Strategy Analytics zieht bei seiner Beurteilung des ADAS-Markts eine ganze Reihe von Systemen in Betracht. Deren Palette reicht von einfachen Ultraschall-Einparkhilfen über adaptive Frontscheinwerfersysteme bis zu anspruchsvollen
Abstandswarnsystemen auf Radarbasis. Zusammengenommen wird der Bedarf der Fahrzeughersteller von rund 50 Millionen Systemen im Jahr 2012 auf mehr als 140 Millionen Systeme im Jahr 2019 wachsen, was einer durchschnittlichen jährlichen Zuwachsrate von über 16 % entspricht (Bild 1). Nimmt man die Einparkhilfen aus der Analyse heraus, so ergeben sich insgesamt sogar noch höhere Wachstumsraten, nämlich im gleichen Zeitraum von 22 auf 80 Millionen Systeme, was pro Jahr einen mittleren Zuwachs von 20 % bedeutet.
Ein großer Teil dieser Steigerung speist sich aus dem Einsatz der ADAS-Technologien in Fahrzeugen für den Massenmarkt. Wachstumsmotoren sind dabei verschiedene Faktoren: So rücken ADAS-Technologien zunehmend ins Bewusstsein der Verbraucher. Dies wird durch Marketing-Initiativen, die sich auf Fahrerassistenzsysteme konzentrieren, ebenso unterstützt wie durch spezielle Auszeichnungen, die von Crashtest‑ und Typfreigabe-Agenturen wie EuroNCAP vergeben werden. ADAS-Systeme bergen zudem das Potenzial, Versicherungsprämien und Reparaturkosten zu senken. Außerdem wächst die Nachfrage nach stark spezialisierten Modellen im Kompaktsegment. Möglicherweise wird die Ausstattung mit ADAS obligatorisch, sodass neue Lösungen für das Segment der Kompaktwagen benötigt werden. Parallel dazu entdecken die Fahrzeughersteller Sicherheits-Features immer mehr als Möglichkeit, sich durch Alleinstellungsmerkmale von der Konkurrenz abzusetzen.
Von der Einparkhilfe einmal abgesehen kamen ADAS-Tech-nologien bis dato hauptsächlich in Oberklasse-Fahrzeugen zum Einsatz, wie sie beispielsweise von BMW, Mercedes und Audi angeboten werden. In den vergangenen Monaten jedoch sind Fahrerassistenzsysteme vermehrt auch in deutlich preisgünstigeren Modellen zu sehen. Ein Beispiel ist das von Continental stammende Volkswagen City-Notbremssystem (Bild 2), das im neuen Volkswagen-Modell up! zu haben ist. Es nutzt ein Lidar-System und ist in der Lage, die volle Bremskraft zu aktivieren, um Kollisionen zu vermeiden oder abzumildern.
Strategien
Die Automobilhersteller und ihre Zulieferer haben in erster Linie auf zwei Strategien gesetzt, um Fahrerassistenzsysteme auch in kostengünstigeren Fahrzeugmodellen mit größeren Stückzahlen anzubieten. Die erste Strategie besteht in der Verbesserung des Wertversprechens durch Hinzufügen weiterer Features, während die Hardwarekosten nicht oder nur in minimalem Ausmaß zunehmen: Dies betrifft hauptsächlich die an der Windschutzscheibe
angebrachten Kameras. Auf der Basis ein und derselben Kamera implementieren die OEMs immer mehr Funktionen. Deutlich wird dieser Trend auch bei den Kurzstrecken-Radarsystemen, die sowohl für die Totwinkel-Überwachung als auch für die neue rückwärtige Querverkehr-Warnung (Rear Cross Traffic Alert – RCTA) zum Einsatz kommen.
Weitere Funktionen, die sich ebenfalls weitestgehend per Software realisieren lassen, sind Einschlafwarnsysteme auf der Basis jener Sensoren, die für das Antiblockiersystem und das elektronische Stabilitätsprogramm (ABS und ESP) vorhanden sind, Totwinkel-Überwachungen auf der Grundlage der vorhandenen Parksensoren sowie Einpark-Automatiken, die die Einpark-Sensoren und die elektrische Servolenkung des Fahrzeugs nutzen. Möglicherweise ist für die Umsetzung dieser Funktionen eine verbesserte ECU erforderlich, jedoch wird der Zusatznutzen für den Fahrer verglichen mit den Mehrkosten als hoch eingestuft.
Die zweite Strategie besteht in der Kostensenkung, die auf verschiedenen Wegen betrieben wird: Da ist zunächst einmal das Abspecken der Funktionalität auf ein stärker ‚fokussiertes‘ Performance-Niveau. Ein Beispiel hierfür wäre die Einschränkung des Geschwindigkeitsbereichs, in dem ein Abstandswarnsystem funktionsfähig ist, von 200 auf 130 km/h.
Das zweckmäßige Niveau
Diese Zurücknahme der Performance auf ein zweckmäßiges Niveau würde die Verwendung kosteneffektiver Bauteile erlauben – etwa starres statt dynamisches Abbiegelicht, adaptives Fahrlicht auf Halogen‑ statt Xenon-Basis sowie die Verwendung kleiner, in die Rückspiegel integrierter Displays anstelle großer Displays in der Mittelkonsole. Ein zweiter Weg sind die Plattformstrategien für Systeme und Sensoren. Die Zulieferer streben die Entwicklung skalierbarer Produkte auf Basis einer gemeinsamen Plattform an, um dank der höheren Stückzahlen die Kosten senken zu können. Der dritte Weg ist das Ausloten der Möglichkeiten, die Smart-phones der Konsumenten zur Implementierung einiger Fahrerassistenz-Funktionen zu nutzen.
ADAS für den Massenmarkt
Betrachten wir den Markt für die bisher als High-End-Fahrerassistenzsysteme angesehenen Funktionen wie etwa Abstandswarner, Spurhalteassistent, Totwinkel-Überwachung, Einschlafwarnung und Nachtsicht, so entfielen hier im Jahr 2009 insgesamt 70 % des Bedarfs auf Oberklasse-Fahrzeuge, obwohl diese nur 8 % der Leichtkraftfahrzeug-Produktion ausmachen. Bis 2019 werden die Premium-Fahrzeuge nur noch für 40 % der Nachfrage nach diesen Systemen verantwortlich sein, obwohl ihr Anteil an der Leichtkraftfahrzeug-Produktion sogar geringfügig zunehmen wird, nämlich auf 9 %.
ADAS
Ob es jemals autonom fahrende Autos geben wird, bleibt abzuwarten. Fest steht jedoch, dass die Industrie weiter große Schritte auf dieses Ziel hin unternehmen wird. Fahrerassistenzsysteme werden definitiv vermehrt im Volumensegment zum Einsatz kommen.
Es ist folglich der Massenmarkt, auf den sich das Wachstum bei den Fahrerassistenzsystemen stützt, und dementsprechend schätzt Strategy Analytics, dass sich Systeme, wie sie im Volkswagen up! implementiert sind, immer mehr durchsetzen werden, je mehr diese Technologien ins Bewusstsein der Verbraucher rücken und je weiter die Aufpreise für diese Zusatzausstattungen zurückgehen.
(av)