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(Bild: Rohde & Schwarz)

AUTOMOBIL-ELEKTRONIK: Herr Meyer, wie laufen die Geschäfte im Automotive-Bereich?

Jürgen Meyer: Die ganze Wireless-Industrie drängt in den Automotive-Bereich, und das ist natürlich gut für einen Top-Player im Mobilfunkbereich wie Rohde & Schwarz. Wir machen dort einen Großteil unseres Geschäftes und dank Wireless-Anwendungen wie Emergency-Call, WLAN, Bluetooth, Internet of Things oder Vehicle-to-X nimmt der Bedarf an Messtechnik in Sachen Connectivity in der Automobilindustrie weiterhin rasant zu. Sehr prominent sind auch die Connectivity-Themen 5G und damit verbunden schnelle Software-Updates Over-the-Air oder der Zugriff auf digitale Karten.

Langfristig gesehen gibt es eine klare Tendenz hin zu Cellular-V2X, China hat sich ja beispielsweise schon auf Messtechnikfestgelegt.

„Wir bedienen unsere internationalen und global agierenden Kunden aus der Automobilbranche seit mehr als 80 Jahren in über 70 Ländern weltweit.“ Rohde & Schwarz

Für uns als Hochfrequenz-Spezialist gehört Radar ebenfalls zu den Top-Themen. Unser QAR ist zum Beispiel eine einzigartige Messlösung, um zu analysieren, wie sich Radome und die Lackierung von Stoßstangen auf die dahinterliegenden Radarsensoren und deren Signalqualität auswirken. Das pusht gerade unser Automotive-Geschäft. Wir haben die Technologie aus unseren High-Speed Bodyscannern an Flughäfen abgeleitet und dachten zuerst nur an R&D und stichprobenartige Tests in der Qualitätssicherung. Inzwischen haben wir den ersten Kunden, der das System auch für einen 100% Test seiner Fahrzeuge in der Produktion einsetzen will. Die Messung erfolgt sekundenschnell, das kann sonst niemand am Markt. Mit den hohen Signalbandbreiten von 4 GHz im 77 GHz-Frequenzbereich ermöglicht Radar nun erstmals die Erkennung von Fußgängern. Damit steigt aber auch der Bedarf, die Radar-Signale robust gegen Interferenzen zu machen. Und das ist wiederum ein klassisches Rohde & Schwarz-Feld, das wir mit unseren Messlösungen bedienen.

Wir stellen auch fest, dass Ethernet gerade beginnt, den MOST-Bus zu ersetzen. Auch hier werden unsere Testlösungen für Interferenz- und Dämpfungsmessungen von Twisted-Pair-Kabeln stark nachgefragt. Für 1000Base-T1-Ethernet haben wir die weltweit erste Compliance-Testlösung auf den Markt gebracht, in Übereinstimmung mit den Anforderungen der OPEN Alliance.

Das klingt wirklich gut, aber was heißt das dann eigentlich in Zahlen ausgedrückt?

Jürgen Meyer: Als unabhängiges deutsches Familienunternehmen sind wir mit Geschäftszahlen eher zurückhaltend, aber unsere Geschäftsführung ist sehr zufrieden mit der Entwicklung des Automotive-Geschäfts bei Rohde & Schwarz. Mit unseren Hightech-Lösungen haben wir hochinteressante Angebote für die aktuellen Herausforderungen der Automobilindustrie. Unsere Geschäftsführung und ich selbst sind äußert zuversichtlich, weiteres Wachstum im Automotive-Markt zu erreichen.

