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Rosenberger

OEMs und Analysten sind sich einig: Ethernet-Systeme werden in den nächsten Fahrzeuggenerationen in wachsendem Maße verbaut. So prognostizieren beispielsweise die Analysten von Strategy Analytics, dass die Stückzahlen von Ethernet-Steckverbindern bis zum Jahr 2020 auf über 140 Millionen Steckverbinder pro Jahr ansteigen werden. Ein interessanter Markt also, dem sich Konfektionäre, Steckverbinder- und Kabelhersteller mit vollem Engagement widmen.

Dieser Beitrag beschreibt daher ein modulares TP-Stecksystem (TP: Twisted-Pair), das eine bauraum- und gewichtsoptimierte sowie kosteneffiziente Fahrzeugvernetzung ermöglicht. Zudem geht es darum, wie sich durch die Verwendung von Mantelleitungen eine Erhöhung der Übertragungssicherheit insbesondere im Hinblick auf die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) erzielen lässt und wie die Realisierung der Stromversorgung (Fernspeisung) bei Ethernet-Systemen aussehen kann. Hierbei ist es wichtig, dass die Zulieferindustrie über ihre Primär-Komponenten hinaus denkt und das Übertragungssystem ganzheitlich mit allen Einflussgrößen bezüglich der Signalintegrität und der EMV (von PHY zu PHY) einschließlich HF-optimierten Signalpfaden im PCB-Layout betrachtet. Im Hause Rosenberger steht man damit dem Kunden als Partner innerhalb des Produktlebenszyklus beginnend bei der Konzept- und Design-In-Phase zur Seite und arbeitet intensiv an der Standardisierung des Ethernet Physical Layers mit. Die enge Zusammenarbeit mit führenden Kabelherstellern und Konfektionären ermöglicht es, gemeinsam innovative Systemkonzepte zu entwickeln.

Anwendungsgebiete und Bordnetztopologie

Die Ethernet-Technologie wird die Lücke zwischen den niederbitratigen Bussystemen (CAN/LIN, FlexRay, MOST50) und den hochbitratigen Datenprotokollen (LVDS, APIX, MHL, USB 2.0/3.0) schließen (Bild 1). Es ist geplant, das automotive Ethernet mit zwei verschiedenen Datenraten einzuführen: 100 MBit/s und 1 GBit/s. Die BroadR-Reach-Variante des Protokolls von 100-MBit/s-Ethernet wird in der OPEN Alliance SIG standardisiert und steht derzeit für Pilotimplementierungen bei diversen OEMs im Fokus. Die Normung der 1 GBit/s wird als Standard IEEE 802.3bp durch die Arbeitsgruppe RTPGE (Reduced Twisted Pair Gigabit Ethernet) vorangetrieben.

Bild 1: Protokoll-Übersicht im Fahrzeug.

Bild 1: Protokoll-Übersicht im Fahrzeug.Rosenberger

Ziel ist in beiden Fällen, ungemantelte und ungeschirmte Twisted-Pair Leitungen als Übertragungskanal zu qualifizieren. Für 100 MBit/s sieht zumindest der Verzicht auf Schirmung derzeit sehr vielversprechend aus. Ob dies allerdings auch für die 1 GBit/s gilt, wird derzeit intensiv untersucht. Unter Umständen ist für 1-GBit/s-Ethernet sogar ein zweites Datenpaar erforderlich. Dies würde jedoch die Verwendung eines koaxialen Übertragungskanals (Fakra) als geschirmte und zugleich preislich attraktive Fallback-Lösung verhindern. Hier bleibt derzeit nur abzuwarten, was die Halbleiterhersteller auf der PHY-Seite möglich machen können.

Voraussichtlich werden beide Übertragungsgeschwindigkeiten in Zukunft benötigt, um die E/E-Vernetzung des Backbones sowie von Kamera- und Sensorapplikationen mit einem einheitlichen Übertragungsprotokoll zu ermöglichen.

