elektrisches Isolationssystem

Das elektrische Isolationssystem muss an die Technologie und Konstruktion der Antriebsfertigung angepasst werden. (Bild: Von Roll)

Aktuelle Elektrofahrzeuge haben einen hohen Energieverbrauch. Dieser entsteht nicht allein durch das Fahren, vielmehr stellen unsichtbare Energieverbraucher im Bordnetz, wie Entertainment-/ Infotainmentsysteme, Heiz- und Klimaanlagen, Batteriethermomanagement etc. die größte Herausforderung an das Energiemanagement des Fahrzeuges dar.

Heute sind nur Nischenmodelle wie Formel-e-Autos oder einige Hochleistungsmodelle wie etwa der Porsche Taycan, der Audi e-tron GT oder der Aston Martin Rapid E bereits mit einem 800-V-System ausgestattet. Eine Bordnetzspannung von 400 V ist bei der Mehrzahl der derzeitigen Elektrofahrzeuge jedoch noch immer der Standard.

Um eine durchgängige gesellschaftliche Akzeptanz der Elektromobilität zu erreichen, unternehmen die Verantwortlichen enorme Anstrengungen, wie etwa die deutliche Verbesserung der Reichweite und Schnellladefähigkeit für Elektrofahrzeuge.

Die Erhöhung der Spannungsebene von 400 V auf 800 V gilt als die effizienteste Möglichkeit zur Optimierung der Leistungsfähigkeit. Durch die verdoppelte Spannungsebene lässt sich in der gleichen Zeit bei gleicher Stromstärke wesentlich mehr Leistung übertragen, was bis hin zu halbierten Ladezeiten gegenüber einem 400-V-System führen kann.

800 V als neuer Standard

Die Erhöhung des Spannungslevels auf 800 V bietet dem Nutzer eine Reihe von Vorteilen wie schnelleres Laden oder ein geringeres Gewicht und Volumen bei höherer Effizienz, Komfort und Leistung.

Die Vorteile zeigen sich bereits bei Hochleistungsfahrzeugen, die sehr empfindlich auf das Gewichts-/Leistungsverhältnis reagieren. Aber auch kostengünstigere Fahrzeuge könnten künftig von den Vorteilen der 800-V-Systeme profitieren, sobald die Kostenreduktion durch die Großserienproduktion greift. Der Einführung der 800-V-Technologie auf dem breiten Markt dürfte daher höchstwahrscheinlich eine Top-Down-Strategie von den OEMs über die Tier 1, Tier 2, die Teilehersteller bis hin zu den Rohstofflieferanten folgen. Zudem ist zu erwarten, dass weitere staatliche Förderungsmaßnahmen und Auflagen an die Automobilhersteller als Begleiterscheinung auftreten. Bei der Hochskalierung der Elektrofahrzeuge auf 800 V ändern ich die Anforderungen an alle Teilkomponenten. Alle Bauteile des E-Motors sind zu ändern oder anzupassen und ganze mechanische Teilsysteme entlang der Bordnetze / Verbraucher gilt es zu elektrifizieren. Kurz gesagt: Ein komplettes Re-Design aller Komponenten unter der Motorhaube ist notwendig. Das ist natürlich recht kostspielig und Rentabilität entsteht somit erst in der Großserie.

Was spricht dafür?

Die Erhöhung der Spannung auf 800 V ist eine Antwort auf die Erwartungen der Nutzer, die sich schnellere Ladezeiten und längerer Fahrautonomie wünschen. Die Verbesserung der Akkuleistung für längere Streckenfahrten kann durch eine Erhöhung der Batteriezellenanzahl, beziehungsweise durch die Erhöhung der Leistungsdichte je Zelle erfolgen. Weitere Gewichtseinsparungen sowie die Hochskalierung auf die Massenproduktion können weitere Antworten auf die Wünsche der Verbraucher nach kostengünstigen Lösungen sein.

Bei einer Bordspannung von 800 V lässt sich die Batterieladezeit für ein Fahrzeug im 400-Kilometer-Radius von aktuell 29 Minuten in einem 400-V-System auf eine nur kaffeepausenlange Ladezeit von 15 Minuten oder gar weniger reduzieren. Die Erweiterung der Reichweite spielt außerdem eine wichtige Rolle. Das bedeutet aber auch, dass die Automobilhersteller zusätzlichen Entwicklungsaufwand, Zeit und Kosten in die Einbettung des 800-V-Systems von Nischenprodukten auf breitere Massen-PKWs investieren müssen.