Jürgen Meyer (am QAR stehend): „Unser QAR ist zum Beispiel eine einzigartige Messlösung, um zu analysieren, wie sich Radome und die Lackierung von Stoßstangen auf die dahinterliegenden Radarsensoren und deren Signalqualität auswirken. Das pusht gerade unser Automotive-Geschäft. Wir haben die Technologie aus unseren High-Speed Bodyscannern an Flughäfen abgeleitet.“

Jürgen Meyer (am R&S QAR stehend): „Unser QAR ist zum Beispiel eine einzigartige Messlösung, um zu analysieren, wie sich Radome und die Lackierung von Stoßstangen auf die dahinterliegenden Radarsensoren und deren Signalqualität auswirken. Das pusht gerade unser Automotive-Geschäft. Wir haben die Technologie aus unseren High-Speed Bodyscannern an Flughäfen abgeleitet.“ Rohde & Schwarz

Welche Schwerpunkte setzen Sie denn dabei im Automotivebereich?

Jürgen Meyer: Die bereits erwähnten Schwerpunkte Radar, Ethernet und Connectivity sind für uns extrem wichtig. Ein weiteres Themengebiet, auf dem wir sehr stark sind, ist die EMV. Mit über 1200 Turnkey-Installationen sind wir seit vielen Jahren Marktführer. Außerdem bieten wir auch Lösungen für temperiertes Testen in der Produktion, wo wir sehr schnell niedrige und hohe Temperaturen erzeugen können. Das ist insbesondere im Infotainment-Umfeld wichtig, wo zunehmend Halbleiterhersteller aus der PC-Industrie in den Automotive-Markt drängen. Deren Chips müssen nun nach den rauen Temperaturanforderungen der Automobilindustrie getestet werden.  Auch im Bereich Cyber-Security sind wir aktiv.

Welche Security-Aktivitäten sind das?

Jürgen Meyer: Für Rohde & Schwarz ist Cyber-Security ein strategisches Thema. Wir entwickeln Hardware- und Softwarelösungen in enger Zusammenarbeit mit unseren Kunden, um auf Cyberangriffe proaktiv statt reaktiv zu antworten. Wir liefern seit Jahrzehnten Lösungen für Behörden, die sehr hohe Sicherheitsanforderungen stellen. Da Schutzmechanismen nicht nachträglich in Systeme hineingeprüft werden können, muss man sie bei der Entwicklung der Komponenten von Anfang an berücksichtigen. Wir setzen uns heute mit der Automobilindustrie zum Thema Automotive Security auseinander, um morgen gemeinsam von sicher vernetzter Mobilität reden zu können.

Es gibt diverse Messtechnik-Anbieter, die sich im Automotivebereich tummeln. Was ist bei Rohde & Schwarz besonders?

Jürgen Meyer: Als weltweit tätiger Konzern, der seit fast 85 Jahren am Markt ist, sind wir die erste Adresse, was die Expertise im Technologie- und Hochfrequenzbereich betrifft.

Heutzutage geht es um Millimeterwellen, die nicht nur bei 5G sondern auch bei Radar eine wichtige Rolle spielen. Es geht auch um das Vermessen von Antennensystemen, die am Fahrzeug als Schnittstelle für eine sichere und hochratige Datenverbindung stehen. In den Domänenrechner-Architekturen der Autos spielt die Vernetzung über Ethernet eine große Rolle. Wir sehen das bei Rohde & Schwarz als strategisches Thema, und bei Ethernet 10/100/1000Base-T1 sind wir ganz vorne mit dabei. Wir entwickeln schon am Thema Ethernet mit 2,5 Gbit. In diesem Themenumfeld wollen wir absolute Spitze sein.

Außerdem hat Rohde & Schwarz eine Fertigungstiefe von über 90 %. Wir entwickeln eigene ASICS für unsere Messgeräte, denn nur so erzielen wir die hervorragende Performance. Mit unseren Fertigungsstätten in Teisnach und Memmingen profitieren wir von der räumlichen Nähe von Entwicklung und Produktion und sind so besonders agil. Unsere Kunden erwarten Produkte, die sehr hohen Qualitätsstandards entsprechen; um diese sicherzustellen, halten wir nahezu die gesamte Wertschöpfungskette im Haus: Das trägt maßgeblich zur Zuverlässigkeit unserer Produkte bei.

