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Elektroauto© ferkelraggae - Fotolia.com

Die Motivation dieser Anwendung besteht primär darin, die elektrische Versorgung bei steigender elektronischer Ausstattungsrate als Hauptfunktionen sicher zu stellen. Die echte Zellzustandserfassung in Bezug auf Leistungsfähigkeit, Ladezustand (State of Charge, SOC) und Alterungszustand (State of Health, SOH) sowie Aspekte wie Zellüberwachung, Leistungsprognose, Betriebsstrategie, Thermomanagement, Cell-Balancing, Zell-Alterung und Hochvolt-Lademanagement entscheidet maßgeblich über Ausbeute und Lebensdauer eines Akkus. Diese physikalischen beziehungsweise elektrochemischen Variablen lassen sich aber nur dann verwertbar definieren, wenn die Batterie mathematisch exakt beschrieben, modelliert und als komplexes Ersatzschaltbild vorhanden ist. Wertvolle Dienste leistet dabei die EIS (Elektrochemische Impedanz-Spektroskopie).

Bild 1: Mögliche Systemeinbindung im Fahrzeug.

Bild 1: Mögliche Systemeinbindung im Fahrzeug. HAW Hamburg, Fakultät Technik und Informatik, Department Informations- und Elektrotechnik

Lithium-Ionen-Batterien sind die derzeit interessanteste Option unter den Speichertechnologien für die nächste Generation von Hybridfahrzeugen. Doch unabhängig von der Art der Speichertechnologie ist die Kommunikation zwischen Zellen und/oder Stacks eine der elementaren Voraussetzungen im Gesamtsystem. Die HAW-Hamburg hat hierzu Systemvorschläge (Bild 1) erarbeitet, bei der Zell-Sensorik und Zell-Balancing drahtlos an das Steuergerät angebunden sind. Die Bandbreite der Anwendung reicht vom Start-/Stopp System über den Hybridantrieb bis hin zum reinen Elektromobil.

Batteriemanagement: Viel mehr als nur Strom und Spannung messen

Hohe Packungsdichte bei optimalem Thermomanagement und geringem Gewicht sind das Ziel bei der Entwicklung neuer Energiespeicher. Um eine beschleunigte Alterung der Li-Ionen-Zellen zu verhindern, sollten die Betriebstemperaturen im Zellkern in den vom Hersteller definierten Grenzen gehalten werden, in der Regel zwischen 40 bis 60 °C. 

Denn laut Arrhenius-Gesetz verdoppelt sich die Alterungsrate einer Batterie mit einer Erhöhung der Temperatur um 10 K. Um diese Temperaturen in jedem Betriebspunkt sicher zu stellen, ist eine Batteriekühlung notwendig. Für die Auslegung von Batteriemanagement und Thermomanagement muss eine elektrische sowie eine thermische Simulation und Modellierung entwickelt werden. Durch die Überwachung jeder einzelnen Zelle in punkto SOH/SOC und die intelligente Kopplung dieser Daten mit dem Thermomanagement der Batterie sowie die Entwicklung und Implementierung entsprechender Regel-/Steueralgorithmen im Batterie-Management-System (BMS) kann eine frühzeitige Alterung der Batteriezellen verhindert werden.

Anwendung der EIS

Die Elektrochemische Impedanzspektroskopie lässt sich neben der bisherigen Arbeit im Labor nun auch in Massenprodukten verwenden, etwa für die impedanzbasierte Alterungsüberwachung (SOH) und die Anwendung im Online-Batterie-Monitoring von Fahrzeugen, denn neben der Auswertung von Batteriestrom und -spannung eignet sie sich auch zur Überwachung des Innenwiderstands der Batterien.

Bild 2: Anstieg der Batterieimpedanz einer USV-Bleibatterie während einer künstlichen Alterung bei  65 °C Umgebungstemperatur.

