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Bild 1: Einfache Bedienung ist Pflicht, nur so kann sich der Chirurg auf die Operation konzentrieren.

Bild 1: Einfache Bedienung ist Pflicht, nur so kann sich der Chirurg auf die Operation konzentrieren.Faulhaber

Leistungsfähige Kleinantriebe sind in unterschiedlichen medizintechnischen Sparten weit verbreitet, beispielsweise in der Chirurgie. Neben ihrer geringen Baugröße arbeiten sie zuverlässig, präzise, haben eine lange Lebensdauer und sind anpassungsfähig. So zum Beispiel in der Augenchirurgie: Sie kann das Sehvermögen eines Patienten verbessern oder sogar wiederherstellen. Dazu muss der Chirurg jedoch die inneren Strukturen des Auges klar erkennen können.

Zum Abbilden der Cornea (der Hornhaut auf der vorderen Außenfläche des Auges) und der Retina (der Netzhaut auf der inneren, rückseitigen Fläche des Augapfels) wird ein chirurgisches Mikroskop benötigt, das durch ein spezielles Betrachtungssystem ergänzt wird, um zwischen Hornhaut- und Netzhaut-Ansicht zu wechseln. Solche Systeme vergrößern allerdings meist die Gesamthöhe des Mikroskops, was Chirurgen während der mehrstündigen Operationen oft Rücken- und Nackenschmerzen beschert. Als Volk Optical mit der Entwicklung einer automatisierten Generation seines Augenchirurgie-Betrachtungssystems Merlin (Bild 1) begann, lautete deshalb die Zielsetzung, die von den Chirurgen geforderten Leistungen mit einem möglichst kompakten Gerät zu erreichen.

Bild 2: Vorkonfektionierte Antriebe erleichtern dem Anwender die Lagerhaltung und die Montage.

Bild 2: Vorkonfektionierte Antriebe erleichtern dem Anwender die Lagerhaltung und die Montage.Faulhaber

Automatisierte Linsenpositionierungseinheit

Im Prinzip besteht das Betrachtungssystem aus zwei Teilen: der Linsenpositionierungseinheit (Lens Positioning Unit, LPU) mit der Operationslinse und der Kondensorbaugruppe (Condensing Lens Assembly, CLA). Die Operationslinse sorgt dafür, dass das Mikroskop die Retina abbildet. Der Kondensor verkürzt die Brennweite der Mikroskop-Objektivlinse um zirka 2,5 cm, so dass der Chirurg die LPU in den Strahlengang hinein und wieder heraus bewegen kann, ohne das Mikroskop nach oben und unten zu bewegen. So lässt sich schnell zwischen Hornhautansicht (ohne LPU) und Netzhautansicht (mit LPU) wechseln.

Auf einen Blick

Kleinantriebe schreiben Medizinelektronik-Geschichte. In der Chirurgenausbildung positionieren sie sich mit zwei Vorteilen: einem hohes Drehmoment und einer nicht selbsthemmenden Kraftübertragung. Durch die Betätigung des Haptikgerätes entsteht eine Simulation des Gefühls, das beim Operieren entsteht. In der Augenheilkunde punktet das Merlin-System, das mit einem kleinen Motor ausgestattet ist, auf dem ein Getriebe positioniert ist.

Während sich herkömmliche Betrachtungssysteme entweder vollständig manuell bedienen lassen oder der Operateur die Kondensorlinse per Fußschalter positionieren muss, erledigt das Merlin-System diese Aufgabe automatisch. Um den gewohnten Arbeitsabstand nicht zu verändern, brachten die Entwickler das System im bestehenden Gehäuse unter. Das verlangte einen entsprechend kleinen Motor, auf dem sich außerdem ein Getriebe aufsetzen ließ, um die benötigten Drehzahl- und Drehmomentwerte zu erreichen. Mit einer Servomotor-Encoder-Baugruppe wäre das nicht realisierbar gewesen. Stattdessen entschied man sich bei Volk für einen 15-mm-Schrittmotor von Faulhaber in Kombination mit einer Controller-Einheit.

Schrittmotor mit Untersetzungsgetriebe

Schrittmotoren verhalten sich naturgemäß hochgradig deterministisch: Ein Befehl, ein Schritt. Der Mikrocontroller ermittelt aus der Richtung und Anzahl der eingegebenen Impulse, wie sich die Kondensorlinse in dem Strahlengang hinein oder aus ihm heraus bewegt. Der Motor wurde mit einem Kunststoff-Planetengetriebe mit einem Untersetzungsverhältnis von 14:1 kombiniert. Das Getriebe ist mit einer Riemenscheibe verbunden und die Linsenhalterung lässt sich über einen Riemenantrieb bewegen. Ein optischer Sensor, der in den Boden der CLA eingebaut ist, erfasst die Position der LPU und der Controller sendet den entsprechenden Verfahrbefehl an den Schrittmotor.