Datensteckverbinder im Kfz – Vom Sternvierer zum Twisted-Pair

Nachdem 2006 führende Automobilhersteller zusammen mit Rosenberger das High-Speed-Data-Stecksystem (HSD) basierend auf dem Sternvierer-Konzept definiert hatten, hat sich dieses offene 100-Ω-System inzwischen zum Defacto-Standard für die Übertragung von Datenströmen im Fahrzeug etabliert; es kommt daher heutzutage zur Vernetzung nahezu aller in Bild 1 gezeigten Protokolle zum Einsatz. Aufgrund der hohen Marktdurchdringung und der damit verbundenen Volumenzunahme in der Produktion haben sich die Kosten für ein RosenbergerHSD-Gesamtsystem – bestehend aus PCB-Übergängen und Kabel-Assemblies – seit Einführung erheblich reduziert. Wie bei einem Koaxialkabel garantieren hochautomatisierte Konfektions- und maschinelle Montageprozesse eine gleichbleibend hohe Qualität.

Mit der Einführung von RosenbergerHSDe erweiterte das Unternehmen den Baukasten in Richtung ungeschirmter Lösungen. Damit besteht nunmehr die Möglichkeit, bei voller Rückwärtskompatibilität zum geschirmten Standard-RosenbergerHSD, Ethernet ungeschirmt im Fahrzeug einzuführen. Besonders geeignet ist dieser Ansatz, wenn über die zwei differenziellen Signal­paare nicht nur unabhängige Datenströme mit hoher Entkopplung zueinander übertragen werden sollen, sondern die ­hohe Stromtragfähigkeit der 0,35-mm²-Leitungsquerschnitte zur Stromversorgung (Fernspeisung) genutzt werden soll.

Bild 2: Übersicht der Verbausituation im Fahrzeug.

Bild 2: Übersicht der Verbausituation im Fahrzeug.Rosenberger

Gemäß Derating nach DIN EN 60512-5-2 lassen sich mindestens 3 A bis zu einer Umgebungstemperatur von 105 °C übertragen. Diese Art der Stromversorgung spart Kosten und wertvollen Bauraum.

Sollten zukünftige Bordnetztopologien allerdings eine Trennung von Daten- und Stromversorgungsnetzen erfordern, sind reine Twisted-Pair Lösungen gefragt. Daher hat sich Rosenberger entschlossen, ein entsprechendes System basierend auf dem Modular Twisted-Pair Data (MTD) Connector zu entwickeln. Das MTD-Kontaktsystem ist speziell auf die Ethernet-Übertragung zugeschnitten und setzt dabei die erste am Markt verfügbare gemantelte 0,14-mm²-Leitung mit 100 Ω ein. Die Leitung wurde zusammen mit führenden Kabelherstellern entwickelt und weist ein elektrisch optimiertes Verhalten auf. Sie verhält sich mechanisch robust gegenüber Umwelteinflüssen und Zug-Torsionsbelastungen.

Durch die Reduktion des Kupfer-Leitungsquerschnitts von 0,35 mm² (AWG 22) auf 0,14 mm² (AWG 26) ergibt sich eine Kosten­ersparnis. Dadurch kann ein hochwertiger, dämpfungsarmer Mantel kostenneutral bei nahezu gleichem Leitungsgewicht im Vergleich zur verdrillten 0,35-mm²-TP-Leitung (ohne Mantel) umgesetzt werden.

Bild 2 verdeutlicht, warum das Wort „Modularität“ in dem von Rosenberger entwickeltem MTD-Stecksystem eine ganz neue Bedeu­tung erhält: Durch einen Wechsel der Oberschale wird aus dem Einfachstecker ein mechanisch robuster, codierter und farblich definierter Kontaktträger, den der Werker am Band

Bild 3: Vergleich der Einfügedämpfung bei 105 °C eines optimierten MTD-Kabels mit einer PVC-Mantelleitung.

