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Besonders Applikationen, bei denen die Aufmerksamkeit des Fahrers geteilt wird, benötigen ein geeignetes Netzwerk, das die leichte und nahtlose Integration der Infotainment- und Fahrerassistenzdomänen unterstützt. Beginnend mit der neuen Generation MOST150 und mit der passenden Roadmap präsentiert sich die MOST-Technologie als robust und zukunftssicher.

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MOST

Moderne Fahrerassistenzsysteme (Advanced Driver Assistance Systems, ADAS) werden immer mehr zu einem integralen Bestandteil des Fahrzeugs – mit Schnittstellen zu vielen unterschiedlichen Clustern von Elektrik/Elektronik-Systemen im Auto. Vergleichbar mit dem menschlichen Körper heißt es, zahllose Funktionen zu implementieren und zu vernetzen: Sensoren wie zum Beispiel Radar, Kameras oder Ultraschall sowie Recheneinheiten und Aktoren wie Lenkung, Bremsen, ESP und Airbag. Berücksichtigt man die Komplexität der Anwendungsfälle und die unterschiedlichen Fahrzeugdomänen, die Informationen austauschen müssen, wird klar ersichtlich, dass für die Effizienz des Systems eine adäquate Netzwerkinfrastruktur absolut notwendig ist. Vom funktionellen Blickwinkel aus betrachtet beginnen Fahrerassistenzsysteme damit, den funktionellen Umfang des klassischen Infotainment-Systems zu erweitern.

Gemäß Bild 1 entwickelt sich die Fahrerassistenz-Domäne zu einem integralen Bestandteil des E/E-Ökosystems. Dabei werden Fahrerassistenzsysteme und Infotainment weiter zusammenwachsen.

Typische, neu entstehende Fahrerassistenz-Applikationen wie die Kollisionswarnung, Verkehrszeichenanzeige, Spurhalte-Warnung, fortschrittliche Spurführung, Fußgänger-Warnung, Nachtsicht, adaptive Geschwindigkeitskontrolle oder Unfall-Vorwarnung werden den Fahrer in das Regelungssystem einbeziehen. Der Fahrer ist in der äußeren Schleife einer kaskadierten Regelungsstruktur. Folglich muss die Aufmerksamkeit des Fahrers – eine begrenzte und äußerst wertvolle Ressource – zusätzlich geteilt werden. Dies führt in naher Zukunft zu vielen Herausforderungen in Bezug auf beispielsweise die Bedienbarkeit. Wesentlich in diesem Zusammenhang ist die Auswirkung auf die Infrastruktur und dabei insbesondere auf das Netzwerk.

Bild 1: Evolution der E/E-Architektur.

Bild 1: Evolution der E/E-Architektur. SMSC Europe

Wenn Fahrerassistenz- und Infotainment-System zusammenarbeiten und beide ein nahtlos ineinander greifendes System bilden müssen, hat dies spezielle Anforderungen an die Netzwerkebene. Charakteristisch sind hierbei eine hohe Integration eines Mehrkanalnetzwerkes, strenge Echtzeit-Kriterien, Determinismus in Kombination mit geringer Latenz, eine flexible Topologie, eine große Bandbreite, Sicherheitsaspekte sowie Robustheit und Reife.

Als Konsequenz ist ein Mehrkanal-Netzwerkansatz mit inhärenter Synchronizität erste Wahl. Weitere Vorteile wie Marktreife, Kosteneffektivität und flexible Topologie tragen dazu bei, dass aus Systemperspektive die MOST-Technologie am besten passt.

Mehrkanal-Netzwerk MOST

Fahrerassistenzsysteme müssen in der Regel eine Vielzahl an Sensordaten verarbeiten. Um die Komplexität zu beherrschen, verwendet man oft einen hierarchischen Ansatz mit unterschiedlichen Abstraktionsniveaus und Zeitanforderungen. Der untere Level enthält eine große Menge an Rohdaten, wofür eine große Bandbreite sowie Kohärenz und schnelle Übertragung notwendig sind. Auf dem mittleren Level müssen Objekte und Attribute transportiert werden. Schließlich fließen auf dem obersten Niveau die Interpretationsdaten. Bild 2 zeigt eine typische Umsetzung auf MOST. Ein Mehrkanal-Netzwerk erlaubt die parallele Nutzung aller Dienste für Steuerungs-, Streaming- und Paket-Daten über ein Netzwerk. Diese Dienste sind einfach zu synchronisieren und, wenn nötig, hochgradig deterministisch.

