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Auf der „International Consumer Electronics Show 2013“ (CES 2013), die wie jedes Jahr in den ersten Januartagen in Las Vegas/USA stattfand, geht es bei weitem nicht mehr nur um die klassische Consumer-Elektronik, auch wenn dieses Thema ganz klar dominiert. Auch diverse OEMs wie Audi, Chrysler, Ford, General Motors, Hyun­dai, Lexus oder Kia sowie zahlreiche Tier-1s wie Bosch, Continental oder Delphi sowie Tier-2s von den Halbleiterherstellern bis zu den Software-Anbietern wie EB, Inrix oder Tata Elexsi waren mit Automotive-Lösungen in Las Vegas vertreten.

Welche Bedeutung die CES mittlerweile hat, zeigt sich allein schon daran, dass AUTOMOBIL-ELEKTRONIK unter den Messebesuchern mehrere E/E-Leiter deutscher OEMs sowie beispielsweise den Vorstandsvorsitzenden von Continental und mehrere Mitglieder des Bosch-Vorstands sah.

Bosch wies in seiner Pressekonferenz, in der es primär um Non-Automotive-Themen ging, auf die Vorteile einiger Fahrerassistenzsysteme hin, um dann festzustellen, dass das Connected Vehicle (Fahrzeug mit externer Datenanbindung) Vorstands-Mitglied Dr.-Ing. Werner Struth zufolge „einen sehr großen Beitrag auf dem Weg zum hochautomatisierten Fahren“ leisten kann. Allerdings sei man noch mehr als eine Dekade von C2X-Diensten im Masseneinsatz entfernt. Für Bosch ist es klar, dass der Internet-Zugang im Auto auch in Low-Cost-Cars kommen wird – und zwar besonders, indem Smartphones eine Verbindung zur Cloud herstellen: „Ja, es gibt einen starken Anstieg der Web-Connectivity des Fahrzeugs.“

Bild 1: Im und rund um das Kongresszentrum von Las Vegas gab es auch viele Automotive-News.

Bild 1: Im und rund um das Kongresszentrum von Las Vegas gab es auch viele Automotive-News.Alfred Vollmer

Die Ausstellungsfläche der CES ist übrigens über mehrere Hotels und das Las Vegas Convention Center verteilt. In einem Hotel beim Ausstellungsgelände zeigte Continental neben diversen Lösungen, über die wir in der Ausgabe 2/2013 der AUTOMOBIL-ELEKTRONIK berichten werden, einen Autositz, der sich nicht mehr „nur“ über die klassischen Bedienelemente verstellen lässt (vor/zurück/neigen/Massage an-aus etc.), sondern auch über eine App auf einem Tablet oder Smartphone. Visteon hatte in einem großen Zelt auf dem Central Plaza genannten Vorplatz des Messegeländes seine Exponate aufgebaut. Über die Lösungen von Conti und Visteon werden wir in der nächsten Ausgabe der AUTOMOBIL-ELEKTRONIK im Schwerpunkt „Infotainment“ näher berichten.

Bild 2: Individuelle Sitzsteuerung per Tablet/Smartphone bei Conti. Bild 2: Individuelle Sitzsteuerung per Tablet/Smartphone bei Conti.

Bild 2: Individuelle Sitzsteuerung per Tablet/Smartphone bei Conti. Bild 2: Individuelle Sitzsteuerung per Tablet/Smartphone bei Conti. Alfred Vollmer

Automobilhersteller auf der CES 2013

General Motors zeigte beispielsweise, wie die Apps jetzt mittlerweile selbst im Kleinwagen-Segment Einzug halten. Der Automobilhersteller präsentierte beispielsweise einen Chevrolet Spark mit Elektroantrieb, dessen Infotainment-System sich per Bluetooth mit dem Smartphone verbindet, um dann über das Internet über das Tune-In genannte System auf die Internet-Livestreams beliebiger Radiosender zuzugreifen. So lange über das Smartphone die Internet-Verbindung steht, ist somit kein herkömmlicher Radioempfang (FM, AM, DAB) mehr notwendig. Die hierfür notwendige kostenlose App bietet Chevrolet sowohl für Android als auch für die Apple-Welt. Nur mit IOS-Handys arbeitet die Automotive-Variante der Sprach­erkennung Siri. Mehr darüber im separaten Beitrag Apps erobern die Kleinwagen.

Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das Fahrzeug mit dem Infotainment-System MyLinkRadio ausgestattet ist, das beim Chevrolet Spark seit SOP verfügbar ist. Auch der neue Opel Adam verfügt über die entsprechenden Funktionalitäten. Allerdings nennt sich dieses Infotainment-System bei Opel dann IntelliLink.

Bild 3: Nicht nur am Stand von Elektrobit sondern auch an diversen anderen Ständen im Automotive-Bereich der CES herrschte stets Gedränge.

Bild 3: Nicht nur am Stand von Elektrobit sondern auch an diversen anderen Ständen im Automotive-Bereich der CES herrschte stets Gedränge.Alfred Vollmer

Apps im Auto: Mehr als „nur“ Radio

Der Automobilhersteller Ford, der in diesem Jahr zum 7. Mal auf der CES ausstellte, will seinen Kunden nach Angaben von Paul Mascarenas, CTO Ford weltweit, ein „vollkommen personalisiertes Fahrerlebnis“ bieten – und zwar auf Basis von Sync. Mascarenas erinnerte zunächst an die Pioniertaten, die Henry Ford und einige seiner Zeitgenossen im Automobil-Bereich vollbrachten, um dann zu ergänzen: „Heute machen wir das gleiche, um die Innovation zu fördern. Wir laden Software-Entwickler aus aller Welt ein, uns dabei zu helfen, durchdachte und sinnvolle Lösungen zu liefern, welche das Fahrerlebnis verbessern…“

Die Details zu diesem neuen Ford Developer Program stellte dann Hau Thai-Tang, Fords Vice President of Engineering, vor. Unter developer.ford.com finden potenzielle Entwickler alle Einzelheiten rund um das Connectivity-System Sync und Fords API (Application Programming Interface) namens AppLink. Er betonte, dass Ford als weltweit erster OEM eine offene Entwicklungsplattform für Android und IOS startete, die Software-Entwickler in die Lage versetzt, sich direkt mit den Steuereinheiten innerhalb des Fahrzeugs sowie der Audio-Einheit inklusive Spracherkennung, Steuerungsknöpfen und dem Mikrofon zu verbinden.

Bis 2015 solle sich die Anzahl der genutzten Smartphones gegenüber heute auf 2 Milliarden verdoppeln. „Es verwundert nicht, dass all die neuen Smartphone-Besitzer die vollen erweiterten Fähigkeiten ihrer Telefone in ihrem Auto nutzen wollen“, betont Thai-Tang. „Es genügt nicht mehr, nur das Telefon und die Medienplayer per Sprachsteuerung zu bedienen.“ Dabei müssten die OEMs allerdings darauf achten, dass die Fahrer nicht während der Fahrt ihre Smartphones bedienen und dadurch abgelenkt sind. Mit der Sprachsteuerung ließe sich diese Problematik umgehen – „und hier kommt AppLink wirklich ins Spiel“, denn „so können die Fahrer die Hände am Steuer und die Augen auf der Straße lassen“.

Bild 4: Julius Marchwicki, Global Product Manager für AppLink und Connected Services bei Ford, zur App-Community: „Das Automobil ist jetzt open for business“, aber Ablenkung vom Fahren ist Tabu für die Auto-Apps.

Bild 4: Julius Marchwicki, Global Product Manager für AppLink und Connected Services bei Ford, zur App-Community: „Das Automobil ist jetzt open for business“, aber Ablenkung vom Fahren ist Tabu für die Auto-Apps.Alfred Vollmer

Bereits jetzt führen in Nordamerika über 1 Million Fahrzeuge mit AppLink, und im Laufe diesen Jahres solle diese Zahl auf 2 Millionen ansteigen. Danach solle AppLink auch in Europa und Asien auf den Markt kommen, bis im Jahr 2015 dann über 14 Millionen Fahrzeuge weltweit mit Sync ausgerüstet sein werden, die dann „eine signifikante und robuste Geschäftsmöglichkeit für unsere Software-Entwickler bietet“. Er hebt hervor, dass mit den Apps eine kundenspezifische Anpassung des Fahrzeugs möglich wird und erläuterte ausführlich, welche Vorteile auto-relevante Apps für die Software-Entwickler (!!!) haben.

