Mit der Smart-Antenna werden sich die Architekturen verändern. „Genügt der Sprit, um nach der Arbeit direkt nach Hause zu fahren oder ist ein Tankstopp im Feierabendgedränge notwendig?“ – Viele Autofahrer werden diese Frage in naher Zukunft mit einem kurzen Blick auf ihre Smartwatch klären können. So soll etwa für die neue Mercedes-Benz C- und S-Klasse noch in diesem Jahr eine App verfügbar sein, die dem Fahrer nicht nur eine vollständige „Tür-zu-Tür-Navigation“ ermöglicht, sondern auch Informationen zum Tankfüllstand oder zu Wartungsintervallen bereitstellt. Was der Fahrer jedoch nicht sieht, ist die Komplexität im Hintergrund: Je mehr Funktionen für die Insassen verfügbar sein sollen, desto mehr Elektronik und Software sind im Fahrzeug integriert. In Modellen der Oberklasse kann man bereits 80 bis 100 elektronische Steuergeräte vorfinden, die zudem auf verschiedene Arten miteinander kommunizieren.
Entsprechend aufwendig und durchdacht müssen die Architekturen solcher Infotainment-Systeme sein. Um mit neu aufkommenden Technologien die Komplexität nicht weiter zu erhöhen sondern sogar zu reduzieren, sollten sich Automobilhersteller mit Alternativen zur bisher verwendeten Infotainment-Systemarchitektur auseinandersetzen und tradierte Strukturen möglicherweise radikal verändern. Im Speziellen sind drei Technologien zu erkennen, die Einzug in das Automobil halten und neue Herausforderungen mit sich bringen.
Trend 1: Bluetooth Low Energy
Eckdaten
Im Gegensatz zu bisherigen Architekturen führt die Smart-Antenna zwei Funktionsgruppen zusammen: zum einen die Sende- und Empfangstechnik (die Antennen sowie gegebenenfalls Verstärker) und zum anderen die elektronische Weiterverarbeitung der Signale. Die Smart-Antenna enthält sowohl eine typische Dachantenne im Haifischflossen-Design (Sharkfin) als auch ein Steuergerät, das sich unmittelbar unter der Dachantenne befindet. Diese ECU verarbeitet die empfangenen Signale von Diensten wie AM/FM/DAB-Radio, Mobilfunk, WLAN, GPS, Bluetooth oder Digital-TV direkt weiter.
Bluetooth Low Energy (BLE) arbeitet im Bereich 2,4 GHz und ist eine Erweiterung des bekannten Bluetooth-Standards, der bereits heute in vielen Fahrzeugen zum Freisprechen genutzt wird. Die strom- und kostensparende Variante BLE kommt oftmals bei den Wearables genannten Consumer-Produkten zum Einsatz, ist aber technisch auch für hohe Reichweiten von über 100 m ausgelegt. Deshalb sind Anwendungsmöglichkeiten wie BLE-basierte Funkschlüssel oder gleich die Nutzung des Smartphones als Schlüssel in naher Zukunft zu erwarten. Im Gegensatz zur Telefonie mit Bluetooth Classic (Hands-Free-Profile) befindet sich dann jedoch die Funkstrecke außerhalb des Innenraums. Ein entsprechendes BLE-Antennensystem mit Transceiver muss zusätzlich ins Fahrzeug integriert werden. Dabei ist die Positionierung eines solchen Systems wichtig für die maximale Reichweite.
Trend 2: WLAN zur Außenwelt
Nicht nur innerhalb von Ballungsgebieten sondern auch auf dem Land und bei Tempo 140 möchten Fahrzeuginsassen inzwischen problemlos im Web surfen. Bereits heute bieten einige Automobilhersteller einen eigenen WLAN-Hotspot beim Erwerb eines Neuwagens mit an. BMW installiert einen solchen Hotspot zum Beispiel über einen Snap-in-Adapter in der Mittelarmlehne, über den bis zu acht Endgeräte gleichzeitig per LTE-Verbindung Internetzugang erhalten. Dennoch ist diese Zugangsart eine recht kostspielige Angelegenheit.
Für größere Datenmengen ist es sinnvoll, das Auto mit einem bestehenden WLAN zu verbinden, zum Beispiel mit dem Netz zu Hause oder mit einem öffentlichen Hotspot. Auch hier ändern sich die Anforderungen an das Antennensystem von einem fahrzeuginternen WLAN zu einem nach außen gerichteten Netz. Derartige stabile breitbandige Internetverbindungen werden zukünftig Software-Updates für die gesamte Fahrzeugelektronik ermöglichen. Bei WLAN geht es um Frequenzen in den Bereichen 2,4 GHz und 5 GHz.