Im praktischen Betrieb erweist sich dieses Modell, das Faulhaber in enger Zusammenarbeit mit seiner US-Schwester Micromo entwickelte, als zuverlässig. Das Merlin-System ist seit Sommer 2011 im regulären Vertriebsprogramm verfügbar. Seitdem kamen positive Rückmeldungen von Kunden und viele Systeme befinden sich inzwischen im praktischen Einsatz.

Haptische Schulungen

Solche und ähnliche Geräte sorgen dafür, dass sich die Chirurgie immer weiter in Richtung Patientenschonung entwickelt. Gleichzeitig ist aber auch die Aus- und Weiterbildung der Operateure ein wichtiges Thema. Hier helfen haptische Systeme weiter, die klare und realistische Sinneswahrnehmungen vermitteln. Gleichzeitig lassen sie Rückschlüsse zu, wie viel Kraft die Chirurgen aufgewendet haben und wie umfangreich die Schnitte sind.

Bild 3: Der mechanisch ausbalancierte, reibungsarme Roboter simuliert mit einer ausgeklügelten Feedback- und Steuerungsfunktion.

Bild 3: Der mechanisch ausbalancierte, reibungsarme Roboter simuliert mit einer ausgeklügelten Feedback- und Steuerungsfunktion.Faulhaber

Als auf diesem Gebiet der Chirurgie-Simulation bewandert, gilt das Unternehmen Quanser, die außer anwendungsspezifischen OEM-Produkten auch allgemeine Haptiksysteme für die Forschung konstruieren. Die jüngste Entwicklung ist das High-Definition Haptic Device (HD2), ein Parallelmechanismus mit sechs Freiheitsgraden (x,y,z, Rollen, Nicken, Gieren). Dieser mechanisch ausbalancierte, reibungsarme Roboter besteht aus zwei miteinander gekoppelten Auslegern mit je fünf Gelenken (Bild 3) und kann über einen großen Arbeitsbereich Bewegungen in hoher Auflösung ausführen. Er hat einen Roll- beziehungsweise Nickbereich von jeweils ±90° (Drehbewegungen um die Querachse) und einen Gierbereich von ±180° (Drehbewegungen um die vertikale Achse). Um sein Reaktionsvermögen zu maximieren, ordnete das Entwicklerteam die Motoren im Gehäuse an und nicht auf dem Stellgliedarm.

Kundenspezifischer Servomotor

Bild 4: Für die Chirurgenausbildung muss das Gerät, das bei der Operation entstehende Gefühl originalgetreu wiedergeben, sonst nützt es nichts.

Bild 4: Für die Chirurgenausbildung muss das Gerät, das bei der Operation entstehende Gefühl originalgetreu wiedergeben, sonst nützt es nichts.Faulhaber

Die Auswahl dieser Motoren war jedoch keineswegs trivial: Sie sollten ein hohes Ausgangsdrehmoment liefern, aber zugleich reibungs- und haftreibungsarm arbeiten sowie eine niedrige Masseträgheit aufweisen. Damit Haptikgeräte effektiv arbeiten, müssen sie natürlich eine kontinuierliche Sinneswahrnehmung liefern, was für die Motoren ein hohes Maß an Reproduzierbarkeit bedeutet (Bild 4). Um eine geeignete Variante zu finden, arbeiteten die Simulationsexperten eng mit den Antriebsspezialisten von Micromo zusammen. Man machte sich gemeinsam auf die Suche nach einer Spezialeinheit, die auf die Applikationsanforderungen abgestimmt sein sollte (Bild 5).

Bild 5: Für das Haptikgerät ist ein Kleinstantrieb nötig, der ein hohes Ausgangsdrehmoment liefert, zugleich sehr reibungs- und haftreibungsarm arbeitet und eine sehr niedrige Masseträgheit aufweist.

Bild 5: Für das Haptikgerät ist ein Kleinstantrieb nötig, der ein hohes Ausgangsdrehmoment liefert, zugleich sehr reibungs- und haftreibungsarm arbeitet und eine sehr niedrige Masseträgheit aufweist.Faulhaber

Der schließlich gewählte Motor hat eine modifizierte Spule, mit denen sich ein sehr hohes Ausgangsdrehmoment erzeugen lässt. Er entwickelt zwar keine besonders hohen Drehzahlen, aber das ist bei den Haptikgeräten auch nicht erforderlich. Ein hohes Drehmoment und die nicht selbsthemmende Kraftübertragung, also die Fähigkeit des Benutzers, die Reibung zu überwinden und das Haptikgerät zu betätigen, sind hier die entscheidenden Faktoren bei der Motorenauswahl. Die Motoren stattete man zudem mit hochauflösenden optischen Encodern aus. Diese liefern die präzisen Feedbackgrößen, die erforderlich sind, um eine realitätsnahe taktile Wahrnehmung zu erzeugen. Die Kleinantriebe tragen auf diese Weise wesentlich zur fundierten Aus- und Weiterbildung in der Chirurgie bei.

Andreas Seegen

ist Leiter für das Marketing bei Faulhaber in Schöneich.

Ellen-Christine Reiff

ist im Redaktionsbüro Stutensee in der Nähe von Karlsruhe als Redakteurin tätig.

(rao)

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