Ford hofft auf Apps in den Bereichen Musik & Entertainment, News & Information, Networking, Standortbestimmung und Navigation, Gesundheit & Wohlbefinden (Health & Wellness) sowie persönliche Produktivität. Diverse Apps zeigte das Unternehmen auch an seinem Stand in Aktion. Zur Vermarktung hatte Ford an vielen Stellen im Zentralbereich der Messe jeweils ein anderes Fahrzeug platziert, bei dem jeweils eine andere App – vor allem im Bereich Musik-Streaming beziehungsweise Internet-Radio – hervorgehoben wurde und gleichzeitig eine Gewinnmöglichkeit bestand.

Auch Chrysler, Hyundai und Kia zeigten diverse Lösungen rund um die Internet-Anbindung des Fahrzeugs. Lexus wiederum präsentierte sich auf der CES als Technologie-Vorreiter in punkto Safety.

Als einziger europäischer OEM auf der CES vertreten: Audi

Audi wiederum präsentierte einen Teil seines Innovations-Portfolios und informierte beispielsweise die Presse über das pilotierte Fahren (siehe Ludwigsburg-Bericht Der Weg zum pilotierten Fahren). Auf dem Stand gab es nicht nur als Hingucker den neuen Audi RS 5 Cabriolet und den siegreichen Le Mans-Rennwagen Audi R18 e-tron quattro zu sehen sondern auch diverse auf die Technik fokussierte Exponate.

Bild 5: Audi war nicht nur mit einem eigenen Stand sondern auch bei Nvidia gut vertreten.

Bild 5: Audi war nicht nur mit einem eigenen Stand sondern auch bei Nvidia gut vertreten.Alfred Vollmer

So präsentierten die Ingolstädter in einem als Technikträger fungierenden Audi Q7 unter dem Namen „Audi Q7 sound concept“ sowie in einer kino-ähnlichen Umgebung 3D-Sound fürs Auto: Mit Stereo und 5.1-Surround-Sound bleibt die Musikwiedergabe in einer Ebene und ignoriert damit die in den Musikaufnahmen enthaltenen Informationen aus der dritten Dimension. Bei Konzerten werden die Schallwellen auch am Boden und der Decke reflektiert sowie zum Teil durch Lautsprecher über der Bühne gezielt abgegeben. Die akustische Räumlichkeit der Musikaufnahme wird durch 3D-Klang natürlicher wiedergegeben als zuvor – ein echtes Erlebnis, zumal Audi für diese Demo – im Gegensatz zu anderen OEMs auf der CES – bewusst die Türen des Fahrzeugs schloss, so dass sich das Fahrzeug im Innern als ruhige Insel im Messelärm erwies, die das Sound-Erlebnis richtig zur Geltung brachte: Cocooning pur.

Bild 6: Daniel Shapiro von Nvidia präsentiert den neuen Tegra-4-Prozessor, der beispielsweise im Infotainment bei Audi verbaut wird.

Bild 6: Daniel Shapiro von Nvidia präsentiert den neuen Tegra-4-Prozessor, der beispielsweise im Infotainment bei Audi verbaut wird.Alfred Vollmer

Sehr eindrucksvoll präsentierte Audi auch seine Licht-Technologie: von einem OLED-Technologieträger über ein Laser-Schlusslicht bis zum Matrix-Beam-Scheinwerfer auf LED-Basis, der kameragesteuert und ganz ohne Schwenk-Mechanik Teile des Scheinwerfers ausblendet, damit der Gegenverkehr nicht geblendet wird.