Bild 3: Vergleich der Einfügedämpfung bei 105 °C eines optimierten MTD-Kabels mit einer PVC-Mantelleitung.Rosenberger

prozesssicher verarbeiten kann. Durch geringe Modifikationen an der Ober- oder Unterschale ist das MTD-System zudem in bereits bestehende Tür- oder Sitzsteckverbinder integrierbar. Der Einsatz von Standardkomponenten und modularen Kunststoffschalen gepaart mit einfachen Montageschritten bringt den Vorteil, dass vorhandenes Verarbeitungsequipment verwendet beziehungsweise ein teil- oder vollautomatischer Montageprozess (zum Beispiel auf Komax-Maschinen) einfach umgesetzt werden kann. Geringe Investitions- und Konfektionskosten bei höchster Qualität der konfektionierten Leitung sind das Ergebnis. Wie das Übersichtsbild auf Seite 24 zeigt, steht auch beim MTD-System das gesamte Portfolio von 1-fach, 5-fach, Platinen- und Inline-Verbindern wahlweise in Standard- als auch in wasserdichter Ausführung zur Verfügung.

Das MTD-Kontaktsystem erreicht selbst bei kleinerem Kupferquerschnitt hohe Abzugswerte vom Stecker zum Kabel, da der Kabelmantel mittels Kunststoffträger fixiert und auf diese Weise eine mechanische Zugentlastung der Einzellitzen erzielt wird. Eine ungewünschte Öffnung des Twists, welcher als Kompromiss in der „Zone 2″ gemäß OPEN Alliance SIG beschrieben ist, wird durch die spezielle Konstruktion des Rosenberger MTD-Steckverbinders vermieden.

Signalintegrität

Das MTD-Stecksystem in Kombination mit 0,14-mm²-Mantel-leitungen erfüllt sämtliche Anforderungen der OPEN Alliance SIG in Bezug auf die für die Signalintegrität relevanten Parameter. Zwei dieser Parameter – die Einfügedämpfung und der Impedanzverlauf entlang des Links – sollen hier exemplarisch untersucht werden, da diese die Signalintegrität von Ethernet-Übertragungssystemen maßgeblich bestimmen.

Bild 4: Einfluss der Aufhebung der Verdrillung (Untwist) auf die Impedanz des Übertragungskanals.

Bild 4: Einfluss der Aufhebung der Verdrillung (Untwist) auf die Impedanz des Übertragungskanals.Rosenberger

In Bild 3 ist daher zunächst die Einfügedämpfung über der Frequenz dargestellt. Nur eine Leitung mit einem hochwertigen, dämpfungsarmen Mantelmaterial weist eine konstant niedrige Einfügedämpfung über den gesamten von der Automobilindustrie geforderten Temperaturbereich (bis 105 °C) auf. PVC als Mantelmaterial bietet diese Dämpfungsstabilität nicht.

Der in Bild 4 dargestellte Impedanzverlauf wird üblicherweise mit Hilfe der Time Domain Reflectometry (TDR) bestimmt und gibt zeit- beziehungsweise ortsaufgelöst an, wie hoch die Abwei-chungen von der geforderten Systemimpedanz von 100 Ω sind. Dieses Resultat macht klar, dass nur eine kontinuierliche Aufrechterhaltung der Kabelverdrillung, wie bei Rosenberger-Datenstecksystemen üblich, zur Einhaltung von ±10 Ω um die Systemimpedanz führt. Dies gilt insbesondere an den Leitungsenden im Bereich der Steckverbinder. Konventionelle Stecksysteme, bestehend aus 2 x 0,35 mm² Einzellitzen, können diese Anforderung aufgrund der Einzelsteckfähigkeit jedes Kontaktes nicht einhalten. Sie weisen daher typischerweise eine Untwistlänge von luntwist = 30 mm oder mehr auf.

Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV)

Zeitgleich zu den Anstrengungen, die zur Implementierung des Ethernet-Protokolls im Fahrzeug notwendig sind, ändert sich die E/E-Architektur bis 2020 auch im Bereich des Antriebsstranges grundlegend. Aus heutiger OEM-Sicht wird jedes Fahrzeug einen elektrischen Hochvolt-Antriebsstrang (HV) besitzen müssen, um die gesetzlich geforderten Werte zur CO2-Reduktion zu erreichen. Für Rosenberger als Automobil-Zulieferer, der Komponenten sowohl für Infotainment als auch für HV-Bordnetze anbietet, ist die störungsfreie Koexistenz dieser Systeme ein wichtiges Forschungs- und Entwicklungsthema.

Der Grund hierfür ist, wie in Bild 1 skizziert, dass sich die Spektren der Datenprotokolle mit dem des HV-Antriebsstranges teilweise überlappen und sich nicht klar separieren lassen. Ungewünscht ausgekoppelte Störanteile des HV-Bordnetzes können Datennetze beeinflussen und zu Ausfällen führen. Das ist ein Grund, warum gerade der Störfestigkeit von Ethernet-Systemen eine entscheidende Bedeutung zukommt.

Bild 5: BCI-Messungen nach ISO 11452-4 mit 100 mA Störstrom für 10 m Leitungslänge (ohne Inline-Verbinder).

Bild 5: BCI-Messungen nach ISO 11452-4 mit 100 mA Störstrom für 10 m Leitungslänge (ohne Inline-Verbinder).Rosenberger

Störfestigkeitsmessung

In Bild 5 ist das Ergebnis einer solchen Störfestigkeitsmessung nach der BCI-Methode (Bulk Current Injection) gemäß ISO 11452-4 dargestellt. Bei dieser EMV-Prüfung wird ein konstanter Störstrom auf die zu testende Leitung aufgebracht und hierbei die Funktionsweise des Ethernet-Systems im Hinblick auf die Signalqualität überwacht. Hier wurde ein Störstrom mit einer konstanten Amplitude von 100 mA und variabler Frequenz auf einer Leitungslänge von 10 m (ohne Inline-Verbinder) eingeprägt. Unterschreitet hierdurch die Signalqualität einen Wert von zirka 70 %, so ist mit einer erhöhten Ausfallwahrscheinlichkeit bis hin zum vollständigen Verlust der Ethernet-Übertragung zu rechnen. Folglich reagiert die Ethernet-Übertragung über ein typisches 2 x 0,35-mm²-System deutlich störanfälliger als dies beim MTD einschließlich optimierter Leitung der Fall ist.

Auf einen Blick

Steckverbinder für Ethernet

Durch das neuentwickelte MTD-Stecksystem ist es Rosenberger gelungen, ein Ethernet-Übertragungssystem zu entwerfen, bei dem die Kenngrößen Kosten, Gewicht und Bauraum während des gesamten Entwicklungsprozesses eingeflossen sind und konsequent minimiert wurden. Darüber hinaus verspricht die elektrische Performance des Systems, neue Maßstäbe für die Implementierung von Ethernet im Fahrzeug zu setzen.

Dr.-Ing. Gunnar Armbrecht

leitet den Bereich „Advanced Research“ und ist stellvertretender Leiter der Forschung & Entwicklung bei Rosenberger Hochfrequenztechnik GmbH & Co. KG.

Dipl.-Ing. (FH) Thomas Müller

ist Entwicklungsingenieur und EMV-Spezialist bei Rosenberger Hochfrequenztechnik GmbH & Co. KG.

Martin Zebhauser

ist Leiter des Produktmanagements und der Konstruktion des Geschäftsbereichs Automotive bei Rosenberger Hochfrequenztechnik GmbH & Co. KG.

M. Eng. Stephan Kunz

ist Entwicklungsingenieur und Spezialist für Signalintegrität bei Rosenberger Hochfrequenztechnik GmbH & Co. KG.

(av)

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