zu spüren. Laut der Studie „Car of the future v4.0“ von Citi ist zu erwarten, dass vier Vertikalmärkte die Automobilbranche bis zum Jahr 2030 prägen. Diesen wiederum entsprechen vier Fahrzeugtypen: Robotaxis (Mobilität auf Anforderung), autonome Fahrzeuge im Abonnement (fahrerlose Fahrzeuge), eine Kombination von Robotaxis und autonomen Fahrzeugen im Abonnement sowie traditionelles Eigentum. Die Connected Mobility umfasst eine Reihe von Anwendungen und Technologien, die die Zukunft einer intelligent vernetzten städtischen Verkehrsinfrastruktur darstellen, einschließlich moderner Fahrerassistenzsysteme (ADAS), vernetzter Infrastruktur und V2X-Vernetzungstechnologien (Vehicle-to-Everything), die automatisiert fahrende Fahrzeuge (AD) möglich machen. Diese Technologien basieren jedoch auf sehr leistungsfähigen, zuverlässigen und zeitsensiblen Hochgeschwindigkeitsnetzwerken, wie sie aktuell noch nicht zum Einsatz kommen.

Geschwindigkeit ist ausschlaggebend

Eck-Daten

Der Trend zum autonomen Fahren und hochautomatisierten Fahrzeugen wird auch in den nächsten Jahren weiter wachsen. Um jedoch die zunehmende Menge an Daten verarbeiten zu können, ist eine sehr hohe Rechenleistung, Bandbreite und Geschwindigkeit nötig, damit das autonome Fahrzeug potentiell lebenswichtige Entscheidungen auch in Echtzeit treffen kann. Welche Anforderungen es bezüglich Automotive Ethernet zu erfüllen, welche Rolle die Mehrzonen-Fahrzeugarchitektur hierbei spielt und was es mit dem Time-Sensitive-Networking auf sich hat, erläutert dieser Beitrag.

Elektronik und Computer-Systeme haben innerhalb einer einzigen Generation fast alle Bereiche unseres Lebens verändert – einschließlich dem Automobilbau. Der Umfang an Elektronik, Software und Rechenleistung in Fahrzeugen hat sowohl die Art und Weise wie Fahrzeuge arbeiten verändert, als auch wie wir diese wahrnehmen: sie sind mehr fahrende Computer als mechanische Maschinen. Die Anzahl an Steuergeräten (ECUs) in Fahrzeugen ist von einer Handvoll auf Hundert (und bei Oberklasse-Fahrzeugen sogar noch mehr) gestiegen. Diese steuern sämtliche Funktionen wie das Motor- und Energiemanagement, die Traktionskontrolle bis hin zu neueren Entwicklungen wie aktiven Totwinkel-, Spurhalte- und adaptiven Abstandsassistent. Gleichzeitig sind innen und außen zunehmend mehr Sensoren sowie hochentwickelte Telematik- und Infotainment-Systeme vorhanden. Zusätzlich gibt es noch zahlreiche elektronische Steuergeräte und unterschiedlichste Automobilnetzwerke (zum Beispiel CAN, LIN, Flexray, Ethernet), die diese Daten und Technologien steuern.

Die immer stärkere Vernetzung und Automatisierung von Fahrzeugen beschleunigt diesen Trend exponentiell. Enorme Rechenleistung, Bandbreite und Geschwindigkeit sind nötig, um die riesigen Mengen an Daten in Echtzeit zu verarbeiten. Zahlreichen Sensoren (Kameras, Radar, Lidar, Ultraschall-Sensoren) erzeugen dabei diese Datenmenge, anhand derer in wenigen Millisekunden sichere Entscheidung zu treffen sind. Dies bedeutet, dass eine universelle, standardisierte, zuverlässige und durchgängige Netzwerkarchitektur notwendig ist – jede Verzögerung und Latenzzeit bei der Übertragung kritischer Informationen in autonomen Fahrzeugen kann für die Insassen, andere Verkehrsteilnehmer oder Fußgänger potenziell tödlich sein.

Bild 1: Mit Mehrzonen-Fahrzeugarchitekturen sind Datenübertagungen von mehr als 10 Gbps möglich.

Bild 1: Mit Mehrzonen-Fahrzeugarchitekturen sind Datenübertagungen von mehr als 10 Gbps möglich. Molex

Die Schätzungen schwanken, aber hoch automatisierte Fahrzeuge können bis zu 40 Terabyte an Daten pro Tag erzeugen. Die 5G-Technologie gilt als Schlüsselfunktion für das hoch automatisierte Fahren. Sie verspricht Fahrzeuge und andere Geräte wie IoT-Devices um uns herum an ein hoch performantes Datennetz anzuschließen. Dieses bietet die Geschwindigkeit, Reaktionsschnelligkeit und Reichweite, mit denen sich die Funktionen autonomer Fahrzeuge besser unterstützen lassen. Derweil entwickeln Halbleiterunternehmen Mikroprozessoren, die eine Datenübertragung mit einer hohen Bandbreite von 10 Gbps+ für Mehrzonen-Fahrzeugarchitekturen ermöglichen (Bild 1). Damit entwickeln sich Fahrzeuge von fahrenden Rechnern zu Rechenzentren auf Rädern. Autonome Fahrzeuge erhalten so die Möglichkeit, komplexe Entscheidungen in Echtzeit zu treffen.