Die dritte Generation der MOST-Spezifikation führt MOST mit 150 MBit/s ein. Durch die Bereitstellung des automobiltauglichen Ethernet-Kanals gemäß IEEE 802.3 mit frei konfigurierbarer Bandbreite von 0 bis beinahe 150 MBit/s eignet sich MOST150 für die IP-Datenkommunikation. Damit ermöglicht MOST eine Vielzahl an Anwendungen, die auf dem IP-Protokoll basieren – und zwar inklusive der optimalen Integration von drahtlosen mobilen Geräten sowie der Kommunikation von Fahrzeug zu Fahrzeug oder zwischen Fahrzeug und Infrastruktur. Die MOST-Struktur mit ihrem Funktionsblock-Konzept beinhaltet eine klare Applikations-Programmierschnittstelle. Sie ist in der Lage, beide Schnittstellen zwischen Infotainment-Applikationen und Sensor-Schnittstellen wie Kameras und Fahrerassistenz-Anwendungen zu standardisieren.

Strenge Echtzeit- und geringe Latenzanforderungen

Fahrerassistenzsysteme mit hierarchischem Ansatz führen in Anwendungen mit Sensorfusion zu strengen Echtzeit- und niedrigen Latenzanforderungen. Im automobilen Umgebungstemperaturbereich von -40 °C bis +95 °C (oder sogar bis +105 °C) müssen hierbei strikte Jitter-Beschränkungen erfüllt werden. Aus diesem Grund basiert das Systemkonzept von MOST auf der physikalischen Schicht auf inhärenter Synchronizität. Die klare Unterscheidung zwischen Transfer-Jitter (relevant auf Systemebene) und Alignment-Jitter (nur jeweils zwei Knoten relevant) führt zu einem robusten Systemdesign. Die Spezifikationsgrenzen sind testbar und lassen sich im Rahmen der Compliance-Verifikation überprüfen.

Flexible Topologie

Das MOST-Netzwerks hat bereits seine Flexibilität unter Beweis gestellt: Diverse Topologien wie Stern, Kette und Baum sind genauso möglich wie die Nutzung unterschiedlicher Übertragungsmedien: optische Polymerfaser (POF), koax-basierte elektrische Physical-Layer sowie geschirmte und ungeschirmte verdrillte Kupferkabel (STP/UTP).

Bild 2: Transportmechanismus für MOST Daten.

Bild 2: Transportmechanismus für MOST Daten.MOST

Vor kurzem erfolgte die Freigabe der MOST150-Spezifikation in der Version 1.0 für den elektrischen Physical-Layer für MOST150 über Koaxkabel. Dieser Standard erweitert für MOST150 den bestehenden optischen Physical-Layer für die Infotainment-Domäne und eröffnet neue Möglichkeiten für Fahrzeugdomänen wie Fahrerassistenz, weil jetzt die bidirektionale Kommunikation und die Stromversorgung über ein einziges Kabel möglich sind. Beide Physical-Layer – optisch und elektrisch – sind voll kompatibel.

Große Bandbreite

MOST wurde als synchrone Netzwerk-Systemlösung mit großer Bandbreite bei nahezu keinem Overhead für administrative Kommunikation entwickelt. Das Management synchroner und isochroner Streaming-Verbindungen gewährleistet die geeignete Zuteilung der Ressourcen und somit den Zugriff auf die Quality-of-Service-Kommunikation (QoS). Auch die QoS-IP-Kommunikation bezüglich des isochronen Kanal ist garantiert. Die Bandbreiten-Anforderungen werden noch weiter steigen. Zusätzlich zu USB 3.0 und DisplayLink-Anwendungen wird bei der Fahrerassistenz die Notwendigkeit für nicht-komprimierte Video-Übertragung und Sensor-Verknüpfungen entstehen.

MOST hat sich zur Definition einer klaren Roadmap verpflichtet. Die MOST-Technologie ist offen für zukünftige Erweiterungen – beispielsweise in Richtung größerer Bandbreiten. Die nächste MOST-Generation wird die Bandbreite im Gigabit-Bereich erschließen. Das wird sowohl für optische als auch für Koaxial-Verbindungen möglich sein, die beide in heutigen Telekom-Standards zum Einsatz kommen, wohingegen der jetzige UTP-Ansatz eine Nische zu bleiben scheint.

Sicherheitsaspekte

Abhängig vom Grad der Sicherheitsrelevanz gilt es, die Sicherheitsaspekte in Fahrerassistenz-Systemen zu betrachten. Möglichen Kommunikationsdefekte wie Fehler des Kommunikationsteilnehmers, ungewollten Nachrichtenempfang, Nachrichtenverlust, Reihenfolgefehler, Nachrichtenkorrumpierung, Nachrichtenverzögerung etc. müssen die Systeme sicher erkennen. Hierfür kann ein adäquater Software-Sicherheits-Layer hinzugefügt werden – und zwar zur einen oder anderen Anwendung (Bild 3). Die Gegenmaßnahmen umfassen einen zyklischen Redundanztest (Cyclic Redundancy Check, CRC), Sequenzzähler, Nachrichtenlänge und Timeout-Detektion.

