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Es war ein denkwürdiger Tag, als sich im Juni 2011 auf dem 15. Fachkongress „Fortschritte in der Automobilelektronik“ in Ludwigsburg fünf führende deutsche Fahrzeughersteller gemeinsam für mehrere neue Standards aussprachen. Darunter war die Absichtserklärung, ein zweites Bordnetz mit 48 Volt im Fahrzeug einzuführen (siehe infoDIREKT 302AEL0311 auf www.all-electronics.de). Audi, BMW, Daimler, Porsche und Volkswagen erklärten damals gemeinsam, untersuchen zu wollen, welches Potenzial besteht, um Hochstromverbraucher im Fahrzeug besser und wirtschaftlicher zu betreiben als dies mit existierender 12-V-Technik möglich ist. Insbesondere war es das nach Angaben von Volker Wilhelmi (Daimler) das erklärte Ziel der OEMs, Funktionen und Aggregate der Elektrifizierung „besser, kostengünstiger und leichter in die Fahrzeuge hineinzubringen“.

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Continental

Klarer Treiber dieser Gemeinschaftsinitiative Pro 48 V, ist die steigende Bedeutung der Energieform Strom im Fahrzeug: Die neue Spannungslage von 48 V ist unter dem Aspekt der Sicherheit genauso unproblematisch wie das 12-V-Bordnetz, weil beide unterhalb der international gültigen Grenze von 60 V für die Berührsicherheit von Gleichstrom führenden Komponenten liegen. Gleichzeitig ist die höhere Spannungslage von 48 V per se elektrisch effizienter. Auch die steigende Zahl an Hochstromverbrauchern lässt sich mit 48 V effizienter betreiben, sowie kompakter und leichter konstruieren. Den größten Einzelnutzen hat das 48-V-Bordnetz allerdings dann zu bieten, wenn diese zweite Spannungslage für eine Hybridisierung des Antriebs zum Einsatz kommt. In diesem Fall kann bereits die Niedervolt-Elektrifizierung einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, künftige CO2-Grenzwerte einzuhalten.

Um ab 2020 einen Flottendurchschnitt von nur noch 95 g CO2/km zu erreichen, ist es zwingend erforderlich, in vielen Fahrzeugsegmenten die Kraftstoffeffizienz weiter zu steigern. Je nach Fahrzeugklasse wird das mit einer reinen Optimierung des verbrennungsmotorischen Antriebs kaum gelingen, weil man die Fahrbarkeit des Fahrzeugs als entscheidendes Kaufkriterium nicht außer Acht lassen darf. Eine Hybridisierung mit einem 48-V-Starter-Generator lässt sich sehr gut dafür nutzen, prinzipbedingte Schwächen eines hubraumreduzierten und verbrauchseffizienten Verbrennungsmotors auszugleichen und in manchen Fahrsituationen durch elektrisches Boosting für ein gutes Drehmomentangebot zu sorgen. So weit die Motivation und die Erwartungen Mitte 2011.

21 % Verbrauchsersparnis mit Niedervolttechnologie

Inzwischen zeichnet sich ab, dass ein 48-V-System wie der von Continental entwickelte 48 V Eco Drive die anfänglichen Hoffnungen sogar deutlich übertrifft: Während der Entwicklung ließen sich bei ersten Fahrversuchen mit der im 48-V-Demonstratorfahrzeug verbauten Technologie (Bild 1) im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) auf Anhieb rund 13 % Kraftstoffersparnis zeigen. Alleine das wäre schon ein attraktiver Effizienzgewinn für ein System gewesen, das sich prinzipiell in jedes existierende Fahrzeugmodell integrieren lässt, ohne dass dafür nennenswerte Änderungen an der Architektur nötig wären.

Bild 1: Das 48-V-Eco-Drive-Demonstratorfahrzeug auf Basis eines VW Golf 1,2 TSI.

Bild 1: Das 48-V-Eco-Drive-Demonstratorfahrzeug auf Basis eines VW Golf 1,2 TSI.Continental

Sobald mit dem 48-V-Demonstratorfahrzeug jedoch Fahrprofile gefahren wurden, die dichter an der Realität des Straßenverkehrs im städtischen Raum liegen, zeigte sich der tatsächliche Effekt der Mild-Hybrid-Funktionen: Beim unabhängigen Vergleichstest des Demonstatorfahrzeugs durch die Fahrer des Fernsehsenders Vox TV lag der Verbrauch im Stadtverkehr um 21 % niedriger als der im Referenzfahrzeug mit 12-V-Start-Stopp-Microhybridisierung. Dieser Effizienzgewinn geht ausschließlich auf 48-V-Niedervolttechnologie zurück, die hier Funktionen ermöglicht, wie sie bisher Mild-Hybrid-Fahrzeugen mit Spannungslagen größer 110 V vorbehalten zu sein schienen. Die Einsparung entsteht im Wesentlichen durch das leistungsfähige Rekuperieren und durch das sogenannte Engine-Off-Coasting, also das Segeln bei abgeschaltetem Verbrenner.

