Robert Isele von BMW

„Wir wollen das Licht als neues Chrom ins Fahrzeug bringen“, sagte Robert Isele, Head of Interior Light Development bei BMW, auf dem Rutronik Automotive Congress 2019. (Bild: Alfred Vollmer)

Bereits zu Beginn des „Rutronik Automotive Congress 2019“ stellte Moderator Peter Gresch folgendes fest: „Die Welt wird sich verändern müssen; sonst haben wir sie bald nicht mehr.“ Wer Peter Gresch, ein Urgestein der deutschen Automobil-Elektronik-Branche, kennt, der weiß, dass der Autoliebhaber definitiv kein fanatischer Umweltschützer ist, aber dennoch verweist er auf Aspekte wie Klima(wandel) und Neuordnung des städtischen Verkehrs.

Im weiteren Verlauf des Kongresses, der trotz seines englischen Namens komplett in deutscher Sprache abgehalten wurde, prognostizierte Peter Gresch dann gar, dass die Innenstädte vieler Städte langfristig fast autofrei werden. Das hat bestimmt nichts mit den großen Klimawandel-Demos zu tun, die heute weltweit stattfinden, aber er fordert die Branche auch auf, unter anderem die Logistik zu ändern und ihren Beitrag zu leisten, „damit man nicht wegen ein paar Cent Bauteile um die ganze Welt schippern muss“.

Das Nutzerverhalten verändert sich

Uwe Rahn, Director der Automotive Business Unit und damit quasi Veranstalter des Kongresses, knüpfte dann gleich an die Einleitung des Moderators an: „Wir werden ein neues Nutzerverhalten haben“ – und damit müsse man als Branche leben, denn Elektromobilität, automatisiertes Fahren, Connectivity und Sharing-Dienste veränderten die gesamte Industrie auf Dauer. Vor diesem Hintergrund ging es auf dieser Konferenz in vier Sessions um die Themen „Automotive Lighting“, „Bordnetztopologien und Leistungselektronik“, „Batteriemanagement und Diskrete“ sowie „Quality & Safety“. Als Beispiel für die Inhalte berichten wir an dieser Stelle über die erste Session zum Thema Lichttechnik.

In seinem Vortrag „Vision of Interior Light“ stimmte Robert Isele, Head of Interior Light Development bei BMW, auf die (Innenraum-)Beleuchtung der Zukunft ein, von der wir so manches wohl schon bald in Serienfahrzeugen sehen werden. So sind „beleuchtete Flächen ein Thema, das immer mehr kommt“, und zudem stehe uns „sehr viel Dynamik in den Effekten“ bevor. Robert Isele sieht aber auch einen Trend, Telefonanrufe nicht nur akustisch sondern auch mit Licht zu signalisieren, während gleichzeitig die Nutzung von Lichteffekten im Rahmen der Übergabe zwischen automatisiertem und manuellem Fahren diskutiert werde: „Beim hochautomatisierten Fahren geht Licht im Lenkrad durch die Gremien“.

Generell gehe der Trend vom klassischen Licht zu Lichtszenen im Rahmen von Ambient Light Scenes, und auch im adaptiven Licht, das zum Beispiel als dynamisches Leselicht einem Buch oder ähnlichem folgt oder seine Lichtfarbe situationsabhängig verändert, sieht er viel Potenzial. Sein Credo: „Licht wird weiter die Design-Ikone unterstützen.“ Schon heute verbaue BMW jedes Jahr über 50 Millionen RGB-LEDs, „schon bald“ dann 100 Millionen – allein BMW!. Für Robert Isele steht die Strategie: „Wir wollen das Licht als neues Chrom in das Fahrzeug bringen – und Licht ist Chrom-VI-frei.“ Der Grund dafür: „Der Kunde ist interessiert an Lichteffekten, er findet es interessant und toll. Das führt dazu, dass wir bis zu Tausend LEDs in einem Fahrzeug haben werden.“

Allerdings sei die Ansteuerung von derart vielen LEDs eine komplexe Angelegenheit, sodass jetzt die Devise „weg von der diskreten Ansteuertechnik“ gelte: „Wir verwenden jetzt eine dynamische Highspeed-Technologie, bei der wir dynamische LED-Streifen von LIN-Hubs aus steuern“, berichtet Robert Isele aus seiner Praxis. Die LIN-Hubs sind dabei im Prinzip kleine Lichtsteuergeräte – und diese Ansteuerungsmethode müsse sich ändern, wobei er als Lösungsmöglichkeit „ein großes Netzwerk“ sieht. „Dann hat man auch das Potenzial, alle anderen Leuchten, auch Nicht-RGB-LEDs, mit einzubinden und einfach, kostengünstig und zentral ansteuerbar update-fähig zu vernetzen.“

2022 sollen 37 Mio. Iseled-LEDs bei BMW zum Einsatz kommen

Die Iseled-Technologie erwähnte er dabei mit keinem Wort, zeigte und benannte sie aber explizit auf einer Folie im Rahmen seiner „Vision 202x“, wobei er für 2022 und 2023 jeweils schon den Einsatz von 37 Millionen Iseled-LEDs als Potenzial für BMW sieht. 2024 könnten es bereits knapp 153 Millionen und ab 2025 gar 353 Millionen Iseled-LEDs allein im Interieur von BMW-Fahrzeugen sein. Während bisher oft das Exterieur als Kaufgrund im Vordergrund stehe, rücke zunehmend auch die Beleuchtung in das Zentrum der Kaufentscheidung, zumal jetzt erstmals in Asien das Interieur als Haupt-Kaufgrund für einen BMW genannt wurde – auch aufgrund der Lichteffekte.

