Bereits heute ist der Einzug der Consumer Elektronik ins Fahrzeug nicht zu übersehen: Über Schnittstellen wie Bluetooth oder spezielle Adapter (etwa für das iPhone) lassen sich Smartphones einfach ins Auto integrieren. Dadurch können sie inzwischen viele Aufgaben übernehmen, die bisher dem eingebauten Infotainment-System vorbehalten waren: Musik spielen, Radiosender empfangen oder dem Fahrer mit Hilfe der Satellitennavigation den Weg weisen.
Der große Vorteil der Smartphones besteht darin, dass sie immer mit dabei sind, so dass ihr Besitzer auch außerhalb des Fahrzeugs auf Daten zugreifen oder eine Route planen kann. Das machen sich inzwischen auch viele Mobilitätsdienstleister zunutze: Die Deutsche Bahn ermöglicht mit ihrer App „DB Navigator“ beispielsweise das Buchen von „Handy-Tickets“, und dank der Smartphone-Software „myTaxi“ finden Fahrgäste das nächstgelegene Taxi heute auch ohne einen Anruf bei der Taxi-Zentrale.
Die Beispiele zeigen, dass Smartphones nicht nur das Entertainment im Auto, sondern zunehmend auch unsere Mobilitätsgewohnheiten verändern. Zahlreiche Angebote auf der Basis von Apps lassen bereits heute ahnen, dass sich dieser Trend in Zukunft noch verstärken wird: So erlebt das Carsharing nicht zuletzt durch die Vermittlung via Smartphone gerade eine Renaissance: Automobilhersteller wie BMW („DriveNow“), Daimler („car2go“) und Volkswagen („Quicar“) stellen Fahrzeuge zur Verfügung, deren Standort der Nutzer via Smartphone ermitteln und mit denen er völlig unkompliziert sofort losfahren kann.
Das eröffnet den Unternehmen nicht nur neue Märkte, sondern es sichert auch ihre Zukunft, denn gerade junge Menschen verzichten zunehmend auf ein eigenes Fahrzeug und bevorzugen ein solches flexibles Carsharing-Modell. Die OEMs müssen künftig also nicht nur Fahrzeughersteller und Finanzdienstleister sondern auch Anbieter von kompletten Mobilitätslösungen sein – beispielsweise von „Mobility Cards“, die neben dem Leasen von E-Fahrzeugen auch das Nachladen der Batterie, Carsharing sowie die Nutzung von Bahn und ÖPNV ermöglichen. In Zukunft gilt: Geld verdient derjenige Anbieter, der das richtige Verkehrsmittel zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu einem angemessenen Preis zur Verfügung stellt.
Die „Mobility-App“
Gerade im Zusammenhang mit der Elektromobilität werden Smartphones in Zukunft noch eine weitere wichtige Rolle übernehmen: den Fahrer immer sicher an sein Ziel bringen. Denn bei Elektrofahrzeugen hängt die Reichweite stark vom Wetter und dem Verkehrsgeschehen ab. Optimal sind leere Straßen und 20 °C Außentemperatur, so dass die Klimaanlage nicht laufen muss. Bei Schneefall, Minusgraden und Stau dürfte so mancher Fahrer hingegen schnell nervös werden, denn im Gegensatz zu herkömmlichen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor muss seine Batterie auch die Energie für die Heizung liefern. So kann sich die Reichweite schnell drastisch verringern; im schlimmsten Fall bleibt das Auto noch vor dem Ziel liegen. Das ist eine schlechte Nachricht für die Anbieter von E-Autos: Umfragen unter potenziellen Kunden zeigen, dass sie von ihrem Fahrzeug in erster Linie Zuverlässigkeit erwarten, und in dieser Hinsicht sind sie von Autos mit konventionellen Antrieben sehr verwöhnt.