„Wir bedienen unsere internationalen und global agierenden Kunden aus der Automobilbranche seit mehr als 80 Jahren in über 70 Ländern weltweit mit Messtechnik.“

„Langfristig gesehen gibt es eine klare Tendenz hin zu Cellular-V2X, China hat sich ja beispielsweise schon darauf festgelegt.“ Rohde & Schwarz

Welche Strategie fahren Sie denn im Bereich 5G?

Jürgen Meyer: Rohde & Schwarz gehört zu den wichtigen Messtechnikerstellern der Wireless-Industrie; wir kooperieren seit Jahren mit den führenden Chipherstellern. Wir sind Mitglied in der 5GAA (5G Automotive Association) und haben heute bereits eine Hardwarelösung, die im Sub-6 GHz-Bereich zukunftssicher ist. Jenseits der 6 GHz stellt sich die Frage, ob Automotive-Anwendungen überhaupt in diesem Bereich arbeiten werden: Denn diese hohen Frequenzen sind dann doch eher länder- und regionenspezifisch, wobei die Automobilindustrie Lösungen für den Weltmarkt bevorzugt.

Bei V2X konkurrieren Cellular-V2X und 802.11p. Wohin geht der Trend und wie unterstützen Sie die Standards?

Jürgen Meyer: Langfristig gesehen gibt es eine klare Tendenz hin zu Cellular-V2X, China hat sich ja beispielsweise schon darauf festgelegt. Wir sind jedoch sehr gespannt, ob irgendein OEM bereits vor den 5G-Piloten bei den olympischen Spielen in Tokio eine Lösung auf Basis von 802.11p einführt. Als Testpartner führender Semiconductor-Produzenten, die eine oder sogar beide Lösungen in einem Chip unterstützen, bedienen wir bereits heute beide Technologien mit unseren Entwicklungssystemen.

Welche Aktivitäten hat Rohde & Schwarz im Bereich automatisiertes Fahren?

Jürgen Meyer: Mit unserem neuen Produkt AREG bedienen wir den Bedarf nach Produktionslösungen für die Zielsimulation von Radar-Sensoren. AREG ermöglicht auch Qualitätsanalysen in Bezug auf Robustheit gegen Interferenz, indem wir aufgezeichnete oder manuell generierte Interferenzsignale einspeisen. Um den Raumbedarf in der Produktion zu optimieren haben wir dafür eine spezielle, platzsparende Schirm-Kammer entwickelt. Der Launch dieses Produktes ist noch vor der Sommerpause geplant.

Darüber hinaus spielt in einer frühen Entwicklungsphase die Simulation bewegter Objekte eine große Rolle. Für den Einsatz in Hardware-in-the-Loop-Laboren oder auch Rollenprüfständen haben wir letzten Herbst auf der European Microwave Week in Nürnberg einen Prototypen vorgestellt, der auf großes Interesse in der Industrie gestoßen ist. Wir sprechen mit namhaften OEMs und Tier-1s über gemeinsame Entwicklungen.

Am 13.06.18 veranstalten wir bei Rohde & Schwarz übrigens einen Radar-Technologietag und diskutieren mit unseren Kunden die aktuellen Entwicklungen und künftigen Anforderungen. (Anmerkung der Redaktion: Interessenten können sich anmelden unter www.rohde-schwarz.com/automotive)

Welche Aktivitäten hat Rohde & Schwarz im Bereich Lidar?

Jürgen Meyer: Mit der zunehmenden Anzahl von Radarsensoren im Fahrzeug, manche sprechen ja da von 20 bis 30, werden Radarsensoren so günstig, dass sich auch für uns die Frage stellt, ob sich die für das automatisierte Fahren erforderliche Redundanz nicht auch über Radarsensorik abbilden lässt.

