Mehr Sicherheit verspricht sich Continental vor allem von der Vernetzung von Fahrzeugen untereinander sowie mit Verkehrsleit- und Regelanlagen. Dieser „Car-2-X-Communication“ (C2X) genannte Ansatz sieht vor, Daten einzelner Fahrzeuge anderen Pkws verfügbar zu machen. So kann beispielsweise vor einem Notarztwagen etc. schon vor Erreichen der nächsten Kreuzung gewarnt werden, aber es können auch liegengebliebene Fahrzeuge an schlecht sichtbaren Stellen vorher „gesehen“ werden sowie zum Beispiel der Straßenzustand erkannt und eine Nässe-, Schnee- oder Glatteis-Warnung erfolgen. Auch zum Kraftstoff sparenden Ausrollen vor einer Kreuzung lässt sich C2X nutzen, indem das Fahrzeug die Information „Ampel steht auf rot“ erhält.
Außerdem zeigte Continental die Möglichkeiten auf, Autofahrer und Fußgänger in Unfallsituationen besser schützen zu können. Dazu dienen beispielsweise Systeme, die Fußgänger auch für Bremsassistenten erkennbar machen und die eine Bremsung im Fall einer Kollisionsmöglichkeit einleiten.
Elektromobilität
Franz Lacher, im Bereich Powertrain für die Geschäftsplanung verantwortlich, erklärte, dass sich die Grenzwerte nach EURO-6 „wahrscheinlich nicht mehr verändern“ werden, „aber die Randbedingungen werden in Zukunft verschärft, um noch stärker die Realität, die reellen Fahrbedingungen darzustellen“. Für das Jahr 2020 rechnet er mit einem weltweiten Marktanteil der Elektrofahrzeuge von etwa 3%. Er betonte, dass Continental „seit 2009 bis 2013 etwa 90 Serienprojekte mit 17 Kunden weltweit“ im Bereich der Elektromobilität unterstützt, wobei „ein Netzwerk von etwa 1600 Spezialisten“ sich mit diesem Thema befasst. Dennoch werde die Elektromobilität nur sehr moderat wachsen: „Die Hybridisierung sehen wir als Lösung für die nächsten mindestens zwei Dekaden. Mindestens 90 % aller Fahrzeuge werden in den nächsten 10-20 Jahren mit einem Verbrennungsmotor fahren“ – teilweise in Kombination mit einem Elektromotor.“
Das Zusammenspiel zwischen Motor und Bremse sei heute „nicht so flexibel, wie wir es in der Zukunft sehen werden“, aber das werde sich ändern: „Um die Rekuperation für den Fahrer nicht merkbar aber sehr effizient umzusetzen, ist ein sehr, sehr feinfühliges Zusammenspiel zwischen den Komponenten Antrieb und Bremse notwendig; Energiemanagement ist das Thema der Zukunft im Bereich Hybridisierung.“
Die Vernetzung werde stark zunehmen, und für die Zukunft sieht Franz Lacher eine systemübergreifende Integration über alle Fahrzeug-Schnittstellen hinweg: Powertrain, Interior und Chassis. „Damit das Fahrzeug möglichst effizient von A nach B bewegt werden kann, muss das Fahrzeug mit seiner Umwelt vernetzt sein.“
Fahrer(assistenz)
Bei über 20.000 Informations-Schnittstellen beziehungsweise Funktionen in einem Fahrzeug sieht Ralf Lenninger, Leiter Interior Electronics Solutions bei Continental, die Vernetzung als Schlüsseltechnologie, zumal sich diese 20.000 Funktionen in den nächsten Jahren verdoppelten.