Wie die Systeme weg von der Lampenarchitektur mit einer Versorgungsleitung pro Funktion kommen und sich zu einer zukunftsorientierten Architektur entwickeln können, das erläuterte der nachfolgende Redner (Dr. Hans-Peter Kreuter, Application System Manager LED Lighting bei Infineon) dann ausführlich, wobei er auch detaillierter auf die jeweiligen Treiber-Konstellationen einging.

Wie grundlegend der Wandel auch beim Licht ist, formulierte Dr. Stephan Hartmann, Senior Director Automotive Marketing bei Osram Opto Semiconductors, im Folgevortrag „Lighting driving human mobility of tomorrow“ so: „Vor zehn bis 15 Jahren beschäftigten wir uns mit dem Jetzt und Heute sowie dessen Verbesserung; jetzt geht es um die Gestaltung von morgen und übermorgen.“ So habe die mikropixelierte LED eine sehr hohe Bedeutung beim Frontlicht, aber „das Car Body Lighting hat das Potenzial, die komplette Fahrzeug-Charakteristik zu verändern und bei aller Standardisierung im Fahrzeug die Individualisierung zuzulassen“. Für ihn ist die im Rahmen der kongressbegleitenden Ausstellung von Osram gezeigte intelligente RGB-LED „der erste Schritt, ein vernetztes Produkt einzuführen, um die Aufmerksamkeit des Fahrers gezielt zu führen“. Dr. Hartmanns Schlusssatz lautete: „Wir sind hier alle Pioniere; nach vorne denken ist das wichtigste.“

Kombination aus Licht und Sensor

Thomas Fröhlich, Director Innovation bei Marelli Automotive Lighting, stellte „Smart Corner – Eine Lösung für die Vernetzung der Sensoren in autonom fahrenden Fahrzeugen“ vor. Aus seiner Sicht ist es klar, dass die Sensoren aus funktionalen Gründen in die Ecken der Fahrzeugen wandern werden, weil dort das beste Sichtfeld besteht.

Anhand einiger Beispiele stellte er unter dem Stichwort „Rutronik Smart Corner“ in punkto Styling optimierte Frontscheinwerfer, Rücklichter und Kühlergrille mit jeweils integrierten Sensoren vor. So enthielt beispielsweise das vorgestellte Frontscheinwerfer-Element neben dem Fahrlicht auch einen Long-Range-Radar, eine FIR-Infrarot-Kamera, ein Nahbereichs-Lidar, eine HDR-Kamera und ein Li-Fi-Element. Letzteres dient wie Wi-Fi zur Nahbereichs-Kommunikation im Rahmen von Car-to-x – allerdings auf Basis von Lichtsignalen (Li-Fi) anstelle von Funkwellen (Wi-Fi). Sein Rücklicht-Beispiel wiederum enthielt auch eine HDR-Kamera, ein Nahbereichs-Lidar sowie zwei Radarsensoren (SR und LR).

Thomas Fröhlich von Marelli Automotive Lighting

Thomas Fröhlich, Director Innovation bei Marelli Automotive Lighting, stellte Lösungen zur Kombination von Beleuchtungselementen und Sensoren in automatisiert fahrenden Fahrzeugen vor. Alfred Vollmer

Der mit einem großen Tagfahrlicht ausgestattete Beispiel-Kühlergrill enthielt ein LR-Lidar, eine HDR-Kamera sowie je ein LR- und ein SR-Radar. Weil E-Fahrzeuge keine derart großen Kühlergrills benötigen wie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, bieten sich Thomas Fröhlich zufolge neue Möglichkeiten, an Stelle des Kühlergrills ein Styling-Element mit Sensoren in den Fahrzeugen zu nutzen. „In herkömmlicher Technik wird das Komplexitäts-Management für die OEMs zu einem echten Problem“, hebt Thomas Fröhlich hervor. „Verteilung, Anbringung, Festschrauben, Kabelbaum und Kalibrierung sowie Installation wird zu einer echten Herausforderung werden, wenn erst einmal die Sensoren in derart großen Mengen zum Einsatz kommen. Deshalb ist es so wichtig, sie in einem Sensorcluster zusammen zu packen.“

Scheinwerfer sind heute schon mit einem integrierten Reinigungselement ausgestattet, sodass LED-Lichter mittlerweile eine beheizte Frontscheibe benötigen. In Nordamerika gebe es bereits „Voll-LED-Scheinwerfer mit einer Enteisungsvorrichtung“. Da auch Lidar klare Sicht benötigt und auch Radarsensoren keine Wasser- oder Eisschichten durchdringen, „ist eine Heizung an dieser Stelle einfach notwendig“, so Thomas Fröhlich. Beheizbare Scheiben bei Scheinwerfern seien gerade in Nordamerika für LED-Scheinwerfer in Diskussion und bereits in Nachrüstkits verfügbar, aber derzeit noch nicht als Erstausstattungen .

Alfred Vollmer

Chefredakteur AUTOMOBIL-ELEKTRONIK

(gk)

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