Die strategischen Themen sind für mich klar die Radarqualitätsanalyse sowie Target-Simulation, Ethernet und das Thema E-Call. Jetzt im April bringen wir mit einem neuen Release eine Lösung für Next Generation Emergency Call auf LTE-Basis Messtechnik heraus.

Jürgen Meyer (hier im Gespräch mit Alfred Vollmer, Chefredakteur AUTOMOBIL-ELEKTRONIK): „Die strategischen Themen sind für mich klar die Radarqualitätsanalyse sowie Target-Simulation, Ethernet und das Thema E-Call. Jetzt im April bringen wir mit einem neuen Release eine Lösung für Next Generation Emergency Call auf LTE-Basis heraus.“ Rohde & Schwarz

Mittlerweile sind GNSS-Signale wichtige Inputs für das automatisierte Fahren. Welche Auswirkungen hat denn das auf die Messtechnik?

Jürgen Meyer: Für uns ist das natürlich ein sehr dankbares Thema. Wir haben bereits eine Testlösung für E-Call/ERA-GLONASS mit weltweit über 200 Installationen und sind in diesem Umfeld gefragter Industriepartner. Von daher spielt natürlich die GNSS-Simulation eine große Rolle. Wir unterstützen alle GNSS-Varianten von GPS über Galileo bis hin zu GLONASS und Beidou, und da tauchen natürlich ganz neue Möglichkeiten auf, diese unterschiedlichen Satellitensignale zu kombinieren – quasi eine Fusion aller GNSS-Signale für eine noch bessere Positionsbestimmung. Das Ganze ist bekannt unter dem Stichwort Realtime Kinetics, und auch dafür haben wir Lösungen zum Simulieren und Testen, mit denen wir direkt am Puls der Zeit sind.

Welche Prioritäten setzen Sie hier im Management bei Rohde & Schwarz?

Jürgen Meyer: Wir haben spezielle Technologien und Lösungen entwickelt, die wir nutzen können, um Rohde & Schwarz als Player im Automotive-Markt bekannter zu machen. Die strategischen Themen sind für mich klar die Radarqualitätsanalyse sowie Target-Simulation, Ethernet und das Thema E-Call. Jetzt im April bringen wir mit einem neuen Release eine Lösung für Next Generation Emergency Call auf LTE-Basis heraus. Die bestehenden Lösungen arbeiten ja mit 2G beziehungsweise 3G. Dieses neue Produkt ist auch zukunftssicher für 5G, zumindest bis in den Bereich unterhalb von 6 GHz; und es eignet sich auch für V2X, egal ob 802.11p oder Cellular V2X. Unsere Expertise im EMV-Bereich können wir dazu nutzen, weitere Lösungen für die Elektromobilität zu entwickeln. Ein gutes Beispiel dafür ist das Wireless-Charging. Hier besteht ein hoher Bedarf an HF-Messtechnik, denn es gilt zu erkennen, ob sich Objekte zwischen dem Auto und der Spule im Boden befinden.

Wir wollen mit dem Automotive-Bereich ein weiteres großes Standbein für Rohde & Schwarz aufbauen. Seit mehr als 80 Jahren bedienen wir unsere Kunden zuverlässig in heute über 70 Ländern weltweit. Damit können wir unsere internationalen und global handelnden Automotive-Kunden wirkungsvoll bei der Entwicklung ihrer Produkte unterstützen. Es ist für mich wirklich eine spannende Aufgabe, in einem Hightech-Unternehmen mit so tollen Produkten und Lösungen aktiv mitzugestalten.

Welche Bedeutung hat der Kongress Automobil-Elektronik in Ludwigsburg für Sie?

Jürgen Meyer: In Ludwigsburg treffen sich die Spitzen der deutschen Automobilelektronik. Dort kann ich mich über die aktuellen Trends informieren und zusätzlich optimal mit Kunden und Partnern austauschen. Für mich ist das ein Standardtermin, auf den ich mich jedes Jahr erneut freue.

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