Lenninger betont, dass sich derzeit 23,5% (laut NHTSA sogar 30%) aller Unfälle auf Fahrerablenkung zurückführen lassen. Mit einer einfacher gestalteten Bedienung des Autos will Continental die Fahrerablenkung reduzieren. „Der Mensch ist abgelenkt, wenn er unterfordert oder müde ist, und der Mensch ist abgelenkt, wenn er überlastet ist oder anderen Nebentätigkeiten ausführt“, erläutert Ralf Lenninger. Da es beispielsweise wenig zielführend sei, dem Autofahrer in einer kritischen Fahrsituationen mitzuteilen, dass Waschwasser nachgefüllt werden muss, bestehe die Gesamtaufgabe darin, den Menschen in den optimalen mentalen Belastungsbereich hineinzuführen: „Der Fahrer muss im Flow bleiben. Unsere Aufgabe besteht darin, Unterforderung zu erkennen, Maßnahmen einzuleiten, um den Menschen aus der Unterforderung herauszubringen, aber auch Überlastung und Ablenkung zu identifizieren und entsprechende Maßnahmen im Auto zu generieren, um ihn aus der Überlastung wieder in den optimalen Flow zu bringen. Dies wird eine unserer großen Aufgaben für die Zukunft sein: Keep in the Flow.“
Die nächste Aufgabe stelle sich dann, „wenn der Mensch nicht mehr mental am Fahrgeschehen teilnimmt“, wenn beispielsweise ein Elternteil sich vom Fahrersitz zum schreienden Kind nach hinten wendet. Dann käme das temporäre automatisierte Fahren ins Spiel – eine Situation, die bei genauer Betrachtung heute schon Standard ist, weil beispielsweise das ESP in einer kritischen Fahrsituationen auch nicht erst den Fahrer um Erlaubnis für den Eingriff fragt. „Den technologischen Pfad in diese Richtung haben wir bereits mit Assistenzsystemen von ACC bis Lane Departure Warning betreten – allerdings in der Auslegung von Assistenzsystemen“
Es stellt sich somit die Frage, ob das automatisierte Fahren kommt, wobei Continentals Standpunkt laut Ralf Lenninger klar ist: „Das automatisierte Fahren muss kommen, weil es Kundennutzen bietet. Ich glaube, es gibt nicht viele Menschen, die eine Stop-and-Go-Autobahnfahrt bei Geschwindigkeiten zwischen 0 und 30 km/h als bereicherndes Event betrachten.“ Und wenn der Mensch beim Fahren nicht nach Vorne schaut, „dann haben wir einfach die Verpflichtung, einen Unfall zu verhindern.“ Basis für das automatisierte Fahren sei aber ganz klar die Vernetzung.
Eine gute Möglichkeit, um dem Fahrer ohne große Ablenkung Daten zur Verfügung zu stellen, biete Augmented Reality mit Hilfe eines Head-Up-Displays, so dass beispielsweise der Fahrweg auf der aktuellen Straße als virtueller Pfeil auf der Straße zu sehen ist. Für eine derartige Lösung zielt Continental derzeit einen SoP in 2016 an. In einem nächsten Schritt könnte dann ein aktiver Eingriff dafür sorgen, dass das Fahrzeug auch den vom Pfeil vorgegebenen Weg einhält, aber das dauere noch etwas länger.
Technologien für die Sicherheit
Sein Kollege Dr. Peter Rieth, Leiter der Systems & Technology Division Chassis & Safety, berichtete, dass die UN die nächste Dekade als die Dekade der Verkehrssicherheit deklariert hat; mit entsprechenden Maßnahmen soll es in diesem Jahrzehnt 5 Millionen Verkehrstote und 50 Millionen Verletzte weniger geben. Allein in der EU kommt im Straßenverkehr jedes Jahr die Einwohnerzahl einer ganzen Kleinstadt ums Leben. Europaweit muss die Verkehrssicherheit daher weiter erhöht werden. Erreicht werden soll dieses durch sieben Initiativen der EU, deren Schwerpunkt auf Verbesserungen von Fahrzeugen, Infrastrukturen und des Verhaltens der Verkehrsteilnehmer liegt. Geeignete Assistenzsysteme sollen es ermöglichen, diese Ziele zu erreichen. „Wir sprechen nur noch von ‚integrierter Sicherheit‘ bei Continental“, betont Dr. Rieth, da es keine klassische Aufteilung mehr in aktive und passive Sicherheit gebe. „Zwei neue Sicherheitstechnologien – Notbremsassistent und Spurverlassenswarner – unterstützen diesen vorgegebenen Weg, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, dabei besonders.“ Bereits weitgehend standardisiert eingeführte technische Systeme wie Sicherheitsgurt, Antiblockiersystem (ABS), Airbags und die Elektronische Stabilitätskontrolle (ESC) spielten auch weiterhin eine wichtige Rolle, da die beiden neuen Funktionen auf dem Vorhandensein dieser Systeme aufbauen.
