Innenraum-Vergleich zwischen dem Mercedes CLA 2025 und dem Xiaomi SU7. Das Mercedes-Cockpit ist mit vielen physischen Tasten ausgestattet, die grün hervorgehoben sind. Der Xiaomi SU7 zeigt ein aufgeräumtes Dashboard mit zentralem Touchscreen.

Die Visualisierung zeigt, was Michael Sura in seinem LinkedIn-Post thematisiert: Während der Mercedes CLA auf bewährte Haptik und mechanische Steuerung setzt, verfolgt Xiaomi im SU7 ein digitales Bedienkonzept mit Fokus auf Reduktion.
Die Reaktionen auf den Post fallen gemischt aus. (Bild: Michael Sura, Aruscon, LinkedIn)

„Dieses Auto ist eher etwas für meine Eltern.“ Was wie eine beiläufige Bemerkung klingt, ist in Wahrheit ein Indiz für einen tiefgreifenden Wandel in der Automobilwelt. Der Satz stammt aus einem viel diskutierten LinkedIn-Post von Michael Sura, Berater für Elektromobilität bei Aruscon. Darin vergleicht er das Innenraumdesign des Mercedes CLA 2025 mit dem des chinesischen Xiaomi SU7 – und trifft auf der Social-Media-Plattform einen Nerv: Bedienphilosophie wird zur Systemfrage.

Mercedes trifft auf Xiaomi – oder: Designphilosophie im Realitätscheck

Laut Sura handelt es sich beim CLA 2025 womöglich um das erste massenmarkttaugliche Software-defined Vehicle (SDV) aus dem Hause Mercedes-Benz. Er schreibt wörtlich: „This could be the first mass-produced software-defined vehicle (SDV) from this manufacturer.“

Doch das Interieur wirkt aus seiner Sicht alles andere als zukunftsweisend: eine Vielzahl physischer Tasten – auf dem Lenkrad, an der Mittelkonsole, links vom Fahrersitz. Die Hardware dominiert. Diese Gestaltung wirkt auf viele chinesische Kunden „wie aus den 2010er-Jahren“ – vertraut, aber veraltet.

Im Gegensatz dazu setzt der Xiaomi SU7 laut Sura auf eine klare, reduzierte Formensprache. Das Konzept: Funktionen subtrahieren, Touchscreen zentrieren, Minimalismus etablieren. Seine Beobachtung: „The SU7 dashboard does not resemble an overly decorated Christmas tree.“ Diese Bedienlogik sei in China längst zum Industriestandard geworden – eine Erwartung, an der europäische Modelle oft scheitern.

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SDV ist mehr als Architektur: Strukturen, Prozesse, Kultur

Was sich im Innenraum andeutet, verweist auf ein größeres Problem: Der Wandel zum Software-defined Vehicle ist kein reines Technologieprojekt. Diese Sicht teilt auch Joachim Langenwalter, Gründer und CEO von TMT CoPilots. In einem Interview zur Konferenz „Automotive Software Strategies 2025“ erklärt er: „Viele glauben, sie könnten SDV in bestehende Siloorganisationen ‚einbauen‘, aber das funktioniert nicht.“

Langenwalter benennt vier gleichwertige Transformationsebenen: Technologie, Kultur, Geschäftsmodell und Kundenfokus. Fehle eine davon, sinke das SDV-Boot, bevor es den Hafen verlasse – selbst mit der modernsten Architektur an Bord.

Ein zentrales Hindernis: der Mangel an technischer Umsetzungskompetenz. In vielen OEM-Softwareeinheiten schreiben laut Langenwalter weniger als zehn Prozent der Mitarbeitenden tatsächlich Code. Der Rest koordiniert. Für ihn müsste das Verhältnis bei funktionierenden SDV-Organisationen bei mindestens 70 Prozent Entwickleranteil liegen.