Bild 3: Beispiel für das Sicherheits-Layer-Konzept.

Bild 3: Beispiel für das Sicherheits-Layer-Konzept.MOST

Entsprechende Studien in Zusammenarbeit mit dem deutschen TÜV stellten die Machbarkeit dieses Konzeptes bereits unter Beweis. MOST150 unterstützt das Sicherheits-Layer-Konzept, um fehlersichere Anwendungen bis zum SIL-3-Niveau gemäß IEC 61508 und ASIL D gemäß ISO 26262 zu ermöglichen. Die neuste Generation MOST150 erfüllt diese Anforderungen bereits in größtmöglichem Umfang. Dabei lässt sich das funktionale Systemmodell wie in einem Infotainment-System zur internen Gerätekommunikation verwenden, so dass es für die Applikation keine Rolle spielt, ob der Kommunikationspartner in derselben Steuereinheit sitzt oder über das Netzwerk verbunden ist. Darüber hinaus kann das Netzwerk mit „normalen“ Netzwerk-Knoten ohne einen Sicherheits-Layer gemischt werden.

Robustheit und Reife

Mit über 125 Fahrzeugmodellen auf der Straße hat sich die MOST-Technologie als robust bewährt. Die neuste Generation der MOST-Spezifikation berücksichtigt auch die bisher gewonnenen Erfahrungswerte. Für die dritte MOST-Generation gibt es bereits Referenz-Implementierungen, und viele OEMs haben ihre Zulassung erteilt, da sich die Technik bewährt hat. Für erste Autos mit MOST150 hat der Markteintritt kürzlich begonnen.

MOST steht für einen Systemlösungsansatz, der sich als kosteneffizient erwiesen hat. Die inhärente Synchronizität auf Netzwerkebene verringert dabei die Anforderungen auf Komponentenniveau und spart somit Ressourcen, während die Standardisierung von MOST die Wiederverwendung der Funktionsblöcke ermöglicht: Sets von standardisierten Kommandos, die synchronisierte Nachrichten und Ereignisfluss erlauben. MOST bietet einen IP-Pool (IP: Intellectual Property) mit kostenfreier gegenseitiger Lizenzierung zwischen den Mitgliedern der MOST-Cooperation. Basierend auf Konformitäts-(Compliance)-Tests ermöglicht dies die direkte, leichte Lizenzkonzession. Dieses Modell und die Technologie sind sowohl für Premium- als auch für Volumen-Fahrzeughersteller attraktiv. Ein etablierter Zertifizierungstestprozess mit MOST-Compliance-Testhäusern, die gemäß ISO 17025 akkreditiert sind, führt zu einer hohen Qualität mit vorgetesteten Komponenten. Darüber hinaus schließt das Compliance-Verifikationsprogramm die Entwicklungs-Feedback-Schleife und hilft somit, den Standard kontinuierlich zu verbessern.

Auf einen Blick

MOST für ADAS
In zukünftigen Fahrzeugen vervollständigen und erweitern Fahrerassistenzfunktionen den Feature-Umfang traditioneller Infotainmentsysteme. Die Zahl der Autos, die Fahrerassistenzfunktionen wie Kamerasysteme, Abstandskontrollen oder Spurhaltewarnungen zusätzlich zu Informationsfunktionen wie Navigationssystemen, Verkehrsinformationen und Funktionswarnungen integriert haben, wird schnell steigen. Die Notwendigkeit für eine nahtlose Integration von Infotainment und Fahrerassistenz ist augenfällig, wobei es gilt, sowohl strenge Echtzeit-Anforderungen als auch große Bandbreitenanforderungen zu erfüllen. Der Ansatz eines Mehrkanalnetzwerks mit inhärenter Synchronizität ist dabei erste Wahl. Wenn dann weitere Vorteile wie Serienreife, Kosteneffizienz und flexible Topologie mit entsprechend passendem Niveau an funktionaler Sicherheit (Safety Integrity Level, SIL) einhergehen, erweist sich MOST für den Autor als die am besten geeignete Systemlösung.

Dr.-Ing. Wolfgang Bott

ist Technischer Koordinator der MOST Cooperation. Er ist außerdem als MOST Compliance Administrator tätig.

(av)

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