Das Einhalten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ist für höchste Sicherheit im Straßenverkehr unerlässlich. Aus diesem Grund hat die EU-Kommission einige Sicherheitsstandards in der EU-Verordnung 2019/2144 eingeführt, die für alle in der Europäischen Union verkauften Neufahrzeuge verbindlich gelten. Dazu zählt auch der intelligente Geschwindigkeitsassistent (Intelligent Speed Assistance / ISA). Entsprechende Technologien müssen ab Juli 2022 in allen neu am Markt eingeführten Fahrzeugtypen der Klassen M und N (Pkw, Transporter, Lkw und Busse) serienmäßig enthalten sein. Im nächsten Schritt wird dies dann ab Mitte 2024 auch für alle neuen, innerhalb der EU verkauften Fahrzeuge gelten. Die Regelung soll nicht nur das Unfallrisiko reduzieren, sondern auch einen weiteren Schritt hin zum vernetzten und automatisierten Fahren markieren.
Dabei hat die EU-Kommission die technischen Anforderungen an die Neuregelung und die Testverfahren zur Systemabnahme und Zulassung präzise spezifiziert: Als fahrzeuginternes Assistenzsystem soll ISA die für die gerade befahrene Straße geltende zulässige Höchstgeschwindigkeit anzeigen. Wird diese überschritten, sollen die Autofahrer entsprechend gewarnt oder sogar am zu schnellen Fahren gehindert werden. Die Technologie bietet eine wichtige Hilfestellung für Fahrer, die aufgrund eingeschränkter Aufmerksamkeit Verkehrsschilder übersehen, in ihrer Sicht beeinträchtigt sind oder vorübergehende Tempolimits nicht wahrnehmen. Ziel der Regelung ist es, kritische Situationen und Unfälle zu verhindern sowie die Sicherheit im Straßenverkehr generell zu erhöhen.
Welche drei Funktionsstufen von ISA gibt es?
ISA lässt sich in drei Ausbaustufen umsetzen: Das System muss immer die aktuell geltende Geschwindigkeitsbegrenzung in direkter Sichtlinie anzeigen, zum Beispiel über ein Display im Armaturenbrett. Des Weiteren muss das System bei Überschreitung des Tempolimits entweder eine audiovisuelle Warnung ausgeben oder die Gasannahme beschränken. Im ersten diesen beiden Szenarien kontrollieren die Fahrer nach wie vor die Geschwindigkeit selbst. Im zweiten Fall wird das System bei einer Übertretung die Gasannahme entsprechend der jeweils geltenden Geschwindigkeitsbegrenzung drosseln. Ist diese Funktion aktiviert, lässt sich nur durch deutlich stärkeres Betätigen des Gaspedals über die erlaubte Geschwindigkeit hinaus beschleunigen. Dabei sendet das ISA-System ebenfalls akustische und optische Warnsignale aus.
Wie lässt sich das Ganze nun technisch realisieren? Hierzu muss die Fahrzeugsensorik zunächst in der Lage sein, die auf dem entsprechenden Straßenabschnitt geltenden Tempolimits verlässlich zu ermitteln. Eine besondere Anforderung dabei: Die EU-Kommission hat für die Umsetzung der ISA-Regelung strenge Testrichtlinien definiert. So müssen beim Systemabnahmetest die Geschwindigkeitsbeschränkungen für mindestens 90 Prozent der gefahrenen Strecke korrekt angewendet werden. Eine Möglichkeit besteht darin, dass in den Fahrzeugen verbaute Frontkameras entsprechende Verkehrszeichen erkennen und lesen. Dafür am besten geeignet sind explizite Tempolimits, die auf Schildern numerisch angezeigt werden.
Warum mangelnde Beschilderung ISA Probleme bereitet
Eine Herausforderung in diesem Zusammenhang: Ein Großteil der geltenden Geschwindigkeitsbeschränkungen wird auf europäischen Straßen nicht durch solche expliziten Verkehrsschilder ausgewiesen. Laut Untersuchungen von HERE Technologies handelt es sich hierbei um mehr als 60 Prozent. Dazu kommt: Generelle Tempolimits wie etwa für Autobahnen oder geschlossene Ortschaften werden in den einzelnen EU-Ländern über spezifische, landesweite Vorschriften geregelt. Dabei werden sie im Normalfall nicht über explizite Schilder dargestellt, sodass Kameras sie nicht wahrnehmen können.