Meine Meinung

Ich tue mich ehrlich gesagt schwer, mich klar auf eine Seite zu schlagen, wenn es um Touchscreen versus physische Tasten geht. Aus technischer wie ergonomischer Sicht kann ich beide Positionen nachvollziehen – jede hat ihre Berechtigung. Touchscreens sind vielseitig, anpassbar und eröffnen neue UI-Konzepte, gerade in Kombination mit OTA-Updates. Aber: Sie ersetzen nicht das Muskelgedächtnis, das wir bei klassischen Tasten aufgebaut haben. Eine Lichtfunktion über ein Menü aufzurufen, wie es manche Konzepte vorsehen, ist nicht intuitiv – schon gar nicht bei voller Fahrt.

Außerdem hängt vieles vom Nutzungskontext ab: Navigation und Mediensteuerung per Touchscreen? Gerne. Aber sicherheitsrelevante Funktionen sollten im Idealfall blind bedienbar bleiben. Wie Anant Mehrotra treffend formuliert hat: „A light switch should stay a light switch.“ Und dann ist da ja noch die Sprachsteuerung. Ich bin überzeugt, dass sie künftig an Bedeutung gewinnt – vorausgesetzt, sie versteht uns besser als ein Navi aus dem letzten Jahrzehnt.

Kurzum: Vielleicht müssen wir gar nicht zwischen Touch und Taste entscheiden. Hybridlösungen, die kontextsensitiv und situationsgerecht arbeiten, könnten am Ende der vernünftigste Weg sein. Muss ja nicht immer alles entweder...oder... sein. Zudem gibt es noch wichtigere Dinge, die für die Kaufentscheidung wichtig sind, etwa die Beinfreiheit. Wenn ein 1,80 Mann mit leichten 60 kg nicht mehr hinten ins Auto einsteigen kann, ist das kein gutes Zeichen. Das wurde mir von eben jenem CLA zugetragen, womit das Auto schnell durchgefallen war – Software hin oder her.

Touch oder Taste? Eine Frage der Haltung

Die virale Reichweite von Suras LinkedIn-Post resultiert nicht nur aus der These selbst, sondern auch aus den vielfältigen Kommentaren – teils zustimmend, teils entschieden kritisch. Hier einige Beispiele der über 300 Kommentare (Stand 16.5.2025)

  • Zustimmung zum Minimalismus – Gaylord Aulke verweist auf fehlende Updatefähigkeit physischer Tasten: „Software Defined Vehicle ist synonym mit 'keine Knöpfe'.“
  • Roger Looser lobt Xiaomis konsequente Reduktion als wirtschaftlich wie funktional klug.
  • John Neff betont: „Entscheidend ist nicht Touch vs. Taste – sondern, ob das User Interface durchdacht ist.“

Langenwalters Aussagen zur Rolle Chinas greifen diese Argumente auf: Dort werde das Fahrzeug nicht mehr als geschlossenes Produkt gedacht, sondern als Teil eines digitalen Ökosystems – inklusive Smart Home, Mobile und Cloud. „China baut keine Autos – China baut Ökosysteme.“

Doch es gibt auch Stimmen, die dem Design wenig abgewinnen können:

  • Kritik am Touchscreen-Fetisch: Sascha Pallenberg spricht von einem „finanziellen Shortcut“ statt echtem Design.
  • Phillip M. warnt vor Sicherheitsrisiken durch reine Bildschirmsteuerung.
  • Keith McConnell betont: „Ich will Tasten, die ich blind ertasten kann. Das ist sicherer.“
  • Mathias Knauer berichtet von einem Rückschwenk bei Volkswagen zu physischen Bedienelementen – auf ausdrücklichen Kundenwunsch.

Der Autor: Dr. Martin Large

Martin Large
(Bild: Hüthig)

Aus dem Schoß einer Lehrerfamilie entsprungen (Vater, Großvater, Bruder und Onkel), war es Martin Large schon immer ein Anliegen, Wissen an andere aufzubereiten und zu vermitteln. Ob in der Schule oder im (Biologie)-Studium, er versuchte immer, seine Mitmenschen mitzunehmen und ihr Leben angenehmer zu gestalten. Diese Leidenschaft kann er nun als Redakteur ausleben. Zudem kümmert er sich um die Themen SEO und alles was dazu gehört bei all-electronics.de.

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