Die Verbesserung der Energieeffizienz im gesamten Fahrzeug bedeutet natürlich auch, unnötige Leistungsverluste zu begrenzen, wie sie etwa im Stau oder bei Stop-and-Go-Fahrten im Kurzstreckenbereich entstehen, aber auch beim Laden oder Entladen des Autos. Ob geringer oder hoher Leistungsbedarf, diese Leistungsverluste verschwenden erhebliche Energie und damit auch Ressourcen und Kosten. Bei höheren Spannungswerten wäre diese Verlustleistung aber deutlich reduziert. So lädt beispielsweise ein 400-V-Kabel eine 200 km weitreichende Ladung bei einer Verlustleistung von 85 W. Bei 800 V wäre die Verlustleistung viermal geringer, also nur 20 W. Um die Leistungsverluste so gering wie möglich zu halten, sollte die Ladespannung sowohl der Batteriespannung als auch der Spannung des gesamten Antriebssystems entsprechen. Damit dies funktioniert, muss die 800-V Transformation also mehr als nur das Ladesystem beinhalten.

Ebenso kommen in Fahrzeugen mit einer 800-V-Spannungsebene elektrische Halbleiter aus zum Beispiel Siliziumkarbid und Galliumnitrid zur Steuerung des Elektromotors zum Einsatz. Die Nutzung dieser Materialien verringert die Leistungsverluste nachhaltig, womit auch eine geringere Wärmeabfuhr einhergeht. Dies hat den Vorteil, dass sich teure Kühlungssysteme einsparen lassen und sich Größe und Gewicht des gesamten Aufbaus verringern lässt. Der Einsatz dieser neuen Halbleitergenerationen erhöht einerseits die Effizienz des Elektromotors, belastet aber andererseits durch enorm schnelle Schaltungszyklen/ Anstiegszeiten das Isolationssystem des Motors und damit dessen Haltbarkeit.

Effizienz- und Rentabilitätssteigerung durch 800 V

Bei konstanter Leistung lässt sich der benötigte Strom in einem 800-V-System im Vergleich zu einem 400-V-System um 50 Prozent reduzieren. Dadurch kommt weniger Kupfer zum Einsatz, was die Gesamtsystemkosten als auch das Fahrzeuggewicht mindert.

Als erfreulicher Nebeneffekt ist es nicht mehr erforderlich, den Ladestecker und die Ladebuchse zu kühlen, da eine Erhöhung der Spannung im Kabel die Wärme im Ladesystem nicht erhöht, der Ladevorgang selber erfolgt aber schneller.

Von Roll arbeitet an der Einführung neuer Werkstoffe, um den Anforderungen eines 800-V-Bordnetzes Rechnung zu tragen. Dies beinhaltet zum Beispiel neuartige Imprägnierharze und Isoliersysteme für Elektromotoren, die verbesserte Wärmeleitfähigkeiten aufweisen und somit im Motor zu einem höheren Wirkungsgrad führen.

Aufgrund schnellerer Verarbeitbarkeit und kürzerer Aushärtungszeiten, die bei Umgebungstemperatur möglich sind, ist solch ein elektrisches Isoliersystem um ein vielfaches benutzerfreundlicher. So lassen sich die E-Motoren schneller herstellen, was langfristig zu massiven Zeit- und Energieeinsparungen sowie niedrigeren Herstellungskosten führt. Ein Problem ist allerdings, dass noch nicht alle notwendigen Bauteile unter der Motorhaube heute schon in Hochspannungsausführung verfügbar sind.

E-Mobility: Reichweite

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(Bild: Adobe Stock 204728350, Hüthig)

Wie lässt sich die Reichweite eines E-Autos erhöhen? Höherer Wirkungsgrad durch die richtigen Halbleiter, geringeres Gewicht durch Leichtbau und intelligente Fahrweise sorgen für mehr Reichweite. Welche Technologien dahinter stecken, erfahren Sie hier.

Probleme mit Teilentladungen

Erhöhte Belastungen des umrichtergespeisten Motors, wie schnelle Anstiegszeitimpulse von bis zu 50 kV/µs verursachen Belastungen mit Spannungsspitzen, die die Funktionalität des Isoliersystems und des E-Motors beeinträchtigen. Problematisch ist das Phänomen der Teilentladungen.

Teilentladungen (TEs) sind kleine Lichtbögen (auch Korona genannt) in den Hohlräumen innerhalb oder auf der Oberfläche der Isolierung, die durch hohe elektrische Felder gezündet werden. Der Imprägnierungsprozess sollte die Luft zwischen den Kupferdrähten eigentlich vollständig mit Harz füllen. Einige der Luftblasen verbleiben jedoch sowohl im Harz als auch zwischen den Drähten. Je nach Geometrie können der Luftdruck und die Temperatur in diesen Hohlräumen – Bedingungen für das Vorhandensein von Korona – das Auftreten von Teilentladungen begünstigen, was zu einer Verschlechterung, das heißt zu lokaler Zersetzung organischer Komponenten und im schlimmsten Fall zum Ausfall des Motors führen kann. Das Anlegen von Impulsen durch den Einsatz eines Pulsweiten-modulierten Umrichters mit einem hohen Spannungspegel (800 V und höher) erhöht die Gefahr des TE-Einsatzes und TE-Pegels, was zu einem vorzeitigen Isolationsausfall führen kann. Kurz gesagt, ohne Verbesserung der Konstruktion des E-Motors und Anwendung die entsprechenden Isolierungssysteme kann eine Teilentladung während der Lebensdauer der Maschine erhebliche Schäden verursachen.