Bild 2: Anstieg der Batterieimpedanz einer USV-Bleibatterie während einer künstlichen Alterung bei 65 °C Umgebungstemperatur.Rutronik

Besonders im Bereich der unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) ist das Überwachen der Batterieimpedanz ein gutes Merkmal für die Alterung der Batterien. Die Bilder 2 und 3 zeigen die Ergebnisse eines breit angelegten Alterungsversuchs mit kontinuierlicher Überwachung der Batterieimpedanz. Vermessen wurden verschiedene Batterieblöcke und Einzelzellen, die in einem künstlichen Alterungstest bei erhöhter Temperatur regelmäßig auf ihre Kapazität und ihre interne Impedanz getestet wurden. Bild 2 zeigt für jeden Alterungsschritt den Betrag der Impedanz über der Frequenz. Die Altersangaben sind aus der künstlichen Alterung berechnet. Die Batterien lagerten bei 65 °C unter konstanter Spannung, was ungefähr einem Alterungsfaktor von 16 gegenüber Raumtemperatur entspricht.

Bild 3: Entwicklung der Impedanz und der Kapazität eines Batteriestrangs während einer künstlichen Alterung. Die Kurven zeigen die Entwicklung einzelner Batterieblöcke des Strangs.

Bild 3: Entwicklung der Impedanz und der Kapazität eines Batteriestrangs während einer künstlichen Alterung. Die Kurven zeigen die Entwicklung einzelner Batterieblöcke des Strangs.Rutronik

In Bild 3 sind die Messergebnisse eines kompletten Batteriestrangs zu sehen, jeweils mit der Entwicklung der Batterieimpedanz der einzelnen Blöcke und deren zugehöriger gemessener Kapazität. Aus der Abbildung ergibt sich ein Zusammenhang zwischen Impedanzanstieg und Kapazitätsabnahme, jedoch konnte bislang noch keine direkte allgemeingültige Korrelation zwischen Impedanz und Kapazität gefunden werden. Dennoch bietet die kontinuierliche Überwachung der Batterieimpedanz gerade bei großen Batteriesträngen die Möglichkeit, Unterschiede zwischen einzelnen Blöcken schnell zu erkennen.

Onboard-Diagnose der Batterie im Fahrzeug

Die steigende Anzahl elektronischer Steuergeräte im Automobil erhöht die Ansprüche an die Bordnetzbatterie deutlich, so dass die Onboard-Diagnose für die reine Starterbatterie im Fahrzeug von zunehmender Bedeutung ist. In der Regel besteht ein Batteriesensor, der an ein Batterie-Management-System (BMS) angeschlossen ist, aus einem Widerstand (Shunt) oder Hallsensoren zur Strommessung, einem Spannungsfühler sowie einem Temperatursensor.

Bild 4: Einsatz von passiver Impedanzspektroskopie in der Onboard Diagnose von Starterbatterien.

Bild 4: Einsatz von passiver Impedanzspektroskopie in der Onboard Diagnose von Starterbatterien.Rutronik

Das BMS wertet alle Parameter aus und leitet Aussagen über den Zustand der Batterie ab. Auch hier kann die Impedanzspektroskopie dabei helfen, die Zustandsdiagnose zu stützen, indem neben Strom und Spannung auch eine frequenzabhängige Impedanz geliefert wird. Hierzu gibt es zwei Möglichkeiten: die so genannte aktive Anregung mit dem auf dem Chip befindlichen Signalgenerator oder die passive Anregung. Letztere stützt sich auf die durch aktive elektronischen Lasten des Bordnetzes hervorgerufene Störungen (Bild 4). Das Verfahren analysiert für einen gefilterten Frequenzbereich Strom und Spannung und berechnet mittels grundlegender mathematischer Funktionen die Impedanz der Batterie.

Bei der EIS an Batterien wird dem Prüfling ein sinusförmiger Wechselstrom eingeprägt und die Spannungsantwort gemessen. Zusätzlich kann ein Gleichstrom überlagert werden, um den Arbeitspunkt des Prüflings einzustellen. Durch Verwendung der diskreten Fourier-Transformation lässt sich dann die komplexe Impedanz des Prüflings gemäß der Gleichung in Bild 5 berechnen:

Bild 5: Über eine diskrete Fourier-Transformation lässt sich die komplexe Impedanz des Prüflings ermitteln.

Bild 5: Über eine diskrete Fourier-Transformation lässt sich die komplexe Impedanz des Prüflings ermitteln.Rutronik

Bei einer Impedanzspektroskopie mit dem System-on-Chip (SoC) MD8710 von Infineon muss zur Anregung mit höheren Strömen der Batterie eine Leistungsstufe zwischen MD8710 und Batterie geschaltet werden. Durch Variation der Anregungsfrequenz lässt sich ein komplettes Impedanzspektrum Z(f) ermitteln.