Für die OEMs und die Zulieferer bestehe jetzt die Aufgabe darin, zwischen Komfortfunktionen und Warnungen beziehungsweise Eingriffen zu unterscheiden. Prinzipiell besteht ein großer Unterschied darin, ob sich ein Fahrer im Fahrzeug befindet, der im Notfall eingreifen könnte, oder ob das Auto selbständig fährt – beispielsweise in einem Parkhaus, das für vollautomatisiertes Parken geeignet ist und in dem sich keine Menschen aufhalten, die gefährdet werden könnten.
Diese neuen Systeme stehen dem Fahrer vorausschauend zur Seite. „Umfeldsensorik in Verbindung mit leistungsfähigen, hochdynamischen Bremsen sind die Schlüsseltechnologien wenn es darum geht, die Fahrsicherheit noch weiter zu erhöhen. Sie bilden die Basis für den nächsten Quantensprung bei Sicherheitstechnologien nach Sicherheitsgurt, ESC und Airbag“, führt Dr. Rieth weiter aus.
Für alle Systeme gelte jeweils die gleiche zeitliche Abfolge: Zuerst wird der Fahrer gewarnt, damit er entsprechend in das Fahrgeschehen eingreifen kann. „Für einen Fahrereingriff benötigt der Fahrer mindestens zwei Sekunden Zeit“, hebt Dr. Rieth hervor. „Wenn weniger als eine Sekunde Zeit verbleibt, dann muss der Computer die Aufgabe übernehmen.“ Abstrakter ausgedrückt: „Wenn wir die eventuellen Eingriffe im Zeitbereich sehen, dann lassen sich diese Angelegenheiten regeln.
Automatische Notbremsung
Was heißt das für die Praxis? Dr. Rieth beantwortet diese Frage in seiner ganz persönlichen Darstellungsweise: „Was ist denn der nächste potenzielle Ansatz nach ESC? Ich sage da immer: ‚Das ist die Schrecksekunde‘. Mit Notbremssystemen lässt sich viel erreichen.“ – und zwar sowohl bei Systemen für den Insassenschutz als auch beim Fußgängerschutz. Aus diesem Grund überlegten die US-Amerikaner, ob sie Notbremssysteme für alle neu zugelassenen Fahrzeuge ab 2016 vorschreiben. In Europa gebe es für Pkw keine entsprechenden gesetzlichen Auflagen, aber über Euro-NCAP dürfte sich die Situation auch ohne gesetzliche Auflagen regeln: „Ohne Notbremssystem und Spurverlassenswarnung kann ein Fahrzeug ab 2014 nicht den fünften NCAP-Stern bekommen“, erläutert Dr. Rieth.
5 NCAP-Sterne
Ab 2014 müssen Neufahrzeuge mit Fahrerassistenzsystemen wie Notbremssystem und Spurverlassenswarnung ausgestattet sein, um 5 NCAP-Sterne erhalten. Zur Vermeidung von Unfällen muss der Fahrer außerdem „im Flow“ bleiben, so dass weder Langeweile noch Überforderung auftreten.