Trend 3: Car-to-X Kommunikation
Für die direkte Kommunikation von Autos im Sinne einer Car-to-X Kommunikation, also auch mit ihrer Umgebung, wurde der Standard 802.11p spezifiziert, dessen Frequenzband bei 5,9 GHz liegt. Der Standard stellt kurze Netzzugangszeiten sicher und verhindert lange Verzögerungen in der Kommunikation mit anderen Autos oder Gegenständen in der Verkehrsinfrastruktur. In den USA steht eine verpflichtende Einführung durch den Gesetzgeber unmittelbar bevor, was die Wahrscheinlichkeit auf serienmäßig ausgestattete Kraftfahrzeuge mit 802.11p deutlich erhöht.
Gegenentwurf zu konventionellen Infotainment-Systemarchitekturen
Viele Infotainment-Systeme bieten mit ihren stark verteilten Architekturen nicht die optimalen Voraussetzungen für die zuvor erwähnten Technologietrends. Einen beispielhaften Lösungsansatz bietet die Smart-Antenna, die im Gegensatz zu bisherigen Architekturen zwei Funktionsgruppen zusammenführt: zum einen die Sende- und Empfangstechnik, sprich Antennen plus gegebenenfalls Verstärker und zum anderen die elektronische Weiterverarbeitung der Signale.
Im Kern baut die Smart-Antenna auf einer typischen Dachantenne im Haifischflossen-Design (Sharkfin) auf. Diese wird um ein elektronisches Steuergerät erweitert, welches sich unmittelbar unter der Dachantenne befindet. Diese ECU verarbeitet die empfangenen Signale von Diensten wie AM/FM/DAB-Radio, Mobilfunk, WLAN, GPS, Bluetooth oder Digital-TV direkt weiter. Das umfasst Tuning, Demodulation und Decodierung von Daten sowie das Handling der unteren Schichten von Kommunikationsprotokollen. Mit diesem Aufbau bildet die Smart-Antenna eine neue Einheit aus Tuner, Transceiver und Antennen (Bild 1). Ihre Konzeption veranschaulicht, wie sich neue Entwicklungstrends adaptieren lassen, während gleichzeitig Komplexität und Materialaufwand sinken können.
Integration unterschiedlicher Funkdienste
Mobilfunkstandards (GSM, UMTS, LTE) und Navigationsdienste (GPS, GLONASS, Galileo, Beidou) kombiniert die Smart-Antenna-Systemarchitektur mit Rundfunk (AM/FM, DAB, Sirius XM), Keyless-Entry (Bluetooth LE) sowie Car-to-X (802.11p) an einer Stelle und bereitet die Signale sowie die Daten zentral auf. Über eine speziell definierte Schnittstelle können die anderen Einheiten im Fahrzeug somit die Gesamtheit dieser Funkdienste, etwa von einer Headunit aus, direkt und einheitlich nutzen. Da nicht alle genannten Dienste stets in jedem Fahrzeug gefordert sind, achteten die Entwickler beim Design der Smart-Antenna auf Skalierbarkeit. Somit sind viele Ausstattungs-Varianten mit ein und derselben Plattform realisierbar.
Distanzverkürzung bei analogen HF-Signalen
Die Smart-Antenna verringert die Distanzen, die analoge HF-Signale im Fahrzeug zwischen Antenne und Empfangsgerät zurücklegen. Weniger Verluste auf kürzeren Leitungen und gegebenfalls weniger HF-Steckverbindungen sorgen für einen besseren Signal-Rausch-Abstand, was in Summe einen besseren Empfang beim Telefonieren, Radiohören, Navigieren oder Fernsehen ergibt. Die unmittelbare Signalverarbeitung und die Position am Fahrzeugdach sind dabei außerdem für den Empfang von GHz-Signalen für WLAN- und Bluetooth-Verbindungen ideal.
Der Bauraum einer typischen Sharkfin-Antenne erlaubt nur die Unterbringung von kleineren Antennen mit wenigen Zentimetern Länge und damit nur den Empfang von bestimmen Frequenzbereichen. Daher stellt die Sharkfin-Antenne zwar den GNSS-, Telefon-, Bluetooth- und Satelliten-Radio-Empfang sicher; die Antennen für den terrestrischen Radio- und TV-Empfang sind aufgrund ihrer Größe jedoch je nach verfügbaren Bauräumen an anderen Stellen im Fahrzeug untergebracht. Die Zuführung dieser Antennen zur Smart-Antenna ergibt in Summe das Smart-Antenna-System.
Reduktion der Headunit-Komplexität
Der Leistungstransfer von Teilen der Headunit ins Smart-Antenna-System macht die Headunit unabhängig von Funkstandards. Standardänderungen und länderspezifische Unterschiede spielen somit keine Rolle mehr, was eine höhere Flexibilität für Baukastensysteme zur Folge hat. Die Anbindung der Smart-Antenna an die Headunit – also die Weitergabe aller Daten – erfolgt über ein entsprechend ausgelegtes digitales Bussystem, wobei entweder MOST150 und Automotive-Ethernet wahlweise zum Einsatz kommen kann. In Kombination mit den oben genannten Punkten erhöht sich so die Flexibilität bei der Integration aktueller sowie zukünftiger Infotainment- und Kommunikationsdienste.