Zell-Überwachung und -Diagnose verlangen ein vernetztes System

Ein für alle Batterietechnologien geeignetes, „intelligentes“ Energiemanagement setzt voraus, dass unter anderem die dezentral aufgezeichneten Daten aus der Batterie in einem zentralen BMS an eine lokale Sammelstelle übertragen und dort gespeichert (siehe Bild 1) werden. Von hier werden die Daten bei Bedarf an einen Online-Service-Provider geschickt, der alle Daten sammelt und auswertet. Damit lassen sich zusätzlich statistische Daten einer ganzen Fahrzeugflotte miteinander vergleichen und abstimmen. Aus gesammelten Flottenergebnissen ließen sich wiederum Steuerungsparameter ableiten.

Für dieses Anforderungsprofil hat Rutronik exklusiv mit Infineon eine hochintegrierte Chip-Lösung entwickelt: das Single-Chip Analytical Device MD8710 (Bild 6). Dieses IC verfügt als zentrale Einheit über einen ARM-Cortex-R4-Prozessor, eine umfassende Memory-Protection-Unit, einen Interrupt-Controller, einen DMA-Controller und einen Watchdog-Timer.

Bild 6: Alle Funktionen des MD8710 als Blockschaltbild vereinfacht dargestellt

Bild 6: Alle Funktionen des MD8710 als Blockschaltbild vereinfacht dargestelltRutronik

Das analoge Frontend des Bausteins ermöglicht Anwendungen mit hohen Anforderungen an die analoge Signalverarbeitung. Es bietet zwei unabhängige 16-bit-ADCs und zwei 16-bit-DACs. Die DAC-Kanäle lassen sich mit Daten aus einem integrierten Wavetable-Generator speisen, während zwei frei konfigurierbare, hochohmige OPVs pro ADC für die analoge Vorverarbeitung nutzbar sind – beispielsweise als Transimpedanzverstärker für Stromeingänge. Zur weiteren Systemintegration verfügt der MD8710 über einen 12-bit-ADC mit vier externen Hilfsmultiplexeingängen und einem Temperatursensor.

Zwei komplett getrennte DAC-Kanäle für die Signalsynthese und zwei ADC-Kanäle für Signalanalysen arbeiten vollständig simultan und zeitsynchron. Damit lassen sich Strom, Spannung und Phase bestimmen. Für den Datenaustausch stehen eine USB-2.0-Schnittstelle, ein integriertes Bluetooth-Modul sowie I2C-, SPI- und UART-Interfaces zur Verfügung.

Von einer externen Spannungsquelle aus generiert und überwacht die Power Management Unit (PMU) alle benötigten Spannungen zur Eigenversorgung des Chips. Die PMU beherrscht verschiedene Energiespar- und Wake-up-Szenarien und ist auch für die Ladesteuerung eines Li-Ion- oder LiPo-Akkus verantwortlich, zum Beispiel zur dezentralen Low-Power-Point-of-Load-Versorgung des zentralen Steuergeräts – ohne Anschluss an die zu analysierende Hauptbatterie.

Des Weiteren verfügt das MD8710 über einen Displaycontroller, der Matrix-LDCs unterstützt und Audiofunktionen zur Verfügung stellt, mit denen unterem die Ausgabe von Warnsignalen möglich ist. Mit den vier integrierten PWM-Ausgängen lassen sich Halbleiter-Leistungsschalter für das Cell-Balancing direkt ansteuern.

Ein Starter-Kit zur ersten Evaluierung des neuen Bausteins ist nun verfügbar. Damit ist es möglich, Batteriemanagement-Systeme zusammen mit externen Leistungsschaltern für das aktive Cell-Balancing neu zu definieren und praxisgerecht umzusetzen. Die nächste Hauptaufgabe kommt nun auf die Batterie-Hersteller und Automotive-OEMs zu: die Modellierung und Simulation der Zellen, Stacks und/oder kompletten Batterien.

Andreas Mangler

: Director Strategic Marketing bei der Rutronik Elektronische Bauelemente GmbH.

Martin Kiel

: Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe „Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik“, die zum Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe (ISEA) gehört, das wiederum der RWTH Aachen angegliedert ist.

(av)

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