Aktive Notbremsassistenten, von der EU als AEB (Advanced Emergency Brake Assist) und von Continental als EBA (Emergency Brake Assist) bezeichnet, bremsen das Fahrzeug in kritischen Situationen selbstständig ab, wenn der Fahrer nicht reagiert, um einen Unfall zu verhindern oder zumindest die Unfallfolgen maßgeblich zu mindern. Ein von der Continental-Division Chassis & Safety entwickelter Notbremsassistent erkennt per Abstandsmessung, ob sich der Abstand zu den vorausfahrenden Fahrzeugen verringert oder sich ein Hindernis auf der Straße befindet. Nimmt der Fahrer die drohende Unfallgefahr nicht wahr, dann warnt ihn ein Bremsruck. Tritt der Fahrer zu zögerlich auf die Bremse, erhöht der Notbremsassistent den Bremsdruck, um die optimale Verzögerung zu erreichen.
Mit einem von Continental für den Stadtverkehr optimierten Notbremsassistenten können viele Auffahrunfälle bei niedrigen Fahrgeschwindigkeiten ganz verhindert beziehungsweise deren Folgen stark reduziert werden. Nach Angaben des britischen Forschungszentrums Thatcham ereignen sich rund 80 Prozent aller Unfälle in Großbritannien in einem Geschwindigkeitsbereich von unter 25 km/h. Folgen- und kostenreiche Schleudertraumata lassen sich so verhindern oder in ihrer Schwere abschwächen. Der Notbremsassistent kann je nach Ausprägung bei Geschwindigkeitsdifferenzen zum vorausfahrenden Fahrzeug im Bereich von 15 km/h einen Auffahrunfall verhindern und bis 30 km/h die Aufprallgeschwindigkeit und somit die Schwere des Aufpralls erheblich vermindern. „So entsteht ein für den Massenmarkt kostenattraktives System mit einem extrem günstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis“, konstatiert Dr. Rieth.
Grundvoraussetzung für die neuen Fahrerassistenzsysteme sind hochdynamische Bremsen. „Mit den elektronischen Bremssystemen MK 100 und MK C1 bietet Continental Technologien an, die deutlich schneller als herkömmliche hydraulische Systeme Bremsdruck aufbauen“, führt Dr. Rieth weiter aus. „Die MK C1 ist 40 % leichter, um den Faktor 3 schneller im Druckaufbau. Im Stadtverkehr ermöglicht so eine integrierte Bremse im Vergleich zu einer Zwei-Kolben-Bremsanlage, wie sie heute in allen ESC-Systemen verbaut ist, einen um 5 m verkürzten Bremsweg bei 50 km/h. Damit ergibt sich eine um den Faktor 3 höhere Überlebenschance oder ein um den Faktor 3 geringeres Risiko, einen schweren Unfall zu erleiden.“
Systemansatz
Wichtig ist für ihn auf jeden Fall bei allen Sicherheitssystemen der Systemansatz: „Es sind nicht nur die Augen, die klar sein müssen: Es ist das Gehirn, das schnell rechnen muss und es ist der Muskel, der schnell bremst. Wir müssen Sicherheit stets als System sehen.“
Mit einer Stereokamera will Continental neue Wege in der Umfelderfassung gehen, damit „Unfälle mit Fußgängern oder kreuzenden Fahrzeugen besonders wirkungsvoll verhindert oder zumindest abgemildert werden“. Da die Stereokamera zwei „Augen“ besitzt, kann sie alle Arten von Hindernissen sicher erkennen und deren Distanz, Größe und Bewegungsrichtung messen. „Damit kann eine neue Generation von vorausschauenden Notbremsassistenten entwickelt werden“, hebt Dr. Riedt hervor. Die Fusion von Technologien wie etwa von Radar und Kamera und in der weiten Zukunft Car-to-Car-Kommunikation (C2C) und Car-to-Infrastructure-Kommunikation (C2I) eröffnet außerdem ganz neue Möglichkeiten. Der Radar gibt eine Information über die Entfernung, und die Kamera liefert Plausibilisierungs- und Klassifizierungsinformationen über das Objekt. „Und wenn wir dann 2016/2017 Car-to-Car-Kommunikation haben, dann ist das keine Telematik, sondern ein neuer Safety-Sensor, der um die Ecke schaut“, erklärt Dr. Riedt.
(av)