Nicht nur Audi selbst sondern auch seine Zulieferer waren vertreten. So stellte Nvidia neben einem Tesla S vor allem einen Audi ins Zentrum seines Messestands, weil ein Tegra-Prozessor als Herzstück des Audi-Infotainments fungiert. Gleichzeitig präsentierte der Chiphersteller auch sein neustes IC, den Tegra 4.

Connectivity für Daten und Power

Bild 7: Delphi hat ein System entwickelt, mit dem das drahtlose Laden von Consumer-Elektronik-Geräten an diversen Stellen im Fahrzeug möglich wird.

Bild 7: Delphi hat ein System entwickelt, mit dem das drahtlose Laden von Consumer-Elektronik-Geräten an diversen Stellen im Fahrzeug möglich wird. Delphi

Nicht nur die drahtlose Datenkommunikation (Connectivity) sondern auch das drahtlose Laden mobiler Endgeräte scheint sich in Zukunft seinen Weg bis zum Endkunden zu bahnen. So zeigte Delphi beispielsweise eine Technologie-Lösung, bei der an vielen Stellen des Fahrzeugs (siehe Bild 7) Vorrichtungen für das drahtlose Laden von Smartphones, Tablets, Media-Playern, Aftermarket-Navis etc. vorhanden sind. Aus Sicht von Jeffrey J. Owens, Chief Technology Officer bei Delphi, entfallen damit nicht nur die lästigen Ladekabel und Steckverbinder, sondern es erhöht sich damit auch die Verkehrssicherheit: „Der Ladevorgang stellt auch eine potenzielle Quelle für Ablenkungen dar, weil die Fahrer die Augen von der Straße nehmen, wenn sie ein Gerät in einen Lade-Anschluss einstecken wollen.“

Bild 8: Delphis CTO Jeffrey J. Owens zeigt präsentiert den all-electronics-Lesern den OBD2-Dongle und die passende App

Bild 8: Delphis CTO Jeffrey J. Owens zeigt präsentiert den all-electronics-Lesern den OBD2-Dongle und die passende AppAlfred Vollmer

Da auch viele andere Unternehmen Lösungen für drahtloses Laden jenseits des Autos zeigten, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass zumindest auf der Endgeräte-Seite bald ein derartiger induktiv gekoppelter Ladeanschluss weit verbreitet sein wird.

In der nächsten Ausgabe der AUTOMOBIL-ELEKTRONIK werden wir in unserem Schwerpunkt zum Thema „Infotainment & Multimedia“ ausführlicher auf einige Konzepte eingehen, die auf der CES von OEMs und Zulieferern erstmals vorgestellt wurden.

Aftermarket @ CES

Apps überwachen den Fahrer und helfen ihm  

Für den Aftermarket präsentierte Delphi sein „Connected Car and Vehicle Diagnostic Module“. Es handelt sich dabei um eine Kombination aus einem Dongle für den OBD2-Bus und einer multifunktionalen Smartphone-App (Bild 8). Damit soll der Werbung zufolge der „Zugriff auf die Familienfahrzeuge überall per Smartphone oder Web-Browser“ möglich sein. Die Software liefert dem Anwender aufbereitete Klartext-Infos aus dem Fehlerspeicher, aber auch viele zusätzliche Features wie (Schlüssel-)Funkfernbedienung über das Handy, Standortermittlung über den eingebauten GPS-Empfänger, Live-Tracking, E-Mail-Benachrichtigung beim Verlassen eines bestimmten „Geofence“-Bereichs oder bei Überschreitung der Geschwindigkeit (offiziell nur für minderjährige Fahrer gedacht) sowie weitere Applikationen, die bei uns wohl zu herben Problemen in punkto Datenschutz führen würden.

Das System verkauft Delphi nicht in Eigenregie sondern über den amerikanischen Mobilfunkanbieter Verizon in einem Bundle aus Dienstleistung und Hardware. Es soll mit den meisten in den USA seit 1996 verkauften Fahrzeugen funktionieren.

Selbst Fahrerassistenzsysteme für den Aftermarket waren auf der CES zu sehen – beispielsweise ein LDW mit Auffahr-Warner von MobilEye.

Alfred Vollmer

ist Redakteur der AUTOMOBIL-ELEKTRONIK.

(av)

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