Potenzial der 48 V-Hybridisierung

Continental hat den 48 V Eco Drive gezielt entwickelt, um genau jene Hürden zu umgehen, die bei der Hochvolttechnik einer Einführung in der Masse der Fahrzeuge im Wege stehen: Ein wesentlicher Kostentreiber bei Hybridfahrzeugen mit hohen Spannungslagen ist die Integration des elektrischen Systems in die Fahrzeug- und Antriebsstrangarchitektur. Hier sind tiefe Eingriffe nötig, um leistungsstarke Aggregate mit potenziell gefährlich hohen Spannungen und Strömen in eine existierende Fahrzeugarchitektur einzufügen und dabei für Sicherheit in allen Betriebssituationen zu sorgen, angefangen beim normalen Fahrbetrieb über die Wartung bis hin zu möglichen Unfallgeschehen. Der zweite große Kostentreiber der Elektrifizierung ist die Dimensionierung der Lithium-Ionen Batterie, wie sie in den meisten elektrifizierten Fahrzeugen zum Einsatz kommt. Sobald der Energiegehalt dieser Batterie für ein rein elektrisches Fahren mit sinnvoll nutzbarer Reichweite ausgelegt wird, ist die Batterie heute die teuerste Einzelkomponente im Fahrzeug.

Die Kosten-Nutzen Hürde nehmen

Bild 2: Mögliche Hybridisierungskonzepte, die sich dem skalierbaren Baukasten der Elektrifizierung nach Maß umsetzen lassen.

Bild 2: Mögliche Hybridisierungskonzepte, die sich dem skalierbaren Baukasten der Elektrifizierung nach Maß umsetzen lassen.Continental

Natürlich sind das alles keine Grundsatzargumente gegen die Hochvolt-Hybridisierung, denn diese Technologie bietet im Gegenzug Vorteile, die sich auch weiterhin nur mit hohen Spannungslagen nutzen lassen. Für den Massenmarkt jedoch erweisen sich die Kosten der Hochvolttechnik bisher als eine gewisse Hürde. Das belegen aktuelle Untersuchungen wie die Continental Mobilitätsstudie 2015 eindeutig. Attraktive Hochvoltsysteme wie die Plug-in-Hybridisierung werden in geeigneten Fahrzeugklassen sicher einen deutlich wachsenden Beitrag zur CO2-Ersparnis im Straßenverkehr leisten. Der dafür erforderliche Integrationsaufwand und die Systemkosten sind jedoch für Fahrzeugmodelle im Volumensegment nicht ohne weiteres darstellbar (Bild 2).

Mit der 48-V-Technologie lässt sich hingegen die bisherige Lücke zwischen der im Markt ausgesprochen erfolgreichen 12-Start-Stopp-Minimalhybridisierung und den zahlenmäßig weit dahinter zurückbleibenden Hochvoltlösungen schließen. Die Komponenten des Systems sind Teil einer Elektrifizierung nach Maß, die einen Industriebaukasten aus skalierbaren Komponenten für unterschiedliche Elektrifizierungskonzepte umfasst: von 12-V-Start-Stopp über 48 V und die Hochvolt-Hybridisierung bis zum reinen Elektrofahrzeug.

Die höhere Spannung und die zusätzlich eingesetzte 48-V-Lithium-Ionen-Batterie ermöglicht zusätzliche Funktionen im Fahrzeug, die mit reiner 12-V-Technologie nur schwer umsetzbar sind. Vorhandene Verbraucher, die in der Regel hohe Ströme erfordern, lassen sich auf 48 V umstellen. Dadurch können geringere Kabelquerschnitte zum Einsatz kommen, was letztlich auch zu einer Gewichtsreduzierung führt.

48 V geht in Serie

Nachdem 12-V-Technologie, Hochvolt-Hybridsysteme und Antriebstechnik für reine Elektrofahrzeuge bei Continental bereits seit Jahren in Serie sind, steht dieser Schritt bei dem 48 V Eco Drive nun ebenfalls bevor: Inzwischen gibt es mehrere Serienaufträge für Fahrzeuge aus unterschiedlichen Segmenten und in so verschiedenen Weltmärkten wie den USA, Asien und Europa. Der SOP für die ersten europäischen Fahrzeuge mit 48 V Eco Drive ist für 2016 geplant. Es wird somit konkret mit dieser neuen Form der Elektrifizierung. Für den Fahrzeughersteller erfüllt der 48 V Eco Drive zentrale Wirtschaftlichkeitsvorgaben für den Massenmarkt. Hier wird häufig ein Systemkostenlimit erwartet, das im niedrigen zweistelligen Eurobereich pro Gramm CO2-Reduktion liegt. Der 48 V Eco Drive kann diese Vorgaben aufgrund seiner Konzeption erfüllen.