Aufgabe ist es nun, die jeweils geltende Geschwindigkeitsbegrenzung auf anderen Wegen zu ermitteln. Dies kann über sogenannte implizite Tempolimits erfolgen. Diese resultieren aus speziellen Verkehrsschildern, die beispielsweise den Beginn einer geschlossenen Ortschaft, einen verkehrsberuhigten Bereich, eine Kraftfahrstraße oder Autobahn anzeigen. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit in numerischer Form wird darauf nicht ersichtlich. Zudem existieren auch bestimmte regionale und landesweite Vorschriften, die in der Regel nicht über Schilder kommuniziert werden. Und schließlich sind Geschwindigkeitsbegrenzungen denkbar, die mit der Tageszeit, den aktuellen Wetterbedingungen, der Anzahl der Fahrspuren oder der Art des Fahrzeuges variieren.
Zusatzschilder stellen ISA-Systeme vor Herausforderungen
Ein Beispiel: Manche Tempolimit-Schilder sind mit dem Zusatz „bei Nässe“ versehen. Eine Frontkamera mit integrierter Bildverarbeitungs-Software ist unter normalen Umständen in der Lage, diese Information zu lesen und zu verwerten. Durch die Verknüpfung mit Daten des Regensensors kann das ISA-System zuverlässige Aussagen über die momentan erlaubte Geschwindigkeit liefern. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass das System das unscheinbare Zusatzschild überhaupt wahrnehmen kann. Hierzu bedarf es klarer Sichtverhältnisse, die aber gerade bei Regen – für den der Zusatz gilt – meist nicht herrschen. Zudem kann die Lesbarkeit der Schilder durch verschiedenste Einflüsse wie Verwitterung, Beschädigung, Laubbewuchs, Verschmutzung oder Schnee beeinträchtigt sein. Dies kann sich negativ auf die zuverlässige Funktionsweise des ISA-Systems auswirken.
Dazu kommt: Bestimmte Geschwindigkeitsbeschränkungen sind abhängig von der Spur, auf der das Auto gerade fährt. So kann beispielsweise für eine Abbiege-Spur ein anderes Tempo gelten als für die Bereiche daneben. ISA-Systeme können häufig nicht präzise zwischen den einzelnen Spuren unterscheiden. Zudem gibt es rein kontext-abhängige Tempolimits, die etwa nur für Lkw, Gefahrengut-Transporter oder Pkw mit Anhänger gelten. Diese könnte das System falsch interpretieren und für allgemein gültige Tempobegrenzungen halten.
Aufgrund dieser hohen Komplexität sind solche Geschwindigkeitsbeschränkungen mit Zusatzhinweisen nicht Bestandteil der offiziellen ISA-Systemtests. Dennoch sind die Fahrer auf zuverlässige Informationen angewiesen, um das System optimal nutzen zu können. Aus diesem Grund arbeiten ISA-Systeme mit einer hohen Zahl an Datenpunkten, um Tempolimits zuverlässig zu ermitteln und entsprechend anzuzeigen. Dazu zählen neben den Frontkameras auch Satellitensysteme (Global Navigation Satellite Systems / GNSS) zur präzisen Positionsbestimmung. Zudem können weitere fahrzeuginterne Sensoren wie Ultraschall-, Radar- und Lidar-Systeme eingesetzt werden. Diese liefern exakte Daten zur Umgebung und ermöglichen, Entfernungen zu anderen Fahrzeugen und Hindernissen realistisch einzuschätzen. Die Technologien haben auch eine wichtige Bedeutung für den Funktionsumfang von Fahrerassistenzsystemen (Advanced Driver Assistance Systems / ADAS) wie etwa Brems- und Spurhalteassistenten.
Wie lässt sich ISA umsetzen?