Mit großem Aufwand arbeiten die OEMs darum an Lösungen für das – zumindest gefühlte – Reichweitenproblem: Batterien mit höherer Leistungsdichte, leichtere Fahrzeuge und Schnelllade-Techniken, die das „Auftanken“ des Energiespeichers beschleunigen sollen. Vielleicht werden in Zukunft auch spezielle „Ladespuren“ auf den Straßen ein induktives Nachladen der Batterie während der Fahrt ermöglichen und so die Reichweite vergrößern. All das wird die Angst vor dem Liegenbleiben aber nur teilweise zum Verschwinden bringen, weil dabei auch eine gefühlsmäßige Komponente beteiligt ist. Genau hier können Smartphones ein Gefühl von Sicherheit vermitteln: Das IAV-Konzept „Mobility4Sure“ nutzt Fahrzeugdaten wie den Ladestand der Batterie sowie Informationen über das Wetter, das aktuelle Verkehrsgeschehen und andere Verkehrsträger, um den Fahrer immer sicher ans Ziel zu bringen. Die Idee: Eine intelligente Software auf dem Smartphone oder Tablet-PC des Fahrers überwacht dabei laufend den Batterieladestand, die Position des Autos und die Verkehrsmeldungen. Das System kennt somit in jedem Moment die verbleibende Reichweite und die Lage auf den Straßen. Noch bevor die Situation kritisch wird, macht es dem Fahrer Vorschläge für Alternativen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Navigationssystemen schlägt die App aber nicht nur andere Strecken vor, sondern sie weist den Fahrer auch auf alternative Verkehrsmittel hin: Wenn beispielsweise auf dem Weg zum Flughafen abzusehen ist, dass die Batterieladung einen kritischen Stand erreichen könnte, würde die Software den Umstieg auf einen Zug oder eine S-Bahn vorschlagen und dem Fahrer nicht nur gleich eine passende Verbindung anzeigen sondern ihn auch zum nächsten Bahnhof dirigieren.
Das Smartphone verknüpft alle Informationen
und behält die Situation im Blick
Die Mobility-App verknüpft alle Verkehrsmittel miteinander: Neben Bahn und öffentlichem Nahverkehr kann sie auch die Angebote von Mitfahrzentralen oder Carsharing-Anbietern aufnehmen. Diese Daten sind zwar alle schon heute prinzipiell im Internet verfügbar – aber es wäre extrem aufwändig und unter Zeitdruck fast unmöglich, sich von Hand mit Hilfe zahlreicher Websites oder Apps eine alternative Route zusammenzusuchen.
Mobility4Sure erledigt das hingegen völlig automatisch: Der Fahrer gibt sein Ziel ein, wann und wo er starten möchte sowie die gewünschte Ankunftszeit. Bei schlechtem Wetter oder Stau auf den Straßen zum Ziel erscheint eine Warnung („Ankunftszeit unsicher!“).
Die Software kann ihm jetzt raten, die Reise eher zu beginnen („20 Minuten früher losfahren!“) oder sie macht ihm einen Vorschlag, mit welchem Mix von Verkehrsmitteln er sein Ziel pünktlich erreichen kann – zum Beispiel mit einer Kombination aus Elektrofahrzeug, Zug und E-Taxi, das die App im Idealfall gleich automatisch bucht.
Auch während der Fahrt behält die Mobility-App das Wetter- und Verkehrsgeschehen ständig im Blick und schlägt bei Veränderungen sofort bessere Alternativen vor. So wird das Smartphone zum Range Extender! Künftig soll das System noch intelligenter werden: Wenn es auf bestimmten Strecken immer wieder zu Staus kommt, empfiehlt die App von vornherein eine alternative Route oder einen anderen Mix von Verkehrsmitteln. Mobility4Sure zeigt, wie man den Fahrern mit Hilfe ihres Smartphones die Angst vor dem Liegenbleiben nehmen und so die Akzeptanz von Elektrofahrzeugen verbessern kann.Und sie eröffnet den Herstellern von E-Fahrzeugen neue Geschäftsmodelle: Während eine kostenlose (eventuell durch Werbung finanzierte) Light-Version nur die wichtigsten
Informationen liefert, könnte die Vollversion gegen eine Gebühr weitaus mehr Dienste zur Verfügung stellen. Mit diesem Konzept konnte IAV auch bei der Bewerbung für das „Schaufenster E-Mobilität“ punkten: In den kommenden drei Jahren wird die Mobility-App gemeinsam mit Partnern weiterentwickelt und in der Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen-Wolfsburg in der Praxis getestet.