Komponenten und Funktionsumfang

Physisch besteht ein 48 V Eco Drive aus einem Starter-Generator mit integriertem Inverter, einem DC/DC-Wandler, der zwischen 48 V und 12 V wandelt, sowie einem Lithium-Ionen-Akku mit ähnlichen Abmessungen wie eine Blei-Säure-Batterie (Bild 3). Bei einer Integration des Eco Drive in den Riementrieb kommt noch ein Riemenspanner samt Riemen hinzu. Alternativ lässt sich die elektrische Maschine aber auch mit einem Riemen zwischen Motor und Getriebe integrieren (Side-mounted Architektur) oder wie bei einem Hochvolt-Hybrid voll integrieren (Inline-Architektur).

Bild 3: Komponenten und Integration des 48 V Eco Drive.

Bild 3: Komponenten und Integration des 48 V Eco Drive.Continental

Die 48-V-Asynchronmaschine startet den Verbrenner leise und komfortabel innerhalb von maximal 0,2 s. Damit entfällt ein Hauptgrund, warum eine 12-V-Start-Stopp-Funktion in heutigen Fahrzeugen manchmal deaktiviert wird. Die höhere Kapazität der Lithium-Ionen-Batterie ist zudem ausreichend, um die Verbraucher im Fahrzeug auch in längeren Stillstandsphasen mit elektrischer Energie zu versorgen, ohne dass der Verbrenner eingeschaltet werden muss. Genau diese Stärke nutzt der 48 V Eco Drive, um den Verbrennungsmotor möglichst oft und lange auszuschalten und die Fahrstrategie des Coasting (Ausrollen ohne Antrieb, Antriebstrang abgekoppelt) auszunutzen. Je nach Fahrprofil besteht die Möglichkeit, den verbrennungsmotorischen Antrieb so bei bis zu einem Viertel der Fahrzeit abzuschalten.

Wegen des guten Wirkungsgrads der Rekuperation bei 48 V kann bis zu doppelt so viel elektrische Energie zur Verfügung stehen wie das Fahrzeug beispielsweise im NEFZ benötigt. Damit steht dieser Strom für effiziente Fahrstrategien zur Verfügung. Zur Funktionalität des 48 V Eco Drive gehört die elektrische Unterstützung beim Anfahren und bei Lastwechseln: Bis zu 16 kW Leistung und bis zu 60 Nm lassen sich dafür elektrisch hinzufügen. Damit unterstützt das System zentrale Effizienzstrategien wie Downsizing und Lastpunktverschiebung.

Weiteres CO2-Potenzial durch Vernetzung

Eck-Daten

Gemäß dem NEFZ bietet der 48 V Eco Drive eine Kraftstoffersparnis von 13 %, aber in Fahrprofilen, die näher an der Realität des Straßenverkehrs im städtischen Raum liegen, fiel der Verbrauch im Stadtverkehr sogar um 21 % niedriger aus als bei reinen 12-V-Fahrzeugen. Außerdem liefert das System bis zu 16 kW elektrischer Leistung und bis zu 60 Nm. 2016 soll es in Europa in Serie gehen.

Durch Vernetzung des Antriebsstrangs mit dynamischen Informationsquellen, die über Car-to-x-Systeme zur Verfügung stehen können wird sich der Wirkungsgrad der Hybridisierung künftig noch weiter steigern lassen. Insbesondere die Möglichkeit einer vorausschauenden Anpassung der Fahrstrategie an die Streckentopografie und die Verkehrssituation erschließt weiteres Potenzial. Je nach Ausbaustufe kann der eHorizon (statisch, vernetzt, dynamisch) hier unterschiedliche Effizienzsteigerungen ermöglichen.

Das Gasoline Technolgy Car (GTC), ein Hybrid mit 48 V Eco Drive sowie weiteren neuen Effizienztechnologien wie beispielsweise einer elektrifizierten Kupplung zeigte den Nutzen eines prädiktiven Energiemanagements im Rahmen eines umfassenden Integrationsansatzes auf. Bei diesem Fahrzeug gelang es durch die Summe der Maßnahmen und deren intelligente Wechselwirkungen, den CO2-Ausstoß um 17 % auf nahezu exakt 95 g/km zu senken, obwohl das Referenzfahrzeug mit einem wegen seiner Effizienz bereits mehrfach ausgezeichneten Dreizylinder-Ottomotor mit 1,0 l Hubraum und 12-V-Start-Stopp-Funktion ausgestattet ist.

Bernhard Klein

arbeitet bei Continental.

(av)

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