Das Von Roll Institut informiert und schult Unternehmen in der Anwendung spezifischer Isolierungstechniken und der Physik von TE-Effekten. Außerdem führt es Tests für 400-V- und 800-V-Isolierungssysteme für E-Auto-Hersteller durch. Die Prüfkapazitäten umfassen Materialprüfungen unter extremen Belastungen, wie zum Beispiel hohe thermische Belastung (bis 350 °C), hohe Spannungen (bis 7 kV) und hohe Frequenzen (bis 30 kHz). Nicht zuletzt lassen sich am Institut auch Blitzimpulse simulieren. Das Institut berücksichtigt trotz allem immer die folgenden zwei großen Herausforderungen. Es gibt nur wenig Platz im Bauraum für den Motor und im Vergleich zu beispielsweise großen Hochspannungsgeneratoren ist die Stückzahl deutlich höher. Die Automobilindustrie ist jedoch sehr kostenbewusst, benötigt hohe Taktzahlen und die Motoren müssen robust gegen widrige Umwelteinflüsse sein.

Fazit

Das Auto der Zukunft soll ein zuverlässiges Elektroauto sein, mit geringem CO2-Ausstoß, zu erschwinglichen Preisen mit höherer Leistung und kürzeren Ladezeiten als aktuell auf dem Markt erhältlich.

Etwa 80 Prozent der heutigen 400-V-Elektro-, Batterie- oder Hybridfahrzeuge, die in Europa im Einsatz sind, sind bereits mit Isolierungssystemen von Von Roll für E-Motoren ausgestattet, die Imprägnierharze, beschichtete Drähte und Nutisolationspapiere umfassen. Weltweit, und insbesondere im Hinblick auf den lokalen chinesischen Markt mit Fahrzeugen in einer anderen Konfiguration und Reichweite, fahren etwa 30 bis 40 Prozent der heutigen Fahrzeuge mit dem Von Roll-System.

Obwohl die meisten Automobilhersteller im Bereich der Elektromobilität tätig sind, ist die Technologie, selbst die von 400-V-Elektroautos, aufgrund ihrer sehr hohen Einstiegspreise sowie einer Reihe noch fehlender Standards noch lange nicht abgeschlossen. Die Infrastruktur der Ladestationen gilt es noch im kommerziellen Maßstab aufzubauen und viele andere Fragen sind noch ungeklärt, wie etwa die Netzlast, die Strombesteuerung, Parkplätze oder Ladeeinrichtungen.

Während Tesla beispielsweise Auto und Ladestation liefert, investieren andere Automobilhersteller noch nicht allzu viel Aufwand in die Kompatibilität von Ladestationen und Andockstationen. Getrieben von staatlichen Anforderungen an die Regulierung der CO2-Emissionen oder dem Prozentsatz der Autobauteile, die Leichtbauwerkstoffe enthalten müssen, sind Elektroautos heute ein „Nice to have“ und müssen in der gesamten europäischen Bevölkerung zunächst einmal mehr Akzeptanz finden.

Beide Systeme, 400 V und 800 V, spielen eine Schlüsselrolle in den heutigen Automobilentwicklungen. Wir befinden uns derzeit erst in der ersten Generation von Elektrofahrzeugen und die Entwicklungen erfordern etwas mehr Zeit. Die E-Mobilität und ihre Vorteile müssen noch bis zur breiten Masse vordringen. Von Roll unterstützt die Automobilindustrie mit Lösungen für weniger Verlustleistung, mehr Wärmeschutz und elektrische Isolierung sowie mehr Energieeinsparung und investiert in die nächste Generation des Automobilbaus.

Dr. Christoph Herold

(Bild: Von Roll)
Leiter Von Roll Insitut

Jens Lange

(Bild: Von Roll)
Geschäftsführer Von Roll Automotive

(aok)

Schwerpunktthema: E-Mobility

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(Bild: Adobe Stock, Hüthig)

In diesem Themenschwerpunkt „E-Mobility“ dreht sich alles um die Technologien in Elektrofahrzeugen, Hybriden und Ladesäulen: Von Halbleitern über Leistungselektronik bis E-Achse, von Batterie über Sicherheit bis Materialien und Leichtbau sowie Test und Infrastruktur. Hier erfahren Sie mehr.

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