ISA-Systeme sind ein weiterer Schritt hin zur Entwicklung intelligenter und selbstfahrender Fahrzeuge. Durch die verpflichtende Einführung von ISA finden Technologien wie Kamerasysteme und digitale Karten den Weg in fast jedes Fahrzeug. Zudem tragen ISA-Systeme dazu bei, die Akzeptanz von Assistenzsystemen bis hin zum automatisierten Fahren entscheidend zu erhöhen. Eine wichtige Rolle spielen dabei digitale Karten in Kombination mit Kamera-Technologien und einem elektronischen Horizont.
Sensorik allein ermittelt nicht alle Tempolimits
Eine Einschränkung besteht jedoch darin, dass sich durch Sensorik allein nicht alle denkbaren Tempolimits ermitteln lassen. Als wertvolle Ergänzung für ISA dient daher digitales Kartenmaterial sowie ein elektronischer Horizont. Ersteres enthält neben Streckeninformationen auch Geschwindigkeitsbeschränkungen in kodierter Form einschließlich bedingender Faktoren, die sich auf die jeweiligen Straßensegmente beziehen. Der entscheidende Vorteil: Die Karte bietet auch verlässliche Informationen über Tempolimits, die nicht durch explizite oder implizite Schilder ausgewiesen sind. Überdies werden auch variable, kontextabhängige sowie weitere Beschränkungen berücksichtigt, die sich aus generellen Regelungen ergeben und nicht durch Verkehrszeichen angezeigt werden.
Der elektronische Horizont ist eine Software, die mittels digitaler Kartendaten Informationen über die Strecke vor dem Fahrzeug liefert und diese mit validen Informationen über Position und Straßenverhältnisse aus der Sensorik kombiniert. So lässt sich ein realistisches Modell der vorausliegenden Strecke erzeugen – von einigen hundert Metern bis hin zu mehreren Kilometern. Gute Ergebnisse werden dann erzielt, wenn der elektronische Horizont die sensorisch erfassten Informationen mit dem digitalen Kartenmaterial validiert und dann kombiniert. So hat also die digitale Karte eine entscheidende Bedeutung, wenn es um die Erfüllung der strengen ISA-Anforderungen geht. Denn Sensorik allein führt hier nicht zu ausreichenden Resultaten.
Digitale Kartenlösungen unterstützen ISA, ADAS und Co.
HERE bietet verschiedene digitale Kartenlösungen, die ISA-Systeme, ADAS und das automatisierte Fahren allgemein unterstützen. Dazu zählen eine minimalistische ISA Map, eine umfassende ADAS Map und die präzise HD Live Map. Die einzelnen Produkte bauen aufeinander auf und enthalten eine Vielzahl 7präziser Informationen, die sensorische Daten sinnvoll ergänzen. Sie reichen von Straßengeometrien, Straßenattributen und Tempolimits über ADAS-relevante erweiterte Geometrien bis hin zu detailgenauen Angaben zu Fahrspuren, Straßenmarkierungen, Positionen von Schildern und Ampeln, Leitplanken sowie zu vielen weiteren Objekten. Auf diese Weise entsteht ein umfassendes Bild der aktuellen Verkehrssituation, das sich allein mit Sensorik nicht erreichen lässt.
Dabei speisen sich die Karten von HERE mit validen Informationen aus zahlreichen verschiedenen Quellen. HERE erfasst und sammelt mit einer eigenen Flotte aus Vermessungsfahrzeugen weltweit Daten über Millionen von Straßenkilometern. Mithilfe aktueller Sensoren wie etwa hochauflösender Kameras und Lidar-basierter Entfernungsmesser werden die Daten präzise aufgenommen. Darüber hinaus arbeiten lokale Teams mit Quellen wie etwa Straßenverkehrsämtern und Autobahnbetreibern, um ständig über Änderungen informiert zu sein und diese in die Karte einzupflegen. Des Weiteren hat HERE Vereinbarungen geschlossen um kontinuierlich große Mengen an anonymisierten Fahrzeugsensordaten aus Flotten mehrere Autohersteller zu erhalten. Dies sorgt für zahlreiche aktuelle Datenpunkte, mit denen sich die Karte ständig aktualisieren lässt. Außerdem enthält das Kartenmaterial viele weitere wertvolle Informationen aus Satellitenbildern, zugekaufte Daten und Updates aus der Nutzer-Community.