„Bordcomputer to Go“
Auch außerhalb des Autos kann ein Smartphone dem Fahrer wichtige Informationen liefern – etwa den Benzin- und Wischwasserstand oder die restlichen Kilometer bis zur nächsten Inspektion. Diese Infos stehen zwar alle im Fahrzeug zur Verfügung, sind aber nach dem Aussteigen nicht mehr zu erreichen. Wer also nicht sicher ist, ob noch genug Benzin im Tank oder elektrische Energie in der Batterie ist, musste bisher zurück zum Fahrzeug und nachsehen. Das muss nicht sein: Wären diese Informationen auf seinem Smartphone verfügbar, könnte der Fahrer sie bequem überall und jederzeit abrufen. So würde das intelligente Handy zum „Bordcomputer to Go“, auf den immer und an jedem Ort zugegriffen werden kann.
Sicherer Zugang
Voraussetzung dafür ist aber ein sicherer Zugang zur Fahrzeugelektronik, denn schließlich dürfen die Steuergeräte nicht manipuliert oder durch Schadsoftware geschädigt werden. Dafür sorgt der „App Adapter“ von IAV: Dahinter verbirgt sich ein Steuergerät plus Software, das über den CAN-Bus die Daten der anderen Steuergeräte abgreift und – etwa über Bluetooth – an ein Smartphone weiterleitet. Dabei gibt es einen klaren Unterschied zwischen einer aktiven Diagnoseabfrage und einem passiven Informationsabgriff: Im erstem Fall entsteht eine Buslast und die Steuergeräte werden in den Diagnosemodus versetzt. Der App Adapter nimmt hingegen nur einen Datenabgriff vor, von dem das Fahrzeug nichts mitbekommt.
Auf klassische IT-Konzepte haben die IAV-Entwickler eine zusätzliche Sicherheits-Schicht aufgesetzt, so dass die OEMs ihre Fahrzeuge noch mehr für Consumer Elektronik öffnen können, ohne sich um die Sicherheit Sorgen machen zu müssen.
App-Adapter fürs Auto
Der App-Adapter ist ein Steuergerät plus Software, das über den CAN-Bus die Daten der anderen Steuergeräte abgreift und – beispielsweise per Bluetooth – an ein Smartphone weiterleitet. Dabei führt der Adapter keine aktive Diagnoseabfrage durch, sondern er „hört“ die Informationen auf dem CAN-Bus passiv mit, ohne damit den Bus zu belasten.
„PKW-Apps“ erweitern den Funktionsumfang
Auch bei den „PKW-Apps“ spielt die Sicherheit eine zentrale Rolle. Dahinter steckt die Idee, den Funktionsumfang von Fahrzeugen nach dem Kauf durch Software-Updates zu erweitern. So ließen sich beispielsweise Zusatzfunktionen des Infotainment-Systems nachträglich freischalten.
Denkbar sind auch unterschiedliche Profile für die Motorsteuerung: sparsam unter der Woche, flott am Wochenende. Heute werden solche Änderungen an der Software ausschließlich in der Werkstatt durchgeführt – es spricht aber nichts dagegen, die PKW-Apps entweder direkt ins Auto oder auf das Smartphone des Fahrers zu schicken.
Die Beispiele zeigen: Smartphones haben das Potenzial, zur zentralen Drehscheibe in punkto Mobilität zu werden. Als intelligente Navigationssysteme (Mobility4Sure), portable Bordcomputer, Speicher für PKW-Apps und mobile Musiksammlungen wachsen die intelligenten Handys immer mehr mit den Fahrzeugen zusammen. Wer weiß: Vielleicht brauchen wir in einigen Jahren kein Infotainment-System mehr, weil alle Funktionen auf dem Smartphone laufen?
Michael Papendieck und Steffen Rohde
(av)