Automotive Ethernet

Im Zuge der sich stetig ändernden Anforderungen an das vorhandene Automobilnetzwerk, hat sich Ethernet zu einem der wichtigsten Protokolle für die Hochgeschwindigkeits-Datenübertragung entwickelt. Steigende Anforderungen an Datenraten lassen Fragen zur funktionalen Sicherheit und zur Datensicherheit in vernetzten Umgebungen aufkommen und der Wunsch nach standardisierten, branchenübergreifenden Lösungen wächst. Ethernet ist eine reife, stabile und bewährte Technologie, die hohe Geschwindigkeiten und Sicherheit bietet. Allerdings müssen Ethernet-Architekturen im Automobilbau unter raueren Bedingungen arbeiten als die meisten konventionellen Ethernet-Implementierungen. Die Nutzung solcher Netzwerke im Automotiv-Bereich erfordert daher eine deutlich höhere Robustheit – schließlich sind sie wechselnden Temperaturen, Feuchtigkeit, Wasser, Schwingungen und Stößen ausgesetzt und müssen elektromagnetischen Störungen (EMI) standhalten.

Mehrzonen-Fahrzeugarchitektur

Mit der Aufteilung der gesamten Fahrzeugelektronik und -elektrik in mehrere Zonen lassen sich bestehende und neue Kommunikationsprotokolle wie zum Beispiel CAN, LIN, LVDS, Ethernet in die Ethernet-basierte Fahrzeugarchitektur integrieren. Spezielle Gateways bilden die Schnittstelle zwischen diesen Netzwerken und der Ethernet-Architektur. Sie aggregieren die Sensordaten und leiten diese an einen oder mehrere ADAS/AD-Rechner weiter. Die dort getroffenen Entscheidungen sowie die daraus resultierenden Fahrzeugkommandos überträgt das Hochgeschwindigkeits-Netzwerk an das Gateway der jeweiligen Zone. Das Gateway sendet dann das Kommando (Signale) an die Steuergeräte weiter.

Aufteilung der Netzwerktechniken

Verschiedene Sensoren wie Radar, Lidar, Ultraschall-Sensoren und hochauflösende Kameras senden kontinuierlich Daten über die Umgebung und sind beispielsweise über LVDS und Ethernet mit dem Gateway verbunden. So sendet das rückwärtsgerichtete Sensorband (verschiedene Sensortechnologien) beispielsweise kontinuierlich Bilddaten von Kameras und weiteren Sensoren an die Gateways der hinteren Fahrzeugzone. Das Gateway bündelt alle ankommenden Daten zu einem großen Datenstrom und sendet diesen mittels 10-Gigabit-Ethernet echtzeitbasiert an den ADAS/AD-Server. Von dort trifft eine Software die Entscheidung bezüglich der Signale des Sensorbands. Sofern ein Objekt also die Weiterfahrt behindert, gibt das System einen Bremsbefehl aus und sendet diesen zum Brems-Steuergerät, das dann die Bremsen aktiviert und das Fahrzeug somit stoppt. Das Ganze geschieht dabei in Echtzeit. Die Weiterleitung der Sensorsignale hat dabei Priorität, so dass der Netzwerkverkehr diesen kritischen Datenstrom nicht beeinträchtigen kann. Für diese Art der echtzeitfähigen Kommunikationsverbindungen setzt die Automobilindustrie auf Time-Sensitive-Networking (TSN). Bei TSN handelt es sich um eine Reihe von Standards, die Ethernet um Funktionen zur Übertragung von Daten in Echtzeit befähigt. Das Ziel sind garantierte Ende-zu-Ende-Latenzzeiten, minimale Paketverlustraten und hohe Verfügbarkeit der Verbindungen. TSN stellt somit den gewünschten priorisierten Netzwerkverkehr sicher, so dass zum Beispiel ein Datenstrom aus dem Infotainment-Center sicherheitskritische Funktionen nicht verzögert.

Das erforderliche Maß an Sicherheit lässt sich durch eine Mehrzonen-Gateway-Architektur erreichen, die dank Redundanz ein ausfallsicheres funktionales Netzwerk ermöglicht. Ein mehrschichtiger Sicherheitsansatz mit Gerätezertifizierung stärkt zudem die geforderte Sicherheit.

Mitentscheidend für die Zuverlässigkeit der Hochgeschwindigkeits-Netzwerkanbindung sind Steckverbinder und Kabel, die während der gesamten Lebensdauer des Fahrzeugs die Signalintegrität gewährleisten. Weder elektromagnetische Störungen (EMI) noch thermische und mechanische Einflüsse dürfen die Zuverlässigkeit beeinträchtigen.

Die 10-Gbps-Netzwerklösung von Molex löst diese anspruchsvolle Aufgabe indem sie Sensor-, Steuerungs- und Infotainment-Daten mit integrierter Multizonen-Redundanz und TSN-Fähigkeiten für hohe Zuverlässigkeit verbindet. Ein mehrschichtiger Sicherheitsansatz mit einer Gerätezertifizierung sorgt für die Einhaltung der strengen Sicherheitsanforderungen von Automobilbauern. Mit dem neuen 10-Gbps-Netzwerksystem ist Ethernet allerdings noch lange nicht ausgereizt. Die Nachfrage nach höheren Geschwindigkeiten wächst und in der Zukunft müssen Netzwerksysteme auf diese wachsenden Geschwindigkeiten ausgerichtet sein. Für das Connected- Mobiliy-Netzwerksystem der Zukunft kooperiert Molex mit Accenture, Allgo, Amazon Web Services (AWS), Aquantia, BlackBerry (QNX and Certicom), Broadcom, Cypress, Excelfore, Molex CVS, Microchip, Texas Instruments und Rosenberger und ist Mitglied der NAV Alliance.

Joe Stenger

Global Product Manager - In-vehicle Networking, Gateway and Switch Solutions